Eine kolumbianische Sicht auf den Film „Encanto“ von Disney“

Familie Madrigal. Darstellung Eigentum von Disney. Entnommen von Wikimedia (Angemessene Verwendung/Fair Use).

Einige Monate nach dem Kinostart des Filmes „Encanto“ kann man mit Sicherheit sagen, dass der Film in Kolumbien ein großer Erfolg ist. Auch wenn normalerweise Disneyfilme mit Prinzessinnen und Märchen assoziiert werden, ist „Encanto“ ein Film auf den die Kolumbianer stolz sein können. Dies liegt an der gründlichen Recherche der Filmemacher und den vielen darin enthaltenen kulturellen Details.

Der Film „Encanto“ handelt von der Geschichte einer matriarchalischen Familie, welche in einem magischen Haus im Herzen Kolumbiens lebt, und von der jedes Mitglied eine besondere Gabe, wie Kraft, heilende oder hellseherische Fähigkeiten hat. Nur eine Enkelin, Mirabel Madrigal, hat keine besondere Gabe und ist deshalb noch auf der Suche nach ihrer Rolle in der Familie.

Die beiden Regisseure des Films, Jared Bush und Byron Howard, recherchierten seit 2016 in Kolumbien, in Begleitung einer Disney-Crew.

Poster des Disney Films ‘Encanto.’ Foto Eigentum von Disney, Entnommen von Wikimedia. (Angemessene Verwendung/Fair Use).

Außerdem wurden sie von kolumbianischen Experten aus den Bereichen der Anthropologie, der Botanik, der Architektur, der Musik und der Sprachwissenschaft beraten. Interessant ist, dass für die spanische Synchronisation des Filmes eine, fast ausschließlich, lateinamerikanische Besetzung, unter anderem kolumbianische Sänger und Schauspieler, wie Carlos Vives, Sebastián Yatara und Maluma.

Das was den Film inspiriert hat sind die schönen und immer noch relativ unbekannten Seiten Kolumbiens. Selbst die Kolumbianer sind fasziniert von dem magischen Realismus, der auch den Stil des kolumbianischen Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers, Gabriel Garcia Márquez, ausmacht.

Die Multikulturalität Kolumbiens kommt im Film durch Cumbia, Salsa und verschiedene Musikrichtungen gut zur Geltung. So auch traditionelle Symbole, wie das Akkordeon, der Ruana Poncho, die Wayúu-Tasche, die Espadrilles, die Sombreros und andere typische Trachten gezeigt. Unten ist ein Video des bekannten kolumbianischen Sängers Rubén Dario Salcedo zu sehen.

Auch die ethnische Vielfalt der Kolumbianer ist in dem Film „Encanto“ wichtig und wird durch die breite Besetzung der Figuren, ihre unterschiedlichen Hautfarben, Augenfarben, Körpergrößen, Gesichtsmerkmale und Haar-Typen, dargestellt.

Die gezeigten sportlichen Disziplinen verweisen auf beliebte kolumbianische Spiele, zum Beispiel Tejo (ein traditioneller Sport Kolumbiens, bei dem eine Metallscheibe ca. 20 m auf ein Ziel geworfen wird, das explodiert, wenn es getroffen wird) und Fußball. Der Charakter Luisa Madrigal verweist auf die Gewichtheberein, María Isabel Urrutia, die bei den Olympischen Spielen im Jahr 2000 die erste Goldmedaille für Kolumbien gewonnen hatte. Außerdem könnte man diese muskulöse Figur auch als Verweis auf den Künstler, Maler und Bildhauer Fernando Botero aus Antioquia, interpretieren.

Screenshot der Athletin María Isabel Urrutia von Señal Colombia (Quelle: YouTube).

Teil der Volkskultur Kolumbiens ist der Aberglaube. Eine Szene zeigt, wie Bruno sich Salz über die Schulter streut. Der Volksglaube besagt, dass dies die Menschen vor gefährlichen und riskanten Situationen schützt. Das typische Klatschen und Tratschen wird durch Dolores Madrigal verkörpert. In Kolumbien ist es üblich, dass Leute jeglichen Menschenschlages Gerüchte verbreiten.

Die kulinarische Vielfalt der verschiedenen Regionen, wie der Kaffeeanbauregion, der Küste und dem Stadtkern Bogotás, wird durch Geschirr dargestellt. Dieses wird in El Carmen de Viboral, ein Dorf östlich von Antioquia, bekannt als „Wiege der handgefertigten Keramik“ und 2020 zum immaterielle Kulturerbe ernannt, hergestellt und bemalt.

 

Screenshot einer Handwerkerin bei der Arbeit in El Carmén de Viboral auf dem Comercial Vivoral Cerámica (Quelle: YouTube).

Der Film zeigt Kaffee, Arepas, Mais, Bunuelo-Pfannkuchen, Achiaco (Hühner- und Kartoffelsuppe), aber auch Kräuter und deren heilende Wirkung wie sie Julieta Madrigal, die Mutter von Mirabelle, in ihren Taschen aufbewahrt.

Kolumbianische Buñuelos. Quelle: Wikimedia commons (CC BY-SA 2.0).

Kolumbien ist ein vielfältiges Land, in dem sich Flora und Fauna inmitten der üppigen und artenreichen Vegetation des Amazonas miteinander vermischen. Die Berge rund um das Dorf in „Encanto“ scheinen von dem Cocora-Tal inspiriert worden zu sein.

Cocora-Tal. Bild von kzoop auf Flickr. (CC BY-NC-ND 2.0)

Mirabel Madrigal trägt eine Orchidee im Haar, die Nationalpflanze Kolumbiens. Isabela Madrigal, Mirabels Schwester, hat die Gabe Pflanzen zum Blühen zu bringen, erkennbar an den Blumen und den Palmen, die das Haus umgeben. Die silletas sind Blumendekorationen, die von den Bewohnen des Dorfes Santa Elena auf Holzrahmen arrangiert und mit einem Band versehen werden, um sie auf dem Kopf und dem Rücken zu tragen. Diese Blumenarrangements werden bei der traditionellen Feria de Las Flores en Medellín ausgestellt, um daran zu erinnern, wie die Blumen früher verladen wurden, um sie über lange Strecken zu transportieren und sie im Zentrum Medellíns zu verkaufen.

Eine Junge “Silletera” (Blumenbauerin/-trägerin).  Quelle: Wikimedia. (CC BY-SA 2.0)

Im Film gibt es außerdem Scharlacharas, Esel, Capybaras (auch Wasserschweine genannt), Jaguare und Kolibris. Auch gelbe Schmetterlinge, die auf den Nobelpreisträger Gabriel Garcia Marques und seinen Buch „Hundert Jahre Einsamkeit“ verweisen.

Ein Capybara. Foto von the Snow Leopard auf Flickr. (CC BY-NC-ND 2.0)

Nichts desto trotz hätte man, meiner Meinung nach, mehr auf die Beziehungen der Familie Madrigal mit ihren Nachbarn und ihrem Umfeld stärker eingehen können, um die sozialen Probleme in Kolumbien zu zeigen. Allerdings wird zu Beginn des Filmes gezeigt, dass die Familie Madrigal gewaltsam vertrieben wurde, was in Kolumbien, dem Land mit den meisten Intern Vertriebenen, auch plausibel ist.

Es wird ein optimistisches Kolumbien gezeigt, wo es alles im Überfluss gibt, während Statistiken der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zeigen, dass ein hoher Prozentsatz der Menschen in Kolumbien an Hunger leidet.

In Wahrheit ist der Film „Encanto“ (Spanisch für „Zauber“) eine Inspiration für jeden, der ihn sich ansieht. Man hat die Möglichkeit, sich zu entspannen und die verschiedenen Emotionen mit zu erleben, sei es Bewunderung, Lachen, Wut oder Traurigkeit. Mehr als alles andere inspiriert uns der Film zu träumen, weil endlich das positive und schöne Kolumbien eingefangen werden kann, das wir immer haben und der ganzen Welt zeigen wollten.

Dieser Artikel wurde von Anna Brotsack des FTSK in Germersheim im Rahmen einer Lehrveranstaltung von Dr. Anastasia Kalpakidou übersetzt.

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