Hochwertige Schokolade könnte Haiti dabei helfen, die verheerende Abholzung seiner Wälder zu stoppen

Foto von Nick Hobgood. CC-BY-NC-SA 2.0

Trocknen der Kakaobohnen in Grande-Riviere-du Nord. Foto von Nick Hobgood. CC 2.0.

Dieser Beitrag von Meg Wilcox wurde ursprünglich bei Ensia.com veröffentlicht, einer Zeitschrift, die sich mit internationalen Umweltlösungen befasst. Der Beitrag wurde hier im Rahmen einer Vereinbarung über das Teilen von Inhalten erneut veröffentlicht.

Als ein kleiner Schokoladenhersteller bei den diesjährigen “International Chocolate Awards” in Quebec den goldenen Preis für eine Tafel Schokolade aus Haiti gewann, erschütterte das die Welt der Schokoladenspezialisten. Die Kakaobohnen waren seit weniger als einem Jahr auf dem Markt und keine haitianische Tafel Schokolade hatte jemals diesen Preis gewonnen.

Weniger als 1 Prozent des weltweiten Kakaobohnenanbaus stammt aus Haiti. Nun beabsichtigen die Akteure der Kakaoindustrie, die Aufmerksamkeit von hochwertigen Schokoladenherstellern auf die karibische Nation zu lenken und damit gleichzeitig einigen der ärmsten Bauern dieser Welt ein besseres Leben zu bieten. Darüber hinaus werden hierdurch die Ursachen bekämpft, die Haiti in eine nahezu mondähnliche Landschaft verwandelt haben. Unheimliche 98 Prozent aller Wälder wurden abgeholzt und hinterließen in Haiti ein ökologisches Chaos, welches anfällig ist für verheerende Überschwemmungen und Schlammlawinen.

Die Bemühungen, arme Kakao-Bauern in Haiti mit Verbrauchern in Kontakt zu bringen, die bereit sind, mehr als 8 US-Dollar (7,40 Euro) für eine Tafel Schokolade zu bezahlen, sind Teil einer viel breiteren Bewegung innerhalb der Entwicklungsgemeinschaft. Diese Bewegung zielt darauf ab, weltweite Armut zu bekämpfen und natürliche Ressourcen durch den Zugang zu solchen Spezialitätenmärkten zu schützen.

Aber können diese Anstrengungen wirklich einen Unterschied im Kampf gegen einige der wichtigsten Triebkräfte der Umweltzerstörung machen? Und können sie das in einer Größenordnung erreichen, die die angeschlagene Wirtschaft der ländlichen Gebiete tatsächlich verwandelt?

Wiederaufforstung Haitis mit Baumkulturen

Erschreckende große Armut ist eine der grundlegenden Ursachen für die Zerstörung der Wälder Haitis. Im Jahr 2015 betrug das Pro-Kopf-Einkommen gerade mal 828 US-Dollar (763 Euro). Dazu kommt, dass zwei Drittel der haitianischen Einwohner Kleinbauern sind, die nur für den Eigenbedarf produzieren. Die überwiegende Mehrheit kocht ihr Essen mit Holzkohle. Die Herstellung der Holzkohle führt zu einer verstärkten Abholzung der Wälder, die wiederum zu Bodenerosion, Verlust von landwirtschaftlichen Nutzflächen und einem Teufelskreis der Armut führt.

Schätzungsweise 50 Prozent des haitianischen Mutterbodens wurden weggespült, wodurch Haitis Ackerland zerstört wurde. Dies trug zusätzlich zu einem Ernteverlust bei, der in einigen Teilen des Landes aufgrund der extremen Trockenheit in diesem Jahr bis zu 70 Prozent erreichte.

Kakao ist eine Baumfrucht, die sehr gut in agroforstlichen Systemen wächst. Aus diesem Grund sagt Ralph Denize von FOMIN (ein multilateraler Investitionsfond): “Kakao ist einer der besten Früchte, den man zur Aufforstung eines Landes benutzen kann.”

“Solange der Markt stabil bleibt und die Bauern sich darauf verlassen können, bleiben diese Bäume mindestens 40 Jahre lang im Boden”, fügte die Gründerin von ‘Uncommon Cacao’ (ungewöhnlicher Kakao), Emily Stone, hinzu.

In zwei Regionen Haitis ernten ungefähr 20.000 Kleinbauern Kakao als Marktfrucht in ihren sogenannten “kreolischen Gärten”. Die Bezeichnung “Garten” ist jedoch irreführend, denn diese dicht ineinander verschlungene Vegetation, die im Durchschnitt einen halben Hektar bedeckt, bildet ganze Mini-Wälder. Die größeren Kokosnuss-, Brotfrucht-, Mango- und Avocado-Bäume überragen die kleineren Kakao-Bäume, spenden ihnen Schatten, liefern den Bauern Nahrung und bilden einen Lebensraum für Vögel und andere Tiere.

Kakao-Farmen sind tatsächlich einige der wenigen Orte in Haiti an denen Bäume stehen, sagt Patrick Dessources von Root Capital, einem Unternehmen, das kleine landwirtschaftliche Betriebe in Partnerschaft mit FOMIN und anderen Gruppen finanziert, um Haitis Kakao-Industrie aufzubauen.

Haiti exportiert derzeit 4.000 Tonnen Kakao pro Jahr, was weit unter dem Höchststand von 20.000 Tonnen in den 1960er Jahren liegt und weit weniger ist als die 70.000 Tonnen, die die benachbarte Dominikanische Republik 2014 exportierte.

Wiederbelebung des haitianischen Kakaosektors

Die Wiederbelebung von Haitis Kakaoindustrie kann dabei helfen, das Land wieder aufzuforsten. Entscheidend hierfür ist es jedoch, die Produktionskapazität für hochwertige fermentierte Kakaobohnen auszubauen, da diese von den Herstellern von spezieller und dunkler Schokolade, wie zum Beispiel dem Sieger der diesjährigen Auszeichnung Palette de Bine, benötigt werden. Mit diesen Bohnen erzielen die Bauern höhere Preise, von denen sie besser leben können.

Wie Denize es ausdrückt: “Von nicht fermentierten zu fermentierten Kakao zu wechseln behält den Mehrwert im eigenen Land.”

Gegenwärtig werden über 90 Prozent der haitischen Kakaobohnen in ihrem rohen, unbearbeiteten Zustand für die Massenproduktion verkauft und exportiert, weil die Bauern kaum Möglichkeiten zur Fermentierung ihrer Bohnen haben. Zur Zeit gibt es in dem Land nur drei Fermentierungseinrichtungen.

Eine dieser Einrichtungen ist Produits de Iles S.A (PISA), welche die fermentierten Bohnen für die preisgekrönte Schokolade von Palette de Bines herstellte. PISA erhält die Kakaobohnen von über 1500 kleinen Familienbetrieben, die in den Ausläufern des Massif de Nord Gebirges leben.

PISA zahlt den Bauern den doppelten Preis, den sie für rohe Bohnen erhalten. Das motiviert sie, ihre Bäume vor dem Markt für Holzkohle zu schützen. Pierre Daniel Phelizor, der seit 15 Jahren Kakao anbaut, sagt beispielsweise, dass er jetzt “richtige Geschäfte” mit seinen Bäumen macht, nachdem er begonnen hat, an PISA zu verkaufen. Darüber hinaus unterhält Phelizