Einem Bericht der Forscher der staatlichen Universität Taiwans zufolge sind Anwohner in der Umgebung einer Petrochemiefabrik im Landkreis Yulin [de] im Westen Taiwans unterschiedlichen luftverschmutzenden Giften ausgesetzt. Diese Gifte können verschiedene Krankheiten auslösen, unter anderem Krebs.
Die umfangreichen Recherchen im Juli 2012 über die Auswirkungen der Naphtafabrik Nr. 6 der Formosa Plastics Group [zh] auf die Umwelt haben ergeben, dass sich unter den Giften, denen die Anwohner wahrscheinlich ausgesetzt sind, krebserregendes [en] und leberschädigendes Vinylchlorid [en] befindet. Vinylchlorid ist ein wichtiges Rohmaterial bei der Herstellung von PVC und anderen Plastikprodukten.
Die Untersuchungsergebnisse decken sich mit denjenigen der US-Umweltschutzbehörde [en], die im Jahr 2009 massive Verstöße in den Fabrikanlagen von Formosa Plastics in Louisiana und Texas beanstandete. In diesem Fall zahlte die taiwanesische Firma eine Abfindung im Wert von 13 Millionen US-Dollar an das amerikanische Justizministerium.
Schon bei Beginn des Baus im Jahr 1992 war die Petrochemiefabrik [en] im Landkreis Yulin, wegen ihrer möglichen Gesundheitsgefährdung in der Öffentlichkeit auf Widerstand gestoßen. Die Kreisverwaltung war begeistert über das Investment in ihrer Umgebung und trotzdem willigte sie im Jahr 2009 ein, Wissenschaftler der staatlichen Universität von Taiwan einzuladen, um eine dreijährige Studie durchzuführen, die Gesundheitsrisiken in Bezug auf den Fabrikkomplex ermitteln sollte.
Deren vernichtende Ergebnisse haben Anwohner dazu ermutigt einen möglichen Prozess gegen die Formosa Plastics Group [zh] anzustreben. Jung Sheng-Hsiung berichtete von diesem Prozess beim öffentlichen Nachrichten Portal PNN:
Tsai-Neng Chen, aus Taishi, erzählte mir, dass seine Eltern, seine Schwester, sein Bruder und sein Sohn an Leberzirrhose verstorben sind. Sein Sohn war nur 19 Jahre alt als er verstarb. Auch Tsai-Neng Chen selbst litt fünf Jahre lang an Leberzirrhose […] “Einige Leute behaupteten, dass ich mir den Zusammenhang nur ‘einbilden’ würde. Wenn diese Krankheit auftritt infolge von genetischen Problemen väterlicherseits, warum sind dann meine drei Schwestern, die nach ihrer Hochzeit auszogen, noch gesund und munter? Nur wir, die wir hiergeblieben sind, werden krank und sterben.” Tsai-Neng Chen wies auf die Gefahr hin, der alle Anwohner in der Umgebung der Petrochemieanlage ausgesetzt sind. […] Falls sich die Anwohner um die kommenden Generationen sorgten und sich entscheiden würden, eine Klage gegen Formosa Plastic Group einzureichen, wird er der Erste sein, der mitmacht.
Die Studienergebnisse veranlassten auch andere nahegelegene Gebiete, wie zum Beispiel den Landkreis Chuanhua, eine ähnliche Untersuchung ihrer Verhältnisse zu erwirken. Chuanhua liegt nördlich von der Anlage und wenn der südliche Sommerwind weht, haben die Anwohner Angst, dass der Wind auch Umweltgifte mit sich bringen könnte.
Jung Sheng-Hsiung, der für PNN berichtet, besuchte die betroffenen Dörfer aus dem Landkreis Chuanhua und präsentierte eine Fotoreportage [zh] mit dem Titel “Der Südwind”. Jung gab Global Voices die Erlaubnis, Teile seiner Reportage neu zu veröffentlichen und zu übersetzen.
Früher wären alle aus dem Dorf in den See gesprungen um Aale zu fangen. Alte Fischer könnten Dir erzählen, dass die Flussmündung in früheren Zeiten so voll war mit Leuten wie auf einem Nachtmarkt, wenn nämlich die Dorfbewohner Grasaale fingen, um damit ihren Lebensunterhalt aufzubessern. Wie auch immer, diese guten alten Zeiten haben nicht lange angedauert und heutzutage sieht man selten Leute beim Grasaalfischen. Die Aale sterben in einem rasanten Tempo aus.
Shih-Hsien Hsu, der vor zwei Jahren verstorbene Mann der 61-jährigen Chin-Feng Chen, hinterließ ihr nichts außer einem alten Haus, für das sie zwanzig Jahre lang Kredit abbezahlt haben, das aber immer noch nicht abbezahlt ist. Und der Schuldenberg, verursacht durch seine Erkrankung, muss nichtsdestotrotz abgebaut werden. Als Shih-Hsien Hsu noch am Leben war, haben sie die Landarbeit immer zusammen erledigt. Da sie kein Land besaßen, konnten sie immer nur für andere arbeiten, um ihr Einkommen zu sichern. Ihre finanzielle Situation war niemals gut. 2006 bekam Shih-Hsien Hsu, der weder Tabak rauchte, noch Alkohol trank oder Betelnüsse kaute, die Diagnose Mundhöhlenkrebs. Trotz der Hilfe von Ärzten wurde sein Gesundheitszustand immer schlechter. Er verstarb im November 2006 nachdem auch die Lungen mit Krebs befallen waren.
Chin-Feng Chen meinte, sie habe nicht genügend Fachwissen, um zu erklären, warum ihr Mann an Mundhöhlenkrebs sterben musste. Dennoch kann sie sich nicht erklären, wie ein Mensch, ein Bauer auf dem Land so wie ihr Mann, der keine schlechten Angewohnheiten hatte, wie zum Beispiel Rauchen oder Trinken oder Betelnusskauen, an Mundhöhlenkrebs sterben konnte.
Die 74-jährige Lin-Shin Wei erkrankte vor drei Jahren an einem sechs Zentimeter großen Tumor in ihrer linken Lunge, kurze Zeit darauf wurde bei ihr ein Lungenadenokarzinom festgestellt. Unter Berücksichtigung ihres Alters und der Größe des Tumors legte ihr der Arzt nahe den Krebs nicht operativ entfernen zu lassen, da ihre Aussichten auf Heilung nicht sehr gut waren. Aber Lin-Shin Wei meinte sie wolle den Krebs bekämpfen und bewies, dass sie kräftig genug war, sich einer Operation zu unterziehen. Schließlich überzeugte sie den Arzt.
Nun hat Lin-Shin Wei eine 15 Zentimeter lange Narbe. Stolz zeigte sie mir die Narbe während des Interviews. Für sie ist diese Narbe nicht nur ein Beweis ihrer Krankheit sondern auch eine Auszeichnung für ihren Überlebenswillen.