Wenn es um Freiheit im Internet geht, ist Brasilien laut einem Sonderbericht von Freedom House ein freies Land. Es erreichte 26 von 100 möglichen Punkten (je niedriger die Punktanzahl, desto mehr Freiheit), was zeigt, dass es im Allgemeinen eine offene Zugangsumgebung mit wenig Hindernissen durch die Regierung bietet (5 von 25 Punkten), es wenig inhaltliche Kontrolle gibt (8 von 35 Punkten bezüglich inhaltlichen Beschränkungen) und die Rechte von Einzelusern selten verletzt werden (13 von 40 Punkten).
Das Hauptproblem in Brasilien, und laut der Ergebnisse eine wachsende Bedrohung, sind die richterlichen Entscheidungen zugunsten inhaltlicher Zensur. Ebenso wie in Großbritannien und der Türkei werden in dem Land Userrechte häufig durch die Androhung von Strafverfolgung wegen Verleumdung und übler Nachrede verletzt. Im Bericht “Freedom on the Net: A Global Assessment of Internet and Digital Media” (dt. Freiheit im Netz: Eine globale Einschätzung des Internets und digitaler Medien) heißt es: “Die Freiheit im Internet wird zunehmend durch gesetzliche Schikanen, undurchsichtige Filterverfahren und wachsende Überwachung untergraben.” Im selben Bericht werden folgende statistischen Daten in Bezug auf das digitale Brasilien veröffentlicht:
Brasilien in Zahlen
Bevölkerung: 194 Millionen
Internetuser/Penetration 2006: 32 Millionen/17 %
Internetuser/Penetration 2008: 68 Millionen/35 %
Handy-Nutzer/Penetration 2006: 100 Millionen
Handy-Nutzer/Penetration 2008: 151 Millionen
Pressefreiheit (2008) Punkte/Status: 42/teilweise frei
Digital Opportunity Index (2006) Ranking: 65 von 181
BNE pro Kopf (PPP): 9.400 $
Web-2.0-Anwendungen geblockt: Ja
Systematische Filterung von politischen Inhalten: Nein
Blogger/Online-Journalisten verhaftet: Nein
Der Bericht “Freedom on the Net: A Global Assessment of Internet and Digital Media” untersuchte 15 Länder auf neu entstehende, von Regierungen übernommene Taktiken zur Steuerung der Benutzung von Internet und Handys. Dies schließt die Überwachung, Regulierung und Zensur von Blog-, Website- und SMS-Inhalten ein.
Die Gefahr wächst
Obwohl freie Meinungsäußerung in der Verfassung verankert ist, werden sehr viele Ansprüche gegen Blogger geltend gemacht und Verwaltungsklagen eingereicht; auffällig oft sind es von Politikern eingereichte Klagen. Der Blogger, der zuletzt einem dieser Politiker zum Opfer viel, ist Juvêncio de Arruda vom sehr beliebten Blog Quinta Emenda [pt]. Er musste einige Artikel [pt] auf Wunsch eines früheren Parlamentsabgeordneten des Staates Para, Luiz Afonso Sefer, löschen, gegen den ein parlamentarisches Untersuchungsverfahren wegen Pädophilie läuft.
Nach der Entscheidung des Richters Teresinha Nunes Moura darf der Blogger weder auf seinem Blog noch in anderen Medien Sätze verfassen, die in Verbindung mit dem betroffenen Politiker stehen könnten. Hätte sich Arruda dem Urteil nicht gebeugt, hätte ihm eine tägliche Strafe von 1.000 Real (ca. 457,89 $) gedroht. Andere Blogger weisen darauf hin, dass Blogs tatsächlich eine wichtige Rolle dabei gespielt hätten, Licht in die Anschuldigungen zu bringen, die zu einer Untersuchung durch den Staat in Richtung Pädophelie erst geführt hätten, und sehen dies als neuesten Beweis für Zensur in Brasilien.
Hiroshi Bogéa [pt] betont, dass der Blogger lediglich öffentliche Informationen kommentierte und täglich über die Ermittlungen berichtete. Er sagt, diese Klage zeige, dass die Behörden nicht glücklich über die Tatsache seien, dass Menschen freien Zugang zu Informationen haben:
Mais uma razão pra se aceitar a máxima que circula em Belém dando conta de que a força da família Seffer é capaz de tudo.
