Deutsche Gesetzgeber verabschiedeten am 03. Juli 2020 ein neues Gesetz gegen Upskirting und Downblousing, welches am 01. Januar 2021 in Kraft getreten ist. Demnach gelten diese Verletzungen der Intimsphäre nun als Straftaten, die eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren nach sich ziehen können. Upskirting ist eine Form der sexuellen Belästigung und beschreibt das heimliche Erstellen von Bildaufnahmen unter der Kleidung einer Person (bspw. Rock oder Kleid), sprich des Intimbereichs einer anderen Person ohne ihr Einvernehmen und oftmals auch ohne ihr Wissen. Gleiches gilt für das sogenannte und ebenfalls künftig als Straftat eingestufte Downblousing, wobei Bildaufnahmen des Ausschnitts einer Person erstellt werden, ebenfalls ohne Einvernehmen. Allein das Erstellen solcher Aufnahmen ist eine deutliche Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Jedoch richten die Aufnahmen oftmals zusätzlichen Schaden für die Opfer an, wenn sie auf pornografische Webseiten hochgeladen werden. Justizministerin Christine Lambrecht kündigte die Pläne für das Gesetz Ende 2019 an und sagte, die Fotos verletzten nicht nur die Persönlichkeitsrechte, sondern auch die sexuelle Selbstbestimmung.
Die mittlerweile in Kraft getretene Gesetzgebung wurde zu großen Teilen dadurch ermöglicht, dass die Aktivistinnen Ida Marie Sassenberg und Hanna Seidel im Jahr 2019 eine Online-Petition starteten mit dem Ziel, Upskirting als Straftat einstufen zu lassen. Mehr als 100.000 Menschen unterzeichneten die Petition. Sassenberg erläuterte in einem Interview gegenüber dem WDR, dass die Inspiration für ihre Petition von einer sehr ähnlichen Online-Petition der britischen Aktivistin Gina Martin stammte, die sie und Seidel gesehen hatten. Diese hatte eine öffentliche Debatte zu dem Thema angestoßen und maßgeblich dazu beigetragen, dass Upskirting in England und Wales 2019 zur Straftat erklärt wurde. Sassenberg betonte in dem Interview, drüber hinaus haben aber auch Seidels persönliche Erfahrungen die Entscheidung, aktiv zu werden, beeinflusst. Zweimal war sie bereits Opfer dieser Form sexueller Belästigung geworden: Erstmals im Alter von 13 Jahren und erneut im Alter von 16 Jahren. Seidel selbst spricht in der Petition von ihren Erlebnissen und hob hervor, wie wichtig es ist, diese Art der sexuellen Belästigung zur Straftat zu erklären.
Martin, deren Petition dazu beigetrug, Upskirting in England und Wales strafrechtlich verfolgbar zu machen, beschrieb ebenfalls ihre Fassungslosigkeit darüber, dass Upskirting noch keine strafrechtlichen Folgen habe, nachdem sie selbst zum Opfer wurde [Beitrag auf Englisch]:
Kurz nachdem die Nachricht über die neue Gesetzgebung in Deutschland bekannt wurde, teilten Nutzerinnen und Nutzer in den sozialen Netzwerken ihre Meinungen und Eindrücke vor allem unter Hashtags wie #upskirting. Neben viel Zuspruch fanden sich auch misogyne und sexistisch geprägte Stimmen, die den Nutzen einer derartigen Gesetzesänderung infrage stellten und sich zum Teil sogar über die Entscheidung belustigten oder sie offen kritisierten.
Zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer konterten derartige Beiträge mit Tweets, die das grundlegende Problem derer offenlegten, die sich gegen das Gesetz aussprachen und so versuchten, auch den damit verbundenen Rechtsschutz zu untergraben. Nutzerin Sarah Bosetti teilte beispielsweise folgenden eindrücklichen Vergleich:
Wer #Upskirting okay findet, weil Frauen auch sonst viel von ihrem Körper zeigen, findet auch Vergewaltigung okay, weil Frauen auch sonst Sex haben.
— Sarah Bosetti (@sarahbosetti) 3. Juli 2020
Für viele Gegner*innen des Gesetzes, das die Opfer solcher Handlungen weitreichender schützt, ist das Problem oftmals eine subjektive, angenommene Einschränkung ihrer eigenen Rechte. Sie schätzen ihre eigenen Freiheiten mehr als die Persönlichkeitsrechte anderer Personen und missachten, dass diese Aufnahmen ohne deren Einwilligung gemacht werden. Hierzu zeigt Twitter-Nutzerin @immer_neben_dir auf:
Die #Upskirting -Debatte zeigt, wie viel in unserer Gesellschaft teilweise noch (über)sexualisiert wird und wie viele sexuell grenzverletzendes Verhalten und Belästigung als ein Freiheitsrecht ansehen.
— Schlussgedanke (@Immer_neben_dir) 4. Juli 2020
Twitter-Nutzerin @Flusswoelfin geht konkret auf die Frage der Einwilligung bzw. Zustimmung Betroffener ein, auf der das Gesetz stark basiert:
“Heuliheul, Frauen zeigen ständig ihre Titten,aber #Upskirting soll jetzt schlimm sein”
Ja Johannes. Wenn Menschen ihren Körper freiwillig zeigen, ist das völlig okay. Das entscheiden sie ja selbst.
Wenn dir unfreiwillig unter die Kleidung fotografiert wird,ist das nicht okay ?— Rae ? (@Flusswoelfin) 3. Juli 2020
Und obwohl die Neuigkeiten zum Gesetz überwiegend begrüßt und positiv kommentiert wurden, teilten einige Nutzerinnen und Nutzer, wie Kathrin Weßling ihren Missmut darüber, dass so viel Zeit vergehen musste, bis ein derartiges Gesetz verabschiedet wurde:
Kann verstehen, dass alle happy sind, dass #Upskirting jetzt eine Straftat ist. Aber dass wir das erst 2020 hinkriegen fuckt mich dermaßen ab und zeigt so eindrucksvoll, wie viel Rechte von Frauen wert sind, wenn es Jahrzehnte braucht, um so etwas unter Strafe zu stellen.
— Kathrin Weßling (@ohhellokathrina) 3. Juli 2020
Upskirting ist in den meisten Ländern der Welt offiziell noch immer keine Straftat.