Klimawandel ist laut Experten die Ursache für Russlands schrumpfenden Baikalsee

Cove with Shamans Rock Olkhon Island Lake Baikal, Russia. Photo by Flickr user amanderson2. CC BY 2.0

Die Bucht der Insel Shamans Rock Olkhon im Baikalsee, Russland. Foto von Flickr Nutzer amanderson2. CC BY 2.0

Dieser Artikel wurde von Mikhail Matveev für 350.org geschrieben, eine Organisation, die eine globale Klimaschutzbewegung aufbaut. Die Wiederveröffentlichung geschieht im Rahmen eines Abkommens von Global Voices zur gemeinsamen Nutzung von Inhalten. Wenn nicht anders angegeben, führen die Links im Artikel zu Webseiten in russischer Sprache.

In den ersten Tagen von 2015 erklärte Russlands Minister für Naturressourcen, Sergei Donskoi, den Baikalsee offiziell als Notstandsgebiet, wegen dessen katastrophal gesunkenen Wasserpegels. Der Baikalsee ist das weltweit größte Süßwasser-Reservoir und steht mit auf der Liste des UNESCO Weltnaturerbes. Er ist Russlands Stolz und eines der beliebtesten Touristenziele.

Hiervon abgesehen besteht die Gefahr, dass sich aufgrund des gesunkenen Wasserpegels im Baikalsee und auch im Fluß Angara, der hier mündet und zahlreiche Städte mit Wasser versorgt, die Wassermengen verringern. Um die Wasserversorgung für die betroffenen Städte aufrecht zu erhalten, muss nun die Wassermenge, die durch die Dämme der Wasserwerke fließt, verringert werden. Das bedeutet eine reduzierte Energiegewinnung.

Der russische Minister hat deutliche Worte für diesen Rückgang des Wasserpegels im Baikalsee: “Das Klima”. Was in aller Welt ist also mit dem Klima passiert?

Experten nehmen an, dass die Niederschlagsmengen im Gebiet des Baikal in Zyklen von jeweils mehreren Jahrzehnten fluktuieren. Was hier jetzt jedoch geschieht, fällt eindeutig aus diesem Muster einer normalen Variation heraus. Ende März sank der Wasserpegel beispielsweise 9 cm unter den als kritisch geltenden Wert ab. Und eine solche Wasserknappheit wurde in über 100 Jahren nicht beobachtet. Laut dem Ministerium für Katastrophenschutz betrug die Wassermenge, die im Sommer und Herbst 2014 in den See gelangte, nur noch 65 Prozent der klimatischen Norm.

Die Austrocknung des Baikalsees vollzieht sich vor dem Hintergrund eines dramatischen Wandels in Russland: Laut dem russischen Meteorologischem Zentrum (Rosgidromet) geschieht der Anstieg der Durchschnittstemperaturen hier 2.5 Mal schneller als im globalen Vergleich. Der Klimawandel führt zu einem schnellen Anstieg der Häufigkeit von Naturkatastrophen, inklusive Dürren.

Increase in dangerous climatic events in Russia, according to Rosgidromet

Zunahme gefährlicher Klimaereignisse in Russland. Quelle: Rosgidromet

Rosgidromet’s zweiter Bericht sagt die dem Klimawandel folgenden Szenarien auf sehr detaillierte Weise vorher:

Als Folge zunehmender Schwankungen der jährlichen Wassermengen, die in die Flüsse gelangen, vor allem beim Wechsel der Jahreszeiten, wird es möglicherweise zu Jahren mit extremem Hochwasser kommen, ebenso wie zu Zeiten extremer Trockenheit. Der finanzielle Schaden, der durch Dürren entsteht, kann mit denen von Flutkatastrophen verglichen werden: In beiden Fällen wird die Lagerung von Wasser kompliziert werden, was wiederum die Wasserversorgung der Städte und Industrieanlagen erschweren wird. Ferner wird sich hierdurch die Produktion von Energie verringern, die aus Wasserkraft gewonnen wird. Auch wird die Navigation auf den Flüssen gefährlicher und die Qualität des Flusswassers schlechter.

