Solarenergie boomt in Indien. Doch wird sie auch die erreichen, die sie am dringendsten brauchen?

Meenakshi Dewan brings something very special to her home in Orissa, India: electricity. Photo by Flickr user DFID - UK Department for International Development. CC-BY-NC-SA 2.0

Meenakshi Dewan bringt etwas sehr Besonderes in ihr Haus in Orissa, Indien: Elektrizität. Foto von Flickr User DFID – UK Abteilung für internationale Entwicklung. CC-BY-NC-SA 2.0

Dieser Beitrag, geschrieben von Didem Tali, wurde ursprünglich auf Ensia.com veröffentlicht, einem Magazin, dass über internationale, praktizierte Lösungen für Umweltprobleme berichtet. Die Wiederveröffentlichung geschieht im Rahmen eines Abkommens mit Global Voices zur gemeinsamen Nutzung von Inhalten. Wo nicht anders angegeben, führen die Links im Artikel zu englischen Webseiten.

Indien ist mit Sonne gesegnet und schickt sich an, dies auch zu nutzen: Mächtige Investitionen in Solarenergie stehen an, die dabei helfen sollen, die Bedürfnisse einer Bevölkerung zu erfüllen, deren stetiges Wachstum erwarten lässt, dass das Land im Jahr 2022 zu einem der bevölkerungsreichsten unseres Planeten zählen wird. Doch wird diese Energieversorgung auch die Leute erreichen, die sie am Nötigsten haben?

Ein tropisches Land mit großer Landmasse – zahlreiche Experten sehen das Land als besonders geeignet für Solarenergie. Und tatsächlich kommt eine vor kurzem durchgeführte Untersuchung von Deloitte und der Confederation of Indian Industry, der Interessenverband der Industrien Indiens, zu dieser Schätzung: Das Potential für die Erzeugung von Solarenergie in Indien könnte 749 Gigawatt betragen. Damit beinahe das Dreifache der 2012 installierten, elektrischen Gesamtkapazität. Derselbe Bericht informiert auch, dass derzeit nicht einmal 1% dieses Potentials abgerufen wird.

Währenddessen unternimmt die indische Regierung entschiedene Anstrengungen um eine Stromversorgung des Landes mittels Solarenergie voran zu treiben. Laut Bridge to India, einer Solartechnikfirma aus Delhi, wird erwartet, dass die Solarindustrie Indiens noch in diesem Jahr um 250% wachsen wird. Womit das Land auf dem besten Weg wäre, eines der fünf weltweit führenden Länder in Sachen Solarenergie zu werden. Indiens Premierminister Narendra Modi ließ seine Regierung soeben einen Plan genehmigen, mit dem 50 Solarstädte realisiert werden sollen. Und im südwestlich gelegenen Bundesstaat Indiens, Cochin, wurde kürzlich der weltweit erste Flughafen fertig gestellt, der energietechnisch komplett mit Solarenergie betrieben wird. Auch wird Indien bald die weltweit größte Solarenergiezentrale haben. Indem er Solarenergie als die “ultimative Lösung” propagierte, versprach Modi, allen Indern Zugang zur Stromversorgung zu verschaffen. Auch rief er die Wissenschaftler des Landes dazu auf, die Technik der Solaranlagen effizienter zu gestalten.

‘Indiens einmalige Chance’

“Solarenergie ist Indiens einmalige Chance. Nicht nur können damit Indiens Entwicklungsprobleme angegangen werden. Sondern es könnte auch ein ganz entscheidender Faktor sein, den weltweiten Klimawandel günstig zu beeinflussen,” so Tobias Engelmeier, Geschäftsführer von Bridge to India. “Es ist realistisch zu erwarten, dass innerhalb von 15 Jahren eine Kapazität von insgesamt 100 Gigawatt erreicht werden kann,” sagt er.

Laut dem The Energy and Resources Institut, einer Ideenfabrik aus Delhi, haben derzeit rund 300 Millionen Menschen keinen Stromanschluss in Indien. Solarenergie würde es Schulkindern erleichtern, abends ihre Hausaufgaben zu machen. Sie würde es auch der Bevölkerung ermöglichen, sich via Mobiltelefonen und anderen Dingen mit der Welt zu verbinden. Doch sagt Engelmeier auch, dass es eine Herausforderung werden wird, auch die Armen in den Städten mit Solarenergie zu versorgen:

A volunteer shows local residents a Polllinate Energy solar power system. Photo by Didem Tali.

Eine Freiwillige zeigt lokalen Bewohnern ein Solarenergiesystem von Pollinate Energy. Foto von Didem Tali.

