Die Internetzensur dämmert in Deutschlands Morgengrauen

Deutschland steht am Rande der Zensur seines Internets. Die Regierung der Großen Koalition – bestehend aus Sozialdemokraten (SPD) und Konservativen (CDU/CSU) – scheinen sich einig in ihrer Entscheidung: Am Donnerstag stimmt der Bundestag ab über die Errichtung einer Zensurinfrastruktur.

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Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen stieß eine Diskussion innerhalb der Bundesregierung an, die sie auch anführt, in der es darum geht, zur Bekämpfung von Kinderpornografie, Internetseiten zu blockieren. Die Grundidee: Aufbau einer Zensurinfrastruktur, die kinderpornografische Inhalte blockt. Das Bundeskriminalamt (BKA) verwaltet dabei eine Liste gesperrter Seiten, während die Internetprovider für die Regierung die Zensurinfrastruktur bereitstellen sollen.

Eine starke und weiter wachsende Gegenbewegung formte sich schnell innerhalb der Netzgemeinschaft. Der Protest war nicht beschränkt auf Hacker oder digitale Aktivisten, sondern wurde in seiner Breite von Bloggern und Twitter-Nutzern unterstützt. Der Hash-Tag, der von den Protestlern benutzt wird, lautet #zensursula – eine Verbindung aus aus dem deutschen Namen für Zensur und des Vornamens der Familienministerin.

Als Teil des öffentlichen Protests wurde eine offizielle Onlinepetition gestartet, die sich an den deutschen Bundestag richtet. Innerhalb von drei Tagen unterschrieben 50.000 Menschen diese Petition – die Anzahl, die gebraucht wird um von der Regierung angehört zu werden. Die Petition trägt den Namen “Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten”. Während ihrer sechswöchigen Zeichnungsfrist unterschrieben mehr als 130.000 Menschen die Onlinepetition und machten sie bislang zur Erfolgreichsten und am häufigsten Unterzeichneten der Geschichte.

Während der letzten Wochen, wurden die Proteste kreativer. Unzählige Blogs und Twitter-Nutzer verfolgten und kommentierten die Diskussion innerhalb der Regierung und brachten Gegenargumente. Viele große Medien Namen den Protest auf und berichteten über seine Verbreitung im Netz. Ein “Arbeitskreis gegen Zensur” wurde gegründet und der Protest wurde organisiert durch ein Wiki, Mailinglisten, Chats und beschäftigte natürlich Twitter-Nutzer und Blogs. Die Seite “Zeichnemit.de” diente als Einstieg. Sie erklärt das komplizierte Onlineverfahren der Petition und machte es weniger versierten Internetnutzern einfacher, die Petition zu unterzeichnen.

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Mehr als 500 Menschen kamen zur offiziellen Pressekonferenz der Bundesregierung zur geplanten Netzzensur – eine Reihe von ihnen nutzte die Gelegenheit, und brachten ihre Bedenken zum Ausdruck. Demonstranten kamen sogar zu den öffentlichen Auftritten von Bundesfamilienministerin von der Leyen und zeigten Banner und Plakate, um gegen die Beschneidung der Informationsfreiheit in Deutschland zu demonstrieren.

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Die Netzgemeinschaft war nicht nur gegen die Pläne der Bundesregierung. Sie machte auch konstruktive Vorschläge, wie mit dem Problem der Kinderpornografie im Netz umgegangen werden könnte, ohne eine Zensurinfrastruktur aufzubauen und die Grundrechte zu beschneiden. Der “Arbeitskreis gegen Zensur” zeigte einen alternativen Ansatz: Innerhalb von 12 Stunden sorgte er für die Löschung von mehr als 60 Seiten mit kinderpornografischen Inhalts – einfach in dem er die Provider über Email anschrieb, welche daraufhin die Seiten aus dem Netz nahmen. Sie wurden identifiziert durch die Sperrlisten anderer Länder, die auf Wikileaks dokumentiert sind. Dieses Beispiel unterstreicht das Hauptargument der Protestbewegung: Anstatt Zeit effektiv zu investieren und zu versuchen illegale Inhalte aus dem Internet zu entfernen, wählt die Bundesregierung den einfachen und gefährlichen Weg über Sperrung und Zensur. Die größte Angst der Protestler liegt in Zensurinfrastruktur selbst. Einmal aufgebaut, kann sie für andere Inhalte verwendet werden, nicht nur gegen Kinderpornografie. Andere deutsche Politiker scheinen bereits ihre Wunschlisten zu präsentieren, welche Inhalte zukünftig zensiert werden könnten. Die Vorschläge reichen von Glücksspielseiten, Seiten mit islamistischen Inhalten, sogenannten Egoshootern; die Musikindustrie spielt mit dem Gedanken Pirate Bay zu sperren und P2P.

Eine umfangreiche Linkliste auf Deutsch zur Zensursula-Debatte ist hier zu finden.

Danke an Geraldine des Bastion für die französische Übersetzung

Nachzulesen auch auf: Netzpolitik.org.

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