In Äthiopien wurden Ende Juni die sieben Produzenten und Musiker eines populären YouTube-Musikvideos wegen Terrorismus angeklagt, weil sie „aufstachelndes“ audiovisuelles Material erstellt und „auf YouTube hochgeladen haben“.
Im Dezember 2016 wurden die Gruppenmitglieder verhaftet und bis Juni 2017 ohne Anklage in Haft gehalten.
Unter den Angeklagten befindet sich Seena Solomon, eine junge Sängerin, die von ihren Kritikern als aufstrebendes musikalisches Talent bezeichnet wird. Zu den anderen Inhaftierten zählen der bekannte Songwriter, Sänger und Musikproduzent Elias Kiflu, die zwei Sänger Gemechis Abera and Oliyad Bekele sowie die drei Tänzer Ifa Gemechu, Tamiru Keneni und Moebol Misganu.
Für den Tänzer Moebol Misganu ist es nun schon die zweite Verhaftung, da er bereits im Jahr 2014 in Verbindung mit den Studenten-Protesten in Oromia, der größten Region Äthiopiens, festgenommen wurde. Er wurde 2016 wieder freigelassen.
Seit Dezember 2016 sind Seenaa und ihre Kollegen in Maekelawi untergebracht. Hierbei handelt es sich um ein Gefängnis, das aufgrund von Erzählungen ehemaliger Insassen für seine Folterpraktiken berüchtigt ist. Nur kurze Zeit nach der Inhaftierung der Gruppenmitglieder schrieb Online-Aktivist und Leiter des Diaspora-Satellitenfernsehsenders Jawar Mohamed:
The regime has intensified its war on Oromo artists. Almost all singers are either in jail, forced to flee or had gone underground. Studios have been closed and their properties confiscated. Seena Solomon and Elias Kiflu, the duo known for their powerfully dramatized resistance songs are the latest victims.
Das Regime hat seinen Krieg gegen die Oromo-Künstler intensiviert. So gut wie alle Sänger sind entweder im Gefängnis, werden dazu gezwungen zu fliehen oder mussten untertauchen. Studios wurden geschlossen und das Eigentum der Künstler wurde konfisziert. Die jüngsten Opfer sind Seena Solomon und Elias Kiflu, ein für seine ausdrucksvoll dramatisierten Lieder bekanntes Duo.
Die hitzigen politischen Rahmenbedingungen, in denen diese Verhaftungen durchgeführt wurden, resultierten aus dem Vorhaben der äthiopischen Regierung, die Hauptstadt Addis Abeba auszudehnen. Im Jahr 2014 hatte die Regierungspartei EPRDF (kurz für „Revolutionäre Demokratische Front der Äthiopischen Völker“) einen Stadtentwicklungsplan zur Ausweitung der Hauptstadt auf die angrenzenden Ackerländer der Region Oromia vorgelegt. Dort leben hauptsächlich die Oromo, die größte ethnische Volksgruppe des Landes.
Als der Plan infolgedessen zu großflächigen Protesten und einem brutalen Vorgehen der Regierung führte, begannen Musiker, die ihre Lieder auf Afan Oromo (der regionalen Sprache) sangen, zu einer sichtbaren – und hörbaren – Inspirationsquelle der Oppositionsbewegung aufzusteigen. Die Gruppe um Seena Solomon begann während dieser Studenten-Proteste, Musikvideos auf Afan Oromo zu produzieren, die das Land in der Zeit von 2014 bis 2016 bewegten. Damit schufen sie gewissermaßen einen Soundtrack für die Bewegung.
Die staatliche Fana Broadcasting Corporation erklärte im Zuge ihrer Berichterstattung über die Festnahmen der Gruppenmitglieder, dass Seena und ihre Kollegen in Zusammenarbeit mit einer politischen Diaspora-Organisation, die in Australien ansässig ist, Musikvideos, Gedichte und Interviews mit Regierungskritikern angefertigt hätten.
Gemäß der Anklageschrift wird den Künstlern vorgeworfen, dass ihr audiovisuelles Material „aufstachelnd“ sei und die demonstrierenden Studenten und andere Personen, die an den Protesten zwischen 2014 und 2016 teilgenommen haben, „verherrlichen“ würde.
Sie sind nicht die ersten Musiker, die mit einer solchen Unterdrückung zu kämpfen haben. Bereits im Januar 2016 wurde Hawi Tezera, eine andere Oromo-Sängerin, die mit ihren Liedern den Demonstranten Halt und Inspiration bot, inhaftiert. Im Februar 2017 wurde Teferi Mekonen verhaftet, ein Oromo-Sänger, der in seinen Liedern die kulturelle Identität der Oromo förderte und die Legitimität der äthiopischen Regierungspartei infrage stellte. Hawi wurde letztendlich wieder freigelassen, doch das Schicksal von Teferi bleibt weiterhin ungewiss.
Aufgrund der steigenden Aufmerksamkeit, die politische Sänger des Landes inzwischen erfahren, haben die äthiopischen Autoritäten, ihre brutale Vorgehensweise gegen Musiker, die sie als Oppositions-Sympathisanten wahrnehmen, intensiviert. Doch auch das kann die steigende Bekanntheit und Popularität der Sänger nicht bremsen. Die Musik des Widerstands floriert weiterhin auf YouTube. Obwohl die Künstler im Gefängnis sind, hat der YouTube-Kanal von Seena Solomons Gruppe mit 3.525.996 Mio. eine beeindruckende Zahl an Aufrufen.
2 Kommentare
Diese Meldung ist über ein Jahr alt: https://advox.globalvoices.org/2017/07/14/ethiopian-musicians-charged-with-terrorism-for-inciting-song-lyrics/ Laut Addis Standard befindet sich Seena Solomon wieder auf freiem Fuß: https://mobile.twitter.com/addisstandard/status/963790655804895234?lang=de
Hallo Alexander,
da ist uns ein Fehler bei der Veröffentlichung unterlaufen. Der Artikel wurde im Rahmen einer Übersetzerbewerbung übersetzt und wir hatten versäumt in beim Veröffentlichen zurückzusetzen. Also vielen Dank für den Hinweis.
Allgmein übersetzen wir auch oft ältere Artikel, aber bei so einem zeitgebundenen Artikel geht das natürlich nicht.
Herzliche Grüße vom GV Deutsch Team