Guatemalas höchstes Gericht stimmt für Rückkehr eines UN-Kommissars

Das Verfassungsgericht in Guatemala. Foto: Nómada GT. Veröffentlicht unter Creative-Commons-Lizenz (CC BY-NC-ND).

Die nächsten 48 Stunden sind entscheidend für die Demokratie in Guatemala. Das Verfassungsgericht forderte die Regierung in einem einstimmigen Urteil auf, dem kolumbianischen Juristen Iván Velásquez die Rückkehr in das Land und die Wiederaufnahme seiner Arbeit als Leiter der von den Vereinten Nationen unterstützten Internationalen Kommission gegen die Straffreiheit in Guatemala (Comisión Internacional contra la Impunidad en Guatemala, kurz CICIG) zu gestatten.

Erst im vergangenen Monat hatte Guatemalas Präsident Jimmy Morales angekündigt, das Mandat der CICIG nicht zu verlängern und Velásquez, der sich aktuell in den Vereinigten Staaten aufhält, die Rückkehr nach Guatemala zu verweigern. Die Entscheidung löste sowohl national als auch international Empörung aus und führte zu Missbilligung und Protesten von Menschenrechtsverteidigern. Zuvor hatte die Kommission Morales und Mitgliedern seiner Familie Korruption vorgeworfen. Dabei steht vor allem der Vorwurf illegaler Wahlkampffinanzierung im Raum, weswegen sich Morales und seine Anghörigen nun wegen Betrugs vor dem Verfassungsgericht verantworten müssen.

Die kommenden zwei Tage sind nicht nur ein Test für die demokratischen Institutionen in Guatemala, sondern auch für die Sektoren, die den Präsidenten in der Vergangenheit unterstützt haben. Laut eines offiziellen Gerichtsdokuments könnte Morales Weigerung, dem Gerichtsbeschluss Folge zu leisten, dazu führen, dass rechtliche Schritte zur Amtsenthebung des Präsidenten eingeleitet werden.

Journalisten wie Nina Lakhani und andere Kommentatoren in den sozialen Medien beobachten die aktuelle Situation und die verschiedenen drohenden Szenarien genau, vor allem wenn Morales sich weigern sollte, dem Gerichtsbeschluss Folge zu leisten und die Armee zur Unterstützung einfordern würde:

Guatemala: Der Beschluss des Verfassungsgerichts ist endgültig. Rechtlich gesehen/im Sinne der Verfassung ist es nicht möglich, das Gerichtsurteil, das die @CICIGgt gegen Präsident @jimmymoralesgt stützt, zu ignorieren oder aufzuheben. Was werden er und sein Netzwerk der Eliten als nächstes tun? Der Verfassung Folge leisten oder abtrünnig werden = einen Staatsstreich versuchen?

Menschenrechtsaktivisten, darunter auch der Ombudsman Jordán Rodas, reagierten mit Erleichterung und Zufriedenheit, aber auch mit Besorgnis angesichts der nächsten Schritte der Regierung und des Kongresses:

Ausgezeichnete Nachrichten von Guatemalas Justizsystem. Willkommen zurück Iván Velásquez. Lasst uns weiter gegen Korruption und Straflosigkeit in Guatemala kämpfen. Es musste so kommen. Das ehrenwerte Verfassungsgericht stellt die öffentliche Ordnung wieder her.

Was könnte in den nächsten 48 Stunden passieren, wenn Iván Velásquez nach Guatemala zurückkehren kann?

Ein politisches Déjà-vu?

Angesichts des langen und schwierigen Kampfes gegen Korruption und der politischen Turbulenzen in den letzten Monaten in Guatemala haben diese Ereignisse eine ganz besondere Bedeutung. So begann der politische Aufstieg von Morales nach einer Volksbewegung gegen Korruption und Straflosigkeit, zu der sich große Teile der politischen Klasse zusammengeschlossen hatten und die 2015 den Rücktritt des damaligen Präsidenten Otto Pérez Molina erzwangen.

In der politischen Krise 2015 spielte auch die Anwesenheit der Kommission und deren Untersuchung von Korruptionsfällen eine wichtige Rolle. Danach wurde erwartet, dass die Regierung von Morales unter genauer Beobachtung stehen würde.

Jetzt wo Morales selbst im Mittelpunkt von politischen Skandalen und Korruptionsvorwürfen steht, gilt die aktuelle Krise als ein wichtiger Moment, in dem Guatemala im Bezug auf den Schutz seiner demokratischen Institutionen entweder einen großen Schritt nach vorn oder einen Rückschritt zum Autoritarismus machen könnte.

Der salvadorianische Journalist Héctor Silva Alvalos verweist auf den Gegensatz zwischen Morales ‚dem Wahlkämpfer‘ und Morales ‚dem Präsidenten‘:

Jimmy Morales übernahm die Präsidentschaft in Guatemala mit Unterstützung aufstrebender Gruppen, darunter auch einige mit Verbindungen zum militärischen Nachrichtendienst. Als er [die Macht] übernahm, sagte er, er sei weder ein Dieb noch korrupt. Heute ist er ein Präsident, der von absoluter Macht fantasiert, um zu verhindern, dass wegen Korruption gegen ihn ermittelt wird.

Unterdessen gewinnt der Hashtag #RenunciaYa (“Rücktritt jetzt”), der während der Proteste 2015 genutzt wurde, wieder neue Follower und es werden Demonstrationen auf der Straße organisiert. Gleichzeitig betonten internationale Medien aus der Region wie die kolumbianische Tageszeitung El Espectador die Bedeutung der Krise in Guatemala auch in regionaler Hinsicht und riefen die internationale Gemeinschaft auf, die weiteren Entwicklungen im Land zu verfolgen:

Más allá de ese posible cambio de último momento, la situación demuestra las tensiones por las que atraviesa el país y las fibras delicadas que Velásquez ha tocado. Hay un intento innegable por sepultar el tema sin que se llegue al fondo del asunto. Por eso, la comunidad internacional debe acompañar a los guatemaltecos en la protección de sus instituciones y en la búsqueda de la verdad. Los ojos del mundo deben posarse sobre Guatemala, que está en un momento clave de su historia, cuyo desenlace puede influir en la de todo un hemisferio que vive trances semejantes.

Unabhängig von kurzfristigen Änderungen zeigt die Situation die Spannungen, die in diesem Land herrschen und, dass Velásquez einen wunden Punkt getroffen hat. Zweifellos wird versucht, das Thema ohne großartige Untersuchungen unter den Teppich zu kehren. Deshalb muss die internationale Gemeinschaft das Volk von Guatemala beim Schutz seiner Institutionen und bei der Suche nach der Wahrheit begleiten. Die Augen der Welt sollten auf Guatemala gerichtet sein während dieses Schlüsselmoments in seiner Gesichte. Der Ausgang könnte große Auswirkungen auf die Geschichte einer ganzen Hemisphäre haben, die einen ähnlich bedeutenden Prozess durchläuft.

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