Das Absinken des Wasserpegels ist nur ein Teil der Probleme der Baikalregion. Das schlimmste Problem ist derzeit wahrscheinlich noch verborgen unter der Oberfläche des Sees. Im Herbst 2014 begann das Ufer dieses Sees sich mit einer stinkenden Masse von Wasserpflanzen zu bedecken.

Das Ökosystem des Sees war einst entstanden dank der sauberen und unglaublich kalten Gewässer (normalerweise < 10℃). Der See ist bekannt für sein Dickicht aus Süßwasserschwämmen, woraus eine Landschaft geformt wurde, die den Riffen in der Karibik ähnelt.

Diese einzigartigen Schwämme sterben nun jedoch weg. Und ihr Habitat wird von denselben Wasserpflanzen (deren wissenschaftlicher Name: Spirogyra) übernommen, die bei Stürmen an die Ufer geschleudert werden. Die einzigartige, riffförmige Landschaft zeigt mehr und mehr einem schlammbedeckten Untergrund, den wir von sonnengewärmten Teichen kennen. Anstelle des lauwarmen, tiefen Baikalsees.

Experten sind sich uneinig über die Ursachen dieser Probleme. Forscher des Instituts für Süßwasserbiologie schlugen Alarm wegen der Wasserverschmutzung. Sie fordern dringende Maßnahmen, um die Mengen an Abwasser zu verringern, die in den See geleitet werden. Während Nina Abarinova, Vize-Ministerin für Umwelt und Naturressourcen in der Irkutsk Region, die Hauptursache des Problems im geringen Wasserpegel und den gestiegenen Wassertemperaturen sieht.

Der Baikalsee wärmt sich tatsächlich auf. Laut einer Studie, die bereits 2008 publiziert wurde, war die Temperatur des Oberflächenwasser des Baikalsees damals seit 1946 schon um 1.21 Grad gestiegen.

Basierend auf all dem, gibt es viele Wechselwirkungen zwischen diesesn Fällen und Faktoren. Zudem spielt der Klimawandel eine führende Rolle. Selbst wenn die Wasserverschmutzung indirekt mit dem Klima zu tun hat: Der dramatische Abfall des Wasserzustroms generiert Bereiche, in denen sich Schmutz anstaut. Diese Plage des Baikalsees ist faszinierenderweise dieselbe wie die, die in der Karibik, im Pazifik und im Indischen Ozean für Probleme sorgt: Klimawandel und Wasserverschmutzung kombinieren ihre Wirkung. Als Resultat verlieren die Schwämme und Korallen, die stabile Wasserverhältnisse benötigen, ihr Habitat – wodurch dem Wildwuchs von Wasserpflanzen ein idealer Boden bereitet wird.

Was in der Baikalregion geschieht, ist nur ein Beispiel massiver Beweislast, dass die globale Erwärmung nichts Gutes verheißt, nicht einmal für die russische Kälte. Es ist mehr als schade, dass die russische Gesellschaft kaum darauf vorbereitet ist, die Existenz dieser globalen Probleme überhaupt erst einmal an zu erkennen, obwohl die Realität stets lauter an die sprichwörtliche Tür klopft. Es bleibt die Hoffnung, dass es Klimaschutzaktivisten in der Region gelingt, genug öffentliches Bewusstsein für diese Probleme zu schaffen, die möglicherweise die massivsten des 21. Jahrhunderts sind. Diese Hoffnung erscheint berechtigt, vor allem, da es erste erfolgreiche Projekte gibt.

Update: Noch während dieser Text geschrieben wurde, ereignete sich in der Region eine weitere Katastrophe. Es kam zu heftigen Bränden in Khakassia und Tyva (nahe Baikal), die mehr als 30 Menschen töteten und Hunderte obdachlos machten. Für den Gouverneur von Khakassia war eine “nie zuvor beobachtete ” Abnormalität des Klimas die Ursache dieser Katastrophe  – heißes Wetter und starker Wind.

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