Die Originalversion des Artikels ist bei Creative Time Reports auf Englisch erschienen. Fotos von Fyodor Savintsev, Text von Katya Kazbek und Global Voices Zentralasien-Editor Chris Rickleton.
780 Millionen Menschen haben heutzutage keinen Zugang zu Trinkwasser. Der Mangel dieser so wertvollen Ressource in Zentralasien hält die Menschen nicht nur in einer Situation von arger Not und gesundheitlicher Risiken gefangen, es lässt viel mehr auch das Aufkommen von Wasserkriegen ahnen. Grenzüberschreitende Auseinandersetzungen um den Zugang zu Wasser sowie ökologische Folgen von Wasserknappheit verleihen der Region einen beißenden politischen Beiklang.
2030 wird laut eines in Englisch verfassten Berichts der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) fast die Hälfte der Weltbevölkerung Regionen bewohnen, die von “hoher Wasserarmut” betroffen sein werden.
Zentralasien ist aufgeteilt in wasserreiche, flussaufwärts liegende und wasserarme, flussabwärts liegende Staaten. Die Tatsache, dass Tadschikistan und Kirgisistan, die flussaufwärts liegenden Nationen, wirtschaftlich die zwei schwächsten Mächte der Region sind, könnte als natürliche Art und Weise verstanden werden, materielle Armut mit ökologischer Fülle aufzuwiegen. Dennoch ist das Ressourcengleichgewicht in Zentralasien alles andere als gelungen. Zurzeit erwägen einige kirgisische Gesetzgeber die Idee, den Wasserfluss in das semi-aride Usbekistan anzuschneiden. Usbekistan ist das bevölkerungsreichste Land der Region und besitzt zudem die größte Armee. Im April hatte Usbekistan Gaslieferungen an die Stadt Osh im Süden Kirgisistans unterbrochen.
Usbekistans Entscheidung, die Gaslieferungen nach Osh zu unterbrechen, beruht vielleicht auf dem lang anhaltendem Wasserkonflikt. Beamte in Tashkent, der usbekischen Hauptstadt, sind bestürzt über kirgisische und tadschikische Pläne, große Talsperren zur Nutzung von Wasserkraft im Oberstromgebiet des Syrdarja und des Amudarja zu bauen.
Usbekistan ist auf Wasser für seinen strategisch wichtigen Landwirtschaftssektor angewiesen. Man befürchtet, dass die Wasserkraftwerke den schwierigen Nachbarn die Möglichkeit geben, Wasser auf eigenem Territorium zu halten. 2012 warnte der usbekische Präsident Islam Karimov davor, dass solche Pläne ohne Berücksichtigung der flußabwärts liegenden Staaten wie Usbekistan und Kasachstan zu Krieg führen könnten.
Wasserprobleme führen nicht nur zu Konflikten zwischen Staaten, sondern auch zu Streitigkeiten innerhalb der Staaten und den Gemeinden und Menschen untereinander. Auch wird das Problem durch die verfallende Infrastruktur aus Sowjetzeiten verstärkt. Kirgisistan zum Beispiel verliert ein Drittel seines Wassers aufgrund von Löchern in zerfallenden Bewässerungsnetzwerken. In ländlichen Gegenden ist dieses Problem besonders kritisch, da dort große Mengen an Wasser für den Getreideanbau gebraucht werden.
Um ein Austrocknen zu vermeiden, bauen verzweifelte kirgisische Dorfbewohner Dämme, welche die lokalen Flüsse umleiten und Bewässerung so möglich machen. Diese Maßnahmen führen allerdings zu Dürre in flussabwärts gelegenen Gemeinden. In Gebieten wie der kirgisischen Region Batken, in der es objektiv schwer ist, zu sagen wo Kirgisistan endet und Tadschikistan beginnt, sind gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen kirgisischen und tadschikischen Dorfbewohnern um Wasser für Bewässerungszwecke alltäglich geworden. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig des Diebstahls.
Aber die Wasserknappheit in Zentralasien sei, laut einiger russischer Wissenschaftler, nur eine Momentaufnahme einer umfassenderen Krise mit gravierenden Folgen für den ganzen asiatischen Kontinent.
In China stehen die Flüsse Ili und Irtysch aufgrund der Bevölkerung und großangelegter Gewerbetätigkeit unter wachsendem Druck. Beide Flüsse fließen nach Kasachstan, der Irtysch mündet später in den Ob in Russland. Ein weiteres Entleeren des Ob-Irtysch Beckens wird irreparable Schäden für ganz Asien mit sich bringen und so ausgedehnte Flächen fruchtbaren Bodens und die Fischindustrie gefährden als wie auch ernsthaft den russischen Teil des Arktischen Ozeans schädigen.
Der zentralasiatische Konflikt um Wasser wird oft als lokale Auseinandersetzung mit geringer Bedeutung für den Rest der Welt wahrgenommen. Aber ein jährlich sinkender Wasserspiegel in der Region und die Angst vor ausgetrockneten Brunnen wird mehr und mehr Menschen zwingen, an dem Konflikt teilzunehmen. Ein Punkt, an dem es für diese sozial-ökologische Katastrophe kein Zurück mehr gibt, kommt immer näher. Solange noch Zeit bleibt, Wasserknappheit und mögliche Kriege als deren Folge zu vermeiden, ist es von zentraler Wichtigkeit, über diese Situation in Zentralasien Aufschluss zu geben.