Franssinete Florenzano [pt], die die Ermittlungen genau verfolgt, kann nicht glauben, wie schnell der Blogger verurteilt wurde, wenn man bedenkt, dass die brasilianische Justiz für ihr langsames Handeln berüchtigt ist. Die Klage wurde abends an einem Feiertag eingereicht und die Vorladung lag bereits am folgenden Werktag vor. Sie betont, dass die Justiz den Blogger sehr schnell bestrafte, der die Informationen verbreitet hatte, wohingegen sich der Beschuldigte in den Ermittlungen auf freiem Fuß befindet:
Tal celeridade seria louvável se tratasse, por exemplo, de proteger uma criancinha estuprada anos a fio, explorada como mão-de-obra escrava, privada de viver em família, excluída do convívio saudável com outras de sua idade, aniquilada em seus sonhos infantis, destruída em sua integridade física, psicológica e moral.
Lafayette wünschte, die brasilianische Justiz wäre immer so schnell:
REZO, TODOS OS DIAS, SANTOS OU NÃO, PARA QUE A JUSTIÇA FUNCIONE ASSIM PARA TODOS, POBRES OU RICOS !!!
Dem gleichen Gedanken folgt ein Blogger auf Blog do CJK [pt]. Er sagt, er wäre nicht überrascht, wenn die Ermittlungen auf Pädophilie ergebnislos verliefen:
Não se duvide, ao final de todo este processo, o único condenado pela Justiça pode ser o blogueiro.
José Carlos Lima [pt] stellt die wichtige Rolle heraus, die Blogger im Staat Pará gespielt hätten:
Muita coisa que hoje virou notícia no Pará, incluindo a CPI da Pedofilia, rodou primeiro no mundo dos blogueiros, cujo símbolo de todos nós é o Quinta e seu condutor Juvêncio Arruda. Nosso desagravo e solidariedade.
Alan Souza [pt] bestätigt, dass diese Art, Blogger zum Schweigen zu bringen, zu einem wachsenden Trend wird:
A moda infelizmente se alastra. O objetivo dos políticos é impedir que todos conheçam seus malfeitos. Por isso tentam censurar a livre opinião dos blogueiros…
Der Trend nimmt zu
Fast jeden Monat gibt es Nachrichten darüber, dass Blogs geschlossen werden, Blogger Artikel löschen müssen oder ihnen häufig gedroht wird. Im Oktober letzten Jahres wurde die Löschung des Blog eines Polizisten, bis dahin eine fantastische Quelle über Nachrichten rund um die Polizei, aus bisher ungeklärten Gründen angeordnet. Rodrigo Viana zufolge hatte der Gouverneur von São Paulo, José Serra, etwas mit dieser Entscheidung zu tun:
Mas, qual a justificativa para tirar o “blog” do ar?
Cometeu crime? É proibido delegado escrever na internet?O mais estranho é que na sexta-feira ainda, poucas horas depois do despacho do juiz, gente da Secretaria de Segurança Pública de São Paulo ligou para as redações “avisando”: olha o blog do delegado saiu do ar.
Por que tanta diligência, tanta pressa em dar a notícia? Esse é papel de Secretaria de Segurança?
A decisão do juiz foi dada sob encomenda para o governo Serra? Por isso, a secretaria estava comemorando?
Hat er ein Verbrechen begangen? Darf ein Polizeichef nichts im Internet veröffentlichen?
Das Seltsamste ist, dass sogar am Freitag, nur Stunden nach der gerichtlichen Anordnung, Mitglieder des Kabinetts für öffentliche Sicherheit von São Paulo bei den Nachrichtenagenturen anriefen und sie “informierten”: Seht, die Seite des Polizeichefs wurde geschlossen.
Warum haben sie es so eilig, die Neuigkeiten zu verbreiten? Ist das die Rolle des Sicherheitskabinetts?
War die Entscheidung des Richters von der Regierung Serras angeordnet worden? Und deshalb wurde im Kabinett gefeiert?