Decisions regarding the solar power investments are very politically driven and erratic. Even those who have access to electricity in cities regularly suffer from power cuts. Especially without centralized power systems and with the unpredictable nature of politics, it’s difficult to anticipate what will happen.

Entscheidungen über Investitionen in Solarenergie sind stark politisch motiviert und irreführend. Selbst diejenigen, die in den Städten Stromanschluss haben, müssen oft mit Stromausfällen rechnen. Vor allem die dezentralisierte Stromversorgung zusammen mit der kaum berechenbaren politischen Lage machen es schwierig, den Verlauf der Dinge einzuschätzen.

 

Nichtsdestotrotz, gibt es zahlreiche Initiativen, die den Armen in den Städten helfen wollen, ebenfalls vom Boom der Solarenergie zu profitieren. Das Projekt “Lighting a Billion Lives,” (Licht in eine Milliarde Leben bringen)  beispielsweise, betrieben vom Energy and Resources Institut, hat bislang bereits über eine halbe Million Haushalte mit Strom versehen – nicht nur in Indien, sondern bereits in insgesamt 11 Entwicklungsländern. Ähnliches schafft der Small-Scale Sustainable Infrastructure Development Fund (kleiner Fonds zur Entwicklung nachhaltiger Infrastrukturen): Er bietet kleinen Unternehmen, die Solar-Infrastrukturen realisieren wollen, finanzielle, technische und auch geschäftliche Hilfe. Die in 2012 gegründete Organisation Pollinate Energy, die sowohl in Australien als auch in Indien vertreten ist, hat bereits Mikro-Solarnetzwerke an mehr als 1.000 Gemeinschaften verkauft.

“Der [gemeinnützige] Sektor wird es sein, gemeinsam mit Einzelpersonen der Gemeinschaften, die den Boom der Solarenergie in die Slums bringen werden”, sagt Katerina Kimmorley, Gründerin und Geschäftsführerin von Pollinate Energy.

Die Zukunft vor Augen

Doch trotz der subsidierten Preise, die soziale Unternehmen wie Pollinate Energy anbieten können, kostet eine Solarenergie-Komponente Rs. 5500 (US$83) und der Tageslohn eines Bauarbeiters kann bei nur Rs. 200 (US$3) liegen. Viele Stadtbewohner arbeiten in Sektoren die eine hohe Fluktuation kennen, wie zum Beispiel auf Baustellen, die während der Regenzeit weniger Arbeit haben. Deshalb werden sich Haushalte, deren Verdiener solche Jobs haben, Solarkomponenten nur schwer leisten können.

Hinzu kommt, dass ein Stromanschluss nicht die Energieverbesserung ist, die Indiens Ärmste am dringendsten brauchen. Der größte Energieverbrauch in den Slums ist zurück zu führen auf das Kochen von Essen und das Sterilisieren von Wasser. Dies geschieht derzeit mithilfe von Biomasse als Brennstoff: Ein Luftverschmutzer, der auch andere Gesundheitsrisiken mit sich bringt. Doch dessen Energieerzeugung leistungsstärker ist, als die der derzeitigen Mikro-Solaranlagen, die im Vergleich nur geringe Energie produzieren. Nichtsdestotrotz können Haushalte bis zu einem gewissen Grad sehr wohl von diesen Mikro-Solaranlagen profitieren. Besonders, wo es um Alltagshandlungen geht für die kleinere Energiemengen ausreichend sind. Beispiele sind hier die Beleuchtung von Räumen und das Aufladen von Mobiltelefonen.

Es wird ungezweifelt noch viele Jahre dauern, wenn nicht Jahrzehnte, bis die Nachfrage seitens Verbrauchern und der zunehmende Wettbewerb in diesem Markt Solarenergie für alle bezahlbar machen. Doch werden die richtigen Schritte unternommen, wird den richtigen Strategien und Richtlinien gefolgt und wird der non-profit Sektor weiterhin mit involviert, dann kann Solarenergie wirklich eine mächtige Rolle spielen: Indiens 300 Millionen Menschen, die derzeit noch ohne Stromanschluss sind, könnten diesen tatsächlich bekommen.

Didem Tali is eine freiberufliche Journalistin, die sich auf internationale Entwicklungsthemen spezialisiert hat. Sie berichtet zu den Themen Wirtschaft, Gender und Umwelt aus Afrika, Asien, Europa und dem mittleren Osten. Sie hat einen Master in Medienwissenschaften, Kommunikation und Entwicklung von der London School of Economics. Folgen Sie ihr auf Twitter: @didem_tali.

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