Pakistan will strengere Strafen für Vergewaltigungen umsetzen – darunter chemische Kastration

Pakistani women perform Aur Woh Rapist Ho Tum (The rapist is you) song. Screenshot from YouTube Video by Aurat March.

Pakistanische Frauen führen das Lied „Aur Woh Rapist Ho Tum“ („Du bist der Vergewaltiger“) auf. Screenshot von YouTube, von Aurat March.

Die pakistanische Regierung hat am 24. November strengere Gesetze gegen sexuelle Übergriffe im Grundsatz bestätigt, darunter auch chemische Kastration für Wiederholungstäter.

Die beiden Gesetze Anti-Rape (Investigation and Trial) Ordinance 2020 (in etwa: Anti-Vergewaltigungsverfügung 2020 (Untersuchung und Gerichtsverfahren)) und Penal Code (Amendment) Ordinance 2020 (in etwa: Strafcodeverfügung (Zusatz) 2020) wurden vom pakistanischen Bundeskabinett genehmigt und müssen noch von Präsident Arif Alvi bestätigt werden.

Diese Verordnungen sind breit gefächert und behandeln mehrere Aspekte des Strafprozesses, darunter auch die Rolle von Frauen im Polizeiwesen, Maßnahmen, um Vergewaltigungsfälle prioritär und schneller aufarbeiten zu können, Opfer- und Zeug*innenschutz sowie die Einführung einer nationalen Datenbank für Sexualstraftäter.

Ein Aspekt, der hervorsticht, ist die Ausweitung der rechtlichen Definition von Vergewaltigung. Derzeit liegt gemäß pakistanischem Strafgesetzbuch dann eine Vergewaltigung vor, „wenn eine Frau unter 15 Jahren Sex hat, mit oder ohne Einwilligung“. Die Abänderung schließt Frauen allen Alters sowie Männer unter 18 Jahren ein und Wörter wie „transgender“ und „Gruppenvergewaltigung“ werden ebenso behandelt.

Die Zwei-Finger-Methode zur Feststellung der Jungfräulichkeit, welche in Pakistan in rechtsmedizinischen Untersuchungen häufig verwendet wird, um zu bestimmen, ob eine Vergewaltigung stattgefunden hat, wird mit den neuen Gesetzen verboten.

Die Gesetzesänderung wurde vor dem Hintergrund der in den letzten drei Jahren immer wiederkehrenden Massenproteste gegen geschlechtsspezifische Gewalt beschlossen und wurde auch durch die teilweise stark in den Medien präsenten Vergewaltigungsfälle angestoßen, wie die Vergewaltigung und Ermordung eines siebenjährigen Mädchens in der Nähe von Lahore im Jahr 2018 oder auch die Vergewaltigung einer Mutter zweier Kinder im September letzten Jahres, nachdem sie mit ihrem Auto auf einer Autobahn zum Stehen gekommen war.

Die neuen Gesetze schreiben die Todesstrafe durch Erhängen sowie erhöhte Gefängnisstrafen für verurteilte Vergewaltiger vor. Der umstrittenste Punkt der neuen Gesetze bleibt jedoch die chemische Kastration bei Sexualstraftätern, die nur durchgeführt wird, wenn das Einverständnis des Täters vorliegt.

In Pakistan gab es diesbezüglich gemischte Reaktionen.

Aktivist*innen für Frauen- und Kinderrechte sowie religiöse Führer kritisierten die Einführung der chemischen Kastration. Nabila Feroz Bhatti, eine Leiterin des Child Rights Movement (in etwa: Bewegung für Kinderrechte) in Punjab, erzählte der Nachrichtenorganisation Union of Catholic Asian News (in etwa: Union für katholisch-asiatische Nachrichten):

Conviction is required before implementation of the punishment. We need to strengthen the systems like police investigation, medical process and judiciary. Our problem is not of punishment but of conviction. At least 97 percent of rape accused in the country never get convicted because of the flaws in the system.

Vor Umsetzung der Strafe ist eine Verurteilung erforderlich. Wir müssen die Systeme stärken, zum Beispiel Polizeiuntersuchungen, medizinische Prozesse und die Justiz. Unser Problem sind nicht die Strafen, sondern die Verurteilungen. Mindestens 97 Prozent jener, denen Vergewaltigung vorgeworfen wird, werden aufgrund der Fehler im System nie verurteilt.

Twitternutzerin Maheen Agha sagte, sie steht hinter den chemischen Kastrationen als Strafe für Vergewaltiger:

Die chemische Kastration als Strafe für Vergewaltiger wurde vom Bundeskabinett von Pakistan und vom Premierminister genehmigt. Das ist ein großer Erfolg. Drücken wir die Daumen, dass es auch umgesetzt wird.

Der Journalist Zarrar Khuhro meinte dazu:

Chemische Kastration sorgt weltweit immer wieder für Diskussionen und wird in manchen Ländern und US-Staaten auch tatsächlich eingesetzt. Niemand sagt, dass es sich hier um ein Allheilmittel handelt und natürlich sind ganzheitlichere Maßnahmen notwendig. Ich denke aber doch, dass diese Verordnung (ich würde gerne sehen, dass sie vom Parlament beschlossen wird) grundsätzlich gut ist.

Reema Omer, eine juristische Beraterin für die International Commission of Jurists (in etwa: Internationale Jurist*innenkommission), stellt sich gegen diese Art der exemplarischen Bestrafung. In einem Tweet teilte sie mit:

Es ist sehr bedauerlich, dass die Regierung diese „Bestrafung“ der chemischen Kastration für wiederholte Sexualstraftäter weiter vorantreibt.

Abgesehen von den Bedenken hinsichtlich der Rechte zeigt sich hier, dass das Verständnis dafür fehlt, was die chemische Kastration alles mit sich bringt, und dass sie Vergewaltigung – hauptsächlich eine Straftat, die mit Macht zu tun hat – auf eine Straftat, die mit Lust zu tun hat, reduziert.

Die Entwicklerin Rabia Aslam äußerte in einem Leitartikel in dem pakistanischen Nachrichtenmagazin The Nation ihre Bedenken hinsichtlich chemischer Kastration:

A person who rapes is called a rapist because of his imbalanced hormones and frustration. If he goes through chemical castration, he would probably hate women, even more, considering the gender as the cause of his shame. Ultimately, the rapist can even murder a woman. The chronological order of transforming a rapist into a murderer could become a pattern.

Eine Person, die jemanden vergewaltigt, wird aufgrund unausgeglichener Hormone und Frust Vergewaltiger genannt. Wenn eine solche Person nun chemisch kastriert wird, wird sie Frauen vermutlich noch mehr hassen, da das gesamte Geschlecht als Ursache dieser Schmach angesehen wird. Letztendlich kann ein Vergewaltiger auch eine Frau ermorden. Die Chronologie, dass ein Vergewaltiger zum Mörder wird, könnte sogar ein Muster werden.

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