Die unhaltbare Situation der Menschenrechte in Guinea-Bissau

Während sich die Aufmerksamkeit der Welt auf einen anderen Fleck Westafrikas konzentriert, bemühen sich die Bürger Guinea-Bissaus, ihre verschlechterte Situation der Menschenrechte in dem 1,5 Millionen Einwohner zählenden und als instabil geltenden Land regional und international bekannt zu machen. Die Guineische Menschenrechtsliga (Liga Guineense dos Direitos Humanos) veröffentlichte einen umfangreichen Bericht [pt] zur derzeitigen Situation der Menschenrechte im Land, mit dem deutlichen Signal, dass Schweigen nicht bedeutet, das alles in Ordnung sei.

[…] a Guiné-Bissau tornou-se num país isolado de um mundo cada vez mais globalizado, país onde o pânico e o terror caminham de braços dados. A população vive entrincheirada no seu próprio receio de um amanhecer de novas violências, de fugas sem destino, agravadas pelo facto de de se aperceber que a comunidade internacional não consegue unir-se, para garantir os interesses e aspirações.

[…] Guinea-Bissau ist zu einem isolierten Land in einer globalisierten Welt geworden. Ein Land in dem Panik und Terror Hand in Hand gehen. Die Bevölkerung lebt aus Angst vor neuer Gewalt vollkommen abgekapselt, verschärft durch die Tatsache, dass sich die internationale Gemeinschaft nicht einigen kann, um ihre Interessen und Absichten zu gewährleisten.

Wie Global Voices berichtete, folgte auf den Staatsstreich im April 2012 eine von der Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) vermittelte, bis heute andauernde Übergangsphase, die vor allem durch Intrigen und Unterdrückung der politischen Stimmen [en] geprägt ist.

Einige der größten internationalen Menschenrechtsorganisationen schweigen seit Monaten über die Situation in Guinea-Bissau [en]. Insbesondere Human Rights Watch nahm das Land gar nicht in seiner Jahresbericht für 2012 auf [en], was die Bedeutung des Berichts der Guineischen Menschenrechtsliga umso mehr unterstreicht.

Guinean Human Rights League Report on Human Rights. Click the image to download the pdf file.

Coverbild des Berichts 2010–2012 über die menschenrechtliche Lage in Guinea-Bissau der Guineischen Menschenrechtliga. Klick auf das Bild lädt den Bericht als pdf-Datei herunter (922 KB)

Die Liga beschreibt die Arbeit für den eigenen Bericht als schwierig:

…este trabalho difícil, sobretudo por se realizar num contexto de ameaças de toda a ordem, só foi possível graças aos esforços dos membros e estruturas a todos os níveis desta organização, assim como às pessoas singulares, radicalmente comprometidos com as causas nobres de direitos humanos e paz

… In einer Umgebung in der es stets Drohungen jeder Art gibt, war diese Arbeit nur möglich, weil uns Mitglieder und Strukturen aller Ebenen dieser Organisation unterstützt haben, aber auch Einzelpersonen, die sich von Grund auf für derart ehrenhafte Anliegen wie Menschenrechte und Frieden einsetzen.

Der Bericht beschreibt Verletzungen wirtschaftlicher und sozialer Rechte, wie auch die Verletzungen von Frauen- und Kinderrechten. Derweil sind die aktuellsten Teile des Bericht jene, die die Straffreiheit, das Justizsystem und die Streitkräfte dokumentieren. Beginnend mit dem Staatstreich im April schreibt die Liga:

[…] os direitos e liberdades fundamentais nomeadamente, a liberdade de expressão, de manifestação e de reunião, foram e continuam a ser ilegalmente restringidas pelo Estado-Maior, detentor do poder real no país, em nome da garantia de uma paz e estabilidade inexistentes, numa clara violação da constituição da repuública e dos instrumentos jurídicos internacionais dos direitos humanos. A sociedade guineense vive hoje, independentemente da sua vontade, num clima de insegura e amargurada impotência e refém de uma classe política e castrense dividida, imprevisível e violenta.

[…] die wichtigsten Grundrechte, wie Meinungs-, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, wurden und werden illegalerweise durch den Generalstab des Militärs, der eigentlichen Macht im Staat, eingeschränkt. Und dies alles im Namen eines nicht existenten Friedens und einer nicht existenten Stabilität bei einer offensichtlichen Verletzung der Staatsverfassung und der internationalen Rechtsmittel zur Durchsetzung der Menschenrechte. Die guineische Gesellschaft lebt heute ungewollt in einem Klima der Unsicherheit und Ohnmacht und als Geisel einer zerstrittenen, unberechenbaren und gewalttätigen politischen und militärischen Klasse.

Auf welche Art von Gewalt bezieht sich der Bericht hier? Im Oktober, nach einem gewalttätigen Vorfall auf einem Luftstützpunkt und dem Vorwurf eines Putsches, wurde der vermeintliche Anführer gefangen genommen (Global Voices berichtete [en]) und ein Oppositionsführer festgenommen und auf brutale Art und Weise zusammengeschlagen [Achtung: gewalttätige Bilder]. Daraufhin gab es Berichte über Morde an Jugendlichen in Bolama [pt], nachdem diese von Soldaten verschleppt worden waren. Später, im November, berichtete die Guineischen Menschenrechtsliga [pt] über die Entführung eines Mannes, der gut mit der Politik vernetzt war, dessen „toter Körper zwei Tage später in der Leichenschauhalle des wichtigsten Krankenhauses des Landes gefunden wurde“.  Der Bloggger Pasmalu schrieb [pt] im November:

Perante a inércia dos países democráticos e com a conivência activa da CEDEAO, que pinta este país como se a barbárie não tivesse assentado praça na Guiné-Bissau e tudo estivesse a correr da melhor forma, prossegue todos os dias a MATANÇA de pessoas em Bissau.

Já não são só por razões de perseguição política, embora esses casos sejam os mais numerosos, mas os militares e alguns civis ligados ao (des)governo, que fazem questão de estar presentes e participar não só nos espancamentos como nos assassinatos, aproveitam para ajustes de contas de ódios pessoais antigos e recalcados.

Angesichts der Trägheit der demokratischen Länder und der aktiven Mitschuld der ECOWAS, die die Situation in dem Land schönfärbt, als ob die Barbarei nicht dagewesen und alles in bester Ordnung wäre, geht in Bissau der tagtägliche MASSENMORD weiter.

Die Morde passieren nicht nur aufgrund politischer Verfolgung, obwohl dies wohl die meisten Fälle sein sollten. Die Militärs und einige Bürger mit Verbindungen zur (Nicht-)Regierung legen nicht nur darauf Wert bei den Schlägereien und Morden dabei zu sein, sondern nutzen auch die Gelegenheit aus alte und längste verdrängte persönliche Rechnungen zu begleichen.

Hoffnung für die Zukunft

Gestern berichtete [pt] der Assistent für politische Angelegenheiten des UN-Generalsekretärs, Tayé-Brook Zerihoun, dem UN-Sicherheitsrat, dass in dem Land, in das der UN-Sondergesandte und Friedensnobelpreisträger Ramos Horta in den nächsten Tagen ankommen soll [pt], weiterhin eine „allgemeine Atmosphäre der Angst“ herrsche.

Der Blog Acção Cidadã zitiert den Befreiungshelden Amílcar Cabral in seinem Manifest:

a luta do nosso povo é contra tudo quanto seja contrário à sua liberdade e independência, mas também contra tudo que seja contrário ao progresso e à sua felicidade

Der Kampf unseres Volkes geht gegen alles, was seine Freiheit und Unabhängigkeit bedroht, aber auch gegen jeden Fortschritt und Glück.

In den letzten Monaten entstanden Initiativen wie Movicidadão [pt], ein Zusammenschluss von Einzelpersonen und Gruppen, die die Meldung im Personenregister und die Vergabe von Dokumenten an Menschen, die diese noch nicht verfügen, unterstützen. Die Bewegung Acção Cidadã [pt] zeigt auch, dass sich Jugendliche den öffentliche Raum in der Stadt Buba „aneignen“, in dem sie Straßen und Plätzen neue Namen vergeben, wie „Beco da Voz Activa“ (Gasse der Mitsprache) und „Pátio da Justiça“ (Innenhof der Gerechtigkeit).

Derweil organisierten Dichter und Künstller aus Guinea-Bissau eine Kulturwoche in Portugal [pt] um der Welt zu zeigen, dass „Guinea[-Bissau] mehr als nur Militär besitzt.“

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