Polizeichef Roberto Conde Guerra gab nicht auf und schrieb auf einem neuen Blog weiter, das von einer anderen Platform [pt] aus betrieben wird, wodurch er der Strafverfolgung entging. In den meisten Fällen haben die betroffenen Blogger jedoch nicht die finanziellen Mittel für die Gerichtskosten und entscheiden sich dazu, einfach nicht mehr zu bloggen. Meme de Carbono [pt] analysiert die Fälle einiger Blogger, die den Preis dafür zahlten, dass sie sich online über Dienste beschwerten, für die sie bezahlt hatten und mit denen sie nicht zufrieden waren: Offensichtlich ist es nach brasilianischem Recht so, dass Kunden, die sich online beschweren, sogar dann, wenn alles auf tatsächlichen Fakten beruht, die Namen nennen und sich beklagen, auf Schmerzensgeld, Verleumdung und übler Nachrede verklagt werden können. Er sagt, das trage alles nur zur Straffreiheit bei:
A justiça está sendo usada como um manto de invisibilidade que protege maus profissionais assim como o Um Anel de Tolkien protegia e corrompia quem o usasse: a invisibilidade corrompe mais do que o poder.
Todo ser humano deve ter direito de reclamar quando se sentir mal atendido, deve ter o direito de alertar os outros (e não só os amigos) de riscos que eles correm. (…)
A mídia tradicional tem recursos e advogados para defender seus direitos, mas os cidadãos ficam acuados sem possibilidade de defesa caso não disponham de recursos o que, infelizmente, é comum. O caso do post reproduzido a seguir é justamente esse: a blogueira perdeu pois não podia pagar os custos para recorrer contra a decisão em primeira instância.
Jeder Mensch sollte das Recht haben, sich über schlechte Leistungen zu beschweren. Jeder sollte das Recht haben, andere (und nicht nur ihre Freunde) vor Risiken zu warnen. (…)
Die traditionellen Medien haben die Mittel und Anwälte, um ihre Rechte zu verteidigen, aber Bürger werden in eine Ecke getrieben und sind nicht in der Lage, sich zu verteidigen, wenn sie keine Mittel haben, was – leider – der Regelfall ist. Der Fall des unten wiedergegebenen Artikels entspricht genau dem: Die Bloggerin verlor, weil sie die Kosten für eine Berufung gegen die Entscheidung der ersten Instanz nicht aufbringen konnte.
Auf der anderen Seite können sie sich dem Gericht stellen und beweisen, dass sie nichts Falsches getan haben. In Rio Grande do Sul musste das Blog A Nova Corja Teile eines Artikels löschen und die Blogger dahinter werden nun zum zweiten Mal in einem Jahr wegen eines Artikel, der im Juni 2008 veröffentlich worden war, verklagt. Beim ersten Mal gewannen sie, weil die Klage wegen Geringfügigkeit abgewiesen worden war. Es erwartete sie nun ein Verfahren wegen weiterer Klagen, bei denen es um denselben Artikel geht:
As pessoas precisam aprender, de uma vez por todas, que entrar na Justiça não é forma de ganhar a vida. Hoje em dia, qualquer coisa é “dano moral, calúnia, difamação”. Parem com isso. Considerem trabalhar.
3 Kommentare
Ja wenn es um heikle Themen geht kennt auch Brasilien die Zensur. Wie zum Beispiel bei dem Dokumentarfilm „Manda Bala- Send a Bullet“ wo es unteranderem um den korrupten Politiker Jadar Barbalho der mit einem komplizierten Geflecht aus Scheinfirmen systematisch zwei Milliarden Dollar unterschlagen hat, die als Hilfe für das unterentwickelte Amazonasgebiet im Norden Brasiliens gedacht war. Barbalho ist einer der einflussreichsten Männer des Landes. So wie es im Film angedeutet wird ist es unmöglich in Brasilien über dieses Thema laut zu reden vergessen noch diesen Film zu zeigen.
Hallo
In etwa ergeht es mir Hier in Aracati Majorlandia Praia Brasil. Meine Blog sind in USA und Deutschland. Seit dem ersten Tag bei Einzug im neuen Haus werde ich von Einwohnern kontrolliert. Alles, restlos alles wird aufbereitet und gegen mich verwendet. Ich schreibe nur in deutscher Sprache. Neben mir Ferienhaus des Bürgermeister fast jeden Tag Geschrei weil ich nicht in portugiesisch schreibe. “Internet sei Ceara, somit portugiesisch!!”
Was mir übrig blieb, zwei Blog´s anonym mit anderen Nicknamen wo ich alles niederschreibe was passiert. Beispiel, vierte Mordandrohung vor ein paar Tagen erhalten.
Was mache ich, ich schreibe über die Kriminalität und Zustände in Aracati. Nichts weiter!!