Es war einmal ein Blog.
Er war auf Amharisch geschrieben, der Sprache, die in Äthiopien am weitesten verbreitet ist. Er wurde von einem Team junger Journalisten und Vordenker betrieben, die ein offenes und öffentliches Gespräch über die Zukunft ihres Landes führen wollten.
Es ist nicht gerade leicht, in Äthiopien über diese Themen zu sprechen. Afrikas zweitgrößtes Land wird von einer neo-marxistischen Regierung der Parteienkoalition Revolutionäre Demokratische Front der Äthiopischen Völker (EPRDF) geführt, die nach dem Sturz der brutalen Militärdiktatur 1991 die autokratischer Herrschaft eines Einparteiensystems etabliert hat.
Teil der Strategie der Herrschaft der EPRDF ist es, abweichende Meinungen zum Schweigen zu bringen. Als 2005 Studentenproteste gegen manipulierte Wahlen laut wurden, blockierte die Regierungen zwei Jahre lang den gesamten SMS-Verkehr (hierzu ein englischsprachiger Bericht) mit der Begründung, oppositionelle Aktivisten hätten mit Hilfe von SMS ihre Kampagnen geplant. (Das hatten sie auch. Das Problem war dabei, dass Äthiopien den Aktionismus der politische Opposition als eine Bedrohung der Stabilität des Regimes empfand.) Für kurze Zeit hatte Äthiopien eine blühende und lebhafte Blogosphäre, wie hier auf Englisch nachzulesen ist. Dann aber machte die Zensur und Schikanen der Blogger durch die Regierung viele dieser Stimmen schnell mundtot. Die unabhängige Presse des Landes wurde durch das Vorgehen Äthiopiens, die kräftigsten journalistischen Stimmen ins Gefängnis zu werfen, gelähmt, berichtet das Komitee zum Schutz von Journalisten auf Englisch. Unter den inhaftierten Journalisten befindet sich der PEN-Preisträger Eskinder Nega (hier sein englischsprachiges Kurzprofil), der im berüchtigten Kaliti-Gefängnis des Landes einsitzt.
Zehntausende werden im Kaliti-Gefängnis, am Rande von Addis Ababa, gefangen gehalten. Journalisten und politische Gefangene werden in der Zone 8 des Gefängnisses untergebracht. Scherzhaft bezeichnen sie den Rest des Landes, ebenfalls selbst eine Art Gefängnis, als “Zone 9″. Darauf bezieht sich auch der Name des Blogs: Die Blogger von Zone 9 schreiben vom Außenring des Gefängnisses, aus dem Land selbst.”
Endalk, Mitglied von Zone 9, erklärt:
In the suburbs of Addis Ababa, there is a large prison called Kality where many political prisoners are currently being held, among them journalists Eskinder Nega and Reeyot Alemu. The journalists have told us a lot about the prison and its appalling conditions. Kality is divided into eight different zones, the last of which — Zone Eight — is dedicated to journalists, human right activists and dissidents.
When we came together, we decided to create a blog for the proverbial prison in which all Ethiopians live: this is Zone Nine.
Am Stadtrand von Addis Ababa befindet sich ein großes Gefängnis, das Kaliti heißt und wo derzeit viele politische Gefangene einsitzen, unter ihnen die Journalisten Eskinder Nega und Reeyot Alemu. Die Journalisten haben uns einiges über das Gefängnis berichtet und über die entsetzlichen Verhältnisse, die dort herrschen. Kaliti ist in acht verschiedene Zonen unterteilt, wobei die letzte – die Zone Acht – für Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und Oppositionelle bestimmt ist.
Als wir zusammenkamen, entschieden wir uns, einen Blog zu schreiben für das sprichwörtliche Gefängnis, in dem alle Äthiopier leben: Das ist Zone Neun.
Äthiopien meint, es drohe, in rivalisierende und sich bekriegende Teile zu zerfallen. Diese Gefahr ist nicht unbegründet: Eritrea spaltete sich 1991 nach einem dreißig Jahre dauernden Krieg von Äthiopien ab und verfügt nun über das Land an der Küste. (Leider ist auch Eritrea ein Einparteiensystem, das bekanntermaßen Journalisten hinter Gitter bringt.) In der Region Ogaden verfolgen ethnische Somalier und ethnische Oromo die Gründung eigener unabhängiger Staaten. Ihre bewaffneten Bewegungen, die ODLF und die OLF gelten der äthiopischen Regierung als Terrororganisationen.
Die äthiopische Regierung steht tatsächlich vor einer gefährlichen Herausforderung durch bewaffnete Kämpfer. Es tendiert nur leider auf verstörende Weise dazu, alle, die abweichende Meinungen vertreten, als Terroristen zu bezeichnen. So wie Eskinder Nega. Das Verbrechen, das Nega begangen hat, war, über die Proteste des arabischen Frühlings zu berichten (hier ein Kommentar dazu in der New York Times) und darauf hinzuweisen, dass Äthiopien ähnliche Proteste erleben könne, wenn die Regierung sich nicht öffne und Reformen einleite. Er wurde verurteilt für das “Planen, die Vorbereitung, die Verschwörung zu, die Aufstachelung zu und den Versuch von” Terrorakten und sitzt jetzt eine Haftstrafe von 18 Jahren ab.
Die Blogger von Zone 9 hatten verständlicherweise große Angst, nachdem Nega verhaftet und verurteilt worden war und für über ein Jahr wurde es still auf dem Blog. Diesen Frühling entschlossen sie sich aber dazu, nicht länger schweigen zu können. Am 25. April reagierte die Regierung darauf und inhaftierte sechs Mitglieder des Bloggerteams und drei Journalisten, von denen die Regierung sagt, sie ständen mit den Bloggern “in Verbindung”.
Die Anklagepunkte (vom Blog Zone9'Trails’ zusammengefasst), die gegen die Blogger hervorgebracht werden, geben ein Gefühl davon, was die äthiopische Regierung tatsächlich bekämpft: Opposition, nicht Terror. Ein Großteil der Anklage bezieht sich darauf, dass die Blogger außer Landes gereist seien, um Fortbildungen zu besuchen, auf denen sie lernen, ihre Kommunikation zu verschlüsseln, im Besonderen das Open Source-Softwarepaket Security in a Box. Dieses Sicherheitspaket wurde von Tactical Tech zusammengestellt, einer Organisation, die Journalisten und diejenigen, die sich für Redefreiheit einsetzen, dabei unterstützt, sich selbst vor Überwachung zu schützen. Die äthiopische Regierung wirft nun den Bloggern von Zone 9 vor, diese Instrumente eingesetzt zu haben, um “die staatliche Verfassung zu stürzen, anzupassen oder aufzuheben, mittels Gewalt, Bedrohung oder Verschwörung”. Die Blogger haben diese Instrumente eingesetzt, um ihre Berichterstattung zu koordinieren und haben gehofft, so vermeiden zu können, dass eine paranoide Regierung sie entdeckt und inhaftiert.
Diese Anklage gibt ein Gefühl davon, wie schwierig es ist, in repressiven Ländern zu Themen der Redefreiheit zu arbeiten. 2012 arbeitete Global Voices mit Zone 9 an der Global Voices-Ausgabe auf Amharisch. (Die Seite ist aufgrund der Inhaftierung unserer Partner in der letzten Zeit nicht mehr aktualisiert worden.) Vier der in Kaliti gefangen gehaltenen Blogger sind freiwillige Unterstützer von Global Voices. Andere Teammitglieder, die mit Global Voices zusammenarbeiten, befinden sich im Exil und ihnen droht eine Festnahme, wenn sie zurückkehren. Wir wissen, wie gefährlich es ist, aus Äthiopien zu berichten und daher haben wir unseren Freiwilligen dabei geholfen, Ressourcen wie Security in a Box zu finden. Unsere Versuche, in Äthiopien eine sichere Grundlage zu schaffen, um frei reden zu können, sind jetzt Teil der Anklage gegen unsere Freunde.
Zu der Trauer und Frustration, die wir als Global Voices empfinden, kommt noch, dass Äthiopien in großem Umfang Hilfen aus dem Ausland bezieht, hier die Afrikanische Union ihren Sitz hat und Äthiopien einer der wichtigsten militärischen Bündnispartner der USA ist, als sicher gilt und als christliches Bollwerk gegenüber Somalia dient. Meles Zenawi pflegte eine herzliche Beziehung mit der Obama-Regierung (Präsident Obama erwähnte bei seiner Rede zum Tod Zenawis flüchtig Menschenrechte, nachdem er Zenawi für seinen Fokus auf Ernährungssicherung gelobt hatte) und es gibt nur wenige Hinweise darauf, dass das Außenministerium Pläne habe, hinsichtlich der Redefreiheit oder der Menschenrechte gegenüber Äthiopien eine härtere Gangart anzuschlagen.
Wir von Global Voices versuchen, Aufmerksamkeit für die Notlage der Blogger von Zone 9 zu schaffen und hoffen, dass das US-amerikanische Außenministerium Maßnahmen zu ihrer sofortigen Freilassung ergreifen wird und sich dafür einsetzen wird, dass der Krieg, den Äthiopien gegen unabhängige Medien führt, nachlässt. Wir bitten Freunde, sich uns anzuschließen, den Hashtag #FreeZone9Bloggers zu benutzen und Twitternachrichten an @StateDept (das US-amerikanische Außenministerium) zu schicken.
Das ist eine schwierige Zeit, um die Aufmerksamkeit auf diese Situation zu lenken, das wissen wir. Ellery Biddle schreibt für Global Voices, ihr Twitterdienst gebe schon dutzende Alternativen für die Vervollständigung des Hashtags #Free__ vor, darunter viele Mitglieder der Global Voices-Gemeinschaft. Es ist die richtige Zeit, dem Außenministerium zu twittern, es solle von Israel fordern, dass Zivilisten in Gaza geschützt werden oder zu fordern, dass Nachrichtenagenturen weiterhin Bericht erstatten zur katastrophalen Lage in Syrien. Wenn ich um Hilfe bitte, dann möchte ich niemandes Empörung über andere Ungerechtigkeiten schmälern. Aber ich frage um Hilfe, um die Notlage unserer Freunde sichtbar zu machen, die andernfalls möglicherweise in internationalen, diplomatischen Kreisen in Vergessenheit geraten.