Kuba: Aktivisten und Künstler klagen Kriminalisierung der Kunst an

Foto: Daniella Fernández. Aufgenommen von kubanischen Fotografinnen, verwendet mit Erlaubnis.

In Kuba macht sich mit dem baldigen Inkrafttreten des Dekrets 349 neue Unruhe bezüglich der Freiheit auf Meinungsäußerung breit. Die Rechtsnorm, die im Januar dieses Jahres verabschiedet wurde, wird ab Dezember zur Anwendung kommen und damit die gewerblichen Tätigkeiten des kulturellen Sektors regulieren, eingeschlossen dabei auch der Verkauf von Büchern.

Die kontroversen Regulierungen stellen Regeln innerhalb des kulturellen Sektors auf und fordern unter anderem, dass diejenigen, die künstlerische Dienste leisten, eine Verbindung zu den offiziellen Institutionen haben. Außerdem werden Strafen festgelegt, die bei der Nichteinhaltung der Anforderungen angewendet werden, wobei die entsprechenden Autoritäten das Recht haben, diese geltend zu machen.

Ebenso können mit dem Dekret 349 Maßnahmen wie die Anwendung von Geldstrafen und die Beschlagnahme von Instrumenten, Ausstattung und anderen Gegenständen, die für die betreffende Aktivität genutzt wurden, durchgeführt werden. Außerdem darf die künstlerische Veranstaltung mit sofortiger Wirkung beendet werden.

Die kontroverse Natur der Norm äußert sich auch aufgrund der Aufnahme einer Regelung in einer der Artikel, die Handlungen, die „die Würde des Menschen” verletzt, straft. Dadurch werden Diskriminierungen aufgrund der Herkunft oder der sexuellen Orientierung strafbar, sowie beispielsweise gewalttätige Bilder zu Straftaten, was im kulturellen Bereich Kubas eine völlige Ausnahme darstellen würde.

Viele Gegner des Dekrets bedienen sich künstlerischer Ausdrucksformen in den Arten der Anklage und gehen davon aus, dass diese Kontrollen die Reichweite der künstlerischen Nachricht einschränken wird.

Seit seiner Veröffentlichung im Juli 2018, stößt das Dekret 349 auf harten Widerstand von Seiten diverser kubanischer Künstler, insbesondere von denen, die in unabhängigen künstlerischen Räumen oder Gemeinschaftsprojekten kreativ sind und der politischen Opposition angehören.

Eines der stärksten Argumente ist, dass diese Gesetzesanwendung die Möglichkeiten des Schaffens der unabhängigen Künstler einschränken und die Tür öffnen würde für inhaltsbezogene Richtlinien und Zensuren, die der Regierung zuwider sind.

Die Kampagne zur Anklage des Dekrets 349 spielte sich zeitgleich mit Diskussionen über einen Vorschlag für eine neue Verfassung für die Republik Kubas ab. Viele sind jedoch der Meinung, dass diese Diskussionen von den Protesten gegen das Dekret abgelenkt haben.

Inmitten der Diskussionen hat eine Gruppe von Intellektuellen, Künstlern und Aktivisten eine Kampagne gegen das Dekret gestartet, die die Realisierung der Facebookseite von Artistas Cubanxs en Contra del Decreto 349 [kubanische Künstler*innen gegen das Dekret 349] beinhaltet. Unter den Mitgliedern der Gruppe sind die Historikerin Yanelys Nuñez, der plastische Künstler Luis Manuel Otero Alcántara, der Dichter Amaury Pacheco und der Rapper David, welche die Initiative anführunen. wobei. Pacheco und David sind außerdem im Projekt Omni Zona Franca beteiligt.

Die Kampagne versucht, 10.000 Unterschriften zu sammeln; dies ist die in der kubanischen Verfassung festgelegte Zahl, um eine Neubewertung einer gesetzlichen Norm zu erreichen.

Währenddessen haben eine Petition und offener Brief, die auf Avaaz geteilt wurden, sich an die Diskussionen angeschlossen, um die Legitimität der Norm infrage zu stellen. Im Text drücken die Unterzeichner ihre Sorge für die Kunst und Kultur in Kuba über die kommenden Jahre aus, wenn festgelegt wird, dass staatliche Behörden darüber entscheiden, wer die Erlaubnis erhält, künstlerische Aktivitäten auszuführen und wer sie finanzieren darf:

 Hoy día, el sistema de crowdfunding ofrece nuevas fuentes de apoyo a proyectos artísticos por parte de amigos. […] El hecho de que un artista cubano logre financiar sus creaciones por medios propios no lo convierte en un opositor — millones de individuos en el mundo se benefician de las nuevas tecnologías para difundir sus obras al margen de las instituciones culturales establecidas.

Heutzutage bietet das Crowdfunding mithilfe von Freunden neue Quellen der Unterstützung für künstlerische Projekte. […] Die Tatsache, dass ein kubanischer Künstler in der Lage ist, sein Schaffen durch eigene Mittel zu finanzieren, macht ihn nicht zu einem Gegner – Millionen von Menschen nutzen die neuen Technologien, um ihre Werke am Rande der etablierten Kulturinstitutionen zu verbreiten.

Es werden zudem die Risiken in Frage gestellt, die mit unklaren gesetzlichen Kriterien innerhalb des Dekrets verbunden sind, wie beispielsweise die Bestrafung von “schädigenden Inhalten gegenüber ethischen und kulturellen Werten”.

Der offene Brief richtet sich an den Präsidenten Kubas, Miguel Díaz-Canel und an den neuen Kulturminister, Alpidio Alonso, und wurde unterschrieben von Künstlern und Intellektuellen wie Tania Bruguera, Laritza Diversent, Coco Fusco, Yanelys Nuñez und Enrique del Risco.

Die Sorgen der Unterzeichner des Briefes werden ihrerseits von der Organisation juristas Cubalex geteilt:

 Los artistas independientes o que no tienen vinculación con las instituciones del estado o grupo de la sociedad civil, se verán doblemente discriminados debido a que sus formas y medios de expresión son percibidos por el Estado como contestatarios, por tanto una forma de expresión de la opinión política.

Die unabhängigen Künstler oder die, die keine Verbindung mit staatlichen Institutionen oder Gruppen der zivilen Gesellschaft haben, sehen sich doppelt diskriminiert, aufgrund dessen, dass die Art und Mittel des Ausdrucks vom Staat als Protest wahrgenommen werden und dementsprechend als Ausdruck der politischen Meinung.

Des Weiteren kamen Fragen auf in Bezug auf die Einhaltung dieser Norm in religiösen Bereichen, in denen künstlerische Aktivitäten stattfinden. Dies ist in der Regla de Osha (auch bekannt als Santería) der Fall, eine weit verbreitete Religion in Kuba, bei der sowohl Tanz als auch Musik Teil von Ritualen sind.

Gleichzeitig begleitet ein Hip-Hop-Lied die verschiedenen Proteste, welches in gemeinschaftlicher Zusammenarbeit von Künstlern wie David D'Omni (Omni-Zona Franca), Raudel Collazo von “Escuadrón Patriota” und dem Rocker Gorki von der Band “Porno para Ricardo” produziert wurde:

Tu censura está en clausura de conciertos que tumbaste.

Siempre estuvo ahí, solo la legalizaste.

Nos acusas entonces de politizar el arte, dime

¿Qué hiciste tú cuándo lo colocaste

En la Constitución con sanciones al artista?

Basta ya de represión sigue creciendo la lista.

Deine Zensur zeigt sich in der Schließung von Konzerten, die du niederschlugst.

Es gab sie schon immer, nur hast du sie legalisiert.

Du klagst uns an, die Kunst zu politisieren, sag

Was hast du gemacht als du in der Verfassung

Sanktionen gegen Künstler festlegtest?

Schluss mit der wachsenden Unterdrückung.

Seinerseits hat Jorge Angel Hernández auf entgegengesetzter Seite in der regierungsnahen Zeitschrift “La Jiribilla” den Artikel „Del Decreto-Ley 349 y sus contra-invenciones” [Das Gesetzesdekret 349 und die Erfindungen des Widerstands] publiziert:

Las reacciones opuestas al Decreto 349 coinciden, casualmente, en centrarse en la presentación de un caos futuro de censura y represión; anuncian el Apocalipsis y protegen, sin mucha sutileza, las fuentes de financiamiento injerencista que les van permitiendo los diferentes niveles de protagonismo en el espectro público internacional.

Die gegensätzlichen Reaktionen auf das Dekret 349 fallen genau mit der Darstellung eines zukünftigen Chaos durch Zensur und Unterdrückung zusammen; sie verkünden die Apokalypse und schützen, ohne große Spitzfindigkeit, die finanziellen Quellen, die ihnen ermöglichen eine Rolle auf unterschiedlichen Ebenen im Spektrum des internationalen Publikums zu erlangen.

Die Kontroverse hat bereits bedeutende Konfrontationen zwischen Künstlern und Staat außerhalb des Netzes provoziert. Als Teil zur Förderung der Kräfte gegen das Dekret setzte Artistas Cubanxs en Contra del Decreto 349 zwei Konzerte am vergangenen 11. und 15. August an. Die Antwort der Regierung war jedoch vernichtend: die revolutionäre nationale Polizei setzte dem Event ein Ende und verhaftete einige der Künstler. Diario de Cuba fotografierte die Festnahmen und teilte sie auf seinem YouTube-Kanal:

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