Schluss mit weiblicher Genitalverstümmelung in Afrika

Capture d'écran de la vidéo stop FGM par Josefine Ekman

Screenshot aus dem Video “Stop FGM” von Josefine Ekman

Aja Babung Sidibeh praktizierte einst auf der Insel Janjangbureh in Gambia, wo sie geboren ist, weibliche Genitalverstümmelung (FGM). Heute setzt sie sich aktiv für die Bekämpfung dieser Praktik ein. Sie selbst sagt:

 Si j'avais su avant ce que je sais aujourd'hui, je n'aurais jamais excisé une seule femme. Nous avons causé beaucoup de souffrances à nos filles et à nos femmes. C'est pourquoi je vous ai dit que ce que je sais aujourd'hui, si mes grands-parents le savaient, ils n'auraient jamais excisé aucune femme. C'est l‘ignorance le problème.

Wenn ich früher gewusst hätte, was ich heute weiß, hätte ich nie auch nur eine einzige Frau beschnitten. Wir haben großes Leid über unsere Mädchen und Frauen gebracht. Deshalb sage ich: Hätten meine Großeltern gewusst, was ich heute weiß, hätten sie nie eine Frau beschnitten. Das Problem ist der Mangel an Wissen.

Der Bericht der Vereinten Nationen für das Jahr 2016 beleuchtet die Auswirkungen weiblicher Genitalverstümmelung und Beschneidung (FGM/E, englisch für Female Genital Mutilation/Excision) auf die betroffenen jungen Mädchen und Frauen aus menschenrechtlicher Sicht.

Laut der WHO waren oder sind zwischen 130 und 140 Millionen Frauen von Komplikationen nach FGM/E betroffen. Jährlich laufen weitere drei Millionen Frauen Gefahr, dieses Schicksal zu erleiden. Der Bericht zieht auch die Bilanz der Bemühungen der Regierungen und ihrer Partner im In- und Ausland, um die Praktik zu bekämpfen, und zeigt auf, welche Faktoren die Wirksamkeit der bisher ergriffenen Maßnahmen hauptsächlich beeinträchtigen.

FGM/E ist fester Bestandteil bestimmter Gebräuche und Traditionen: In der Republik Guinea ist die Praktik zwar gesetzlich verboten, aber weit verbreitet, sodass 97 % der Frauen und Mädchen zwischen 15 und 49 Jahren beschnitten sind (Artikel auf Französisch). FGM/E werden in großem Stil in allen vier Landschaftsräumen des Landes und in allen Ethnien, Religionsgemeinschaften und sozialen Schichten durchgeführt. Während weltweit ein Rückgang zu verzeichnen ist, zeigt eine 2012 im Land durchgeführte Studie zu Bevölkerung und Gesundheit, dass die Prävalenzrate von FGM/E in Guinea seit 2002 leicht angestiegen ist. Mit seiner Prävalenzrate belegt das Land im internationalen Vergleich hinter Somalia den zweiten Platz.

Der Kompass zur Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele betrachtet schädliche traditionelle Praktiken wie FGM/E klar als Form von Gewalt gegen Frauen, die bekämpft werden muss. Der erwähnte Bericht stützt sich auf quantitative und qualitative Daten, die das Hochkommissariat für Menschenrechte (HCHR) durch Befragungen zu Bevölkerung und Gesundheit sammeln konnte, die ihrerseits von der guineischen Regierung, Organen der Vereinten Nationen (UNICEF,UNFPA), Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Forschungsinstituten durchgeführt wurden.

Derartige Praktiken und Einstellungen sind Teil einer Kultur der Gewalt gegen Frauen; das Thema war lange Zeit tabu. Dies änderte sich 2007 mit dem internationalen Übereinkommen zur Gewalt gegen Frauen der beiden US-Senatoren Joe Biden und Richard Lugar. Im Somaliland zeigt der Fall von Edna Adan Ismail, wie schädlich die Tradition ist und welche Anstrengungen nötig sind, um sie zu stoppen. Edna entstammt einer großbürgerlichen Ärztefamilie und wurde im Alter von 8 Jahren beschnitten. Zweck dieses Eingriffs war es, laut ihren Angehörigen, ihr sexuelles Verlangen im Erwachsenenalter einzudämmen, damit sie ihren Mann nicht betrügen und somit eine gute Ehefrau abgeben würde. Ednas Erzählungen zufolge zwang ihre Mutter sie zur Beschneidung, obwohl ihr Vater strikt dagegen war; er war an dem Tag, als sie verstümmelt wurde, nicht anwesend. Als ihr Vater feststellte, was in seiner Abwesenheit geschehen war und dass er seine Tochter nicht hatte schützen können, brach er in Tränen aus. Die Ehe ihrer Eltern litt darunter und Edna setzt sich seitdem unermüdlich für die Bekämpfung von FGM/E ein. Trotz der Ungleichheit der Chancen im Vergleich zu Jungen studierte Edna an einer britischen Universität, wurde die erste Krankenschwester und Hebamme ihres Landes und später First Lady des Somalilandes.

In diesem Video erklärt Edna ihre Strategie zur Bekämpfung der Praktik:

Mit der Unterstützung zahlreicher Spender konnte Edna Adan eine Geburtsklinik errichten, die ihren Namen trägt. Diese Klinik symbolisiert ihren Einsatz für das Leben von Frauen und gegen Gewalt an Frauen (Verstümmelung, Müttersterblichkeit, Geburtsfisteln). 97 % der dort behandelten Frauen haben eine noch grausamere Art der Verstümmelung erlitten, nämlich die Infibulation. Dieser Terminus bezeichnet ein Vernähen des größten Teils der großen oder kleinen Schamlippen über der Scheide, wobei nur eine kleine Öffnung zum Abfließen des Urins und der Regelblutung gelassen wird. Der Eingriff wird normalerweise an jungen Mädchen vor der Pubertät durchgeführt, um Geschlechtsverkehr für sie unmöglich zu machen.

Die Auswirkungen auf das Sexualleben der betroffenen Frauen sind gewaltig, sie haben Schwierigkeiten während der Regel, beim Geschlechtsverkehr und bei der Geburt. Es handelt sich um ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Oft kommt es durch Einreißen des Vaginalgewebes bei der Geburt zu Blutungen, die zum Tod der Frau oder zu Komplikationen führen.

Prevalence des MGF/E sur la base du rapport de l' UNICEF sur wikipédia license CC-GDFL

Häufigkeit von FGM/E laut Bericht der UNICEF. Quelle Wikipedia, CC/GFDL-Lizenz

FGM/E wird in der Regel in muslimischen und einigen christlichen Familien in Afrika praktiziert. In muslimischen Familien außerhalb Afrikas ist sie nicht üblich, außer in geringem Maße im Jemen, im Sultanat Oman, in Indonesien und in Malaysia. Eine Schätzung des Prozentsatzes an Frauen pro Land, die Opfer von FGM/E geworden sind, findet sich in diesem Bericht von Amnesty International (PDF, auf Französisch). In Mali und im Senegal wird der Eingriff meist von Frauen von Schmieden durchgeführt. In anderen Ländern ist er die Aufgabe von traditionellen Geburtshelferinnen.

Die Vereinten Nationen prangerten diese Praktik bereits in den 70er-Jahren an. Etwa fünfzehn Staaten haben Gesetze erlassen, es wurden Konferenzen abgehalten und Berichte verfasst, aber in Hinblick auf die öffentliche Gesundheit hat sich bis vor Kurzem nichts wirklich geändert. So hat beispielsweise Guinea in den 60er-Jahren ein Gesetz erlassen, das jede Frau, die Beschneidungen durchführt, zu Zwangsarbeit auf Lebenszeit verurteilt. Im Falle eines Todes der Frau innerhalb von 40 Tagen nach der Beschneidung droht die Todesstrafe. Dieses Gesetz wurde jedoch niemals wirklich angewendet.

Die Nichtregierungsorganisation Tostan hat es im Senegal durch eine Aufklärungskampagne für Männer und Frauen in Dörfern geschafft, die Praktik einzudämmen, ohne die Bevölkerung in ihrem Glauben zu brüskieren. Community Education, die Vergabe von Mikrokrediten, neue Pläne für das Dorf und Peer Education haben geholfen, Verstümmelungen mit all ihren katastrophalen Auswirkungen auf die Gesundheit der Frauen vorzubeugen. Gemeinsam wurden die gesundheitlichen Risiken einer Beschneidung besprochen und 1997 verkündeten erstmals 35 Frauen aus dem Dorf Malicounda Bambara, ihre Töchter nicht länger beschneiden lassen zu wollen.

Dennoch ist für Aufklärungskampagen dieser Art ein langer Atem nötig, da das Projekt häufig als antiafrikanisch wahrgenommen und von den Dörfern in der Umgebung nach seiner Umsetzung negativ bewertet wurde.

Seit dem Start der Kampagne haben über 2600 Dörfer angekündigt, keine Beschneidungen mehr durchführen zu wollen. Die senegalesische Regierung hat die Strategie von Tostan als wirksam anerkannt und zum landesweiten Modell erhoben. Im Folgenden hat sie sich in ganz Westafrika und in den gemeinschaftlichen Organisationen in Ghana ausgebreitet.

Die äthiopische NGO KMG Ethiopia hat es auf die gleiche Weise geschafft, den Trend in Äthiopien umzukehren und so bewiesen, dass die Unterstützung von Frauen auf gemeinschaftlicher Ebene wesentlich mehr bewirkt als das Erlassen von Gesetzen und die Ankündigung großer internationaler Beschlüsse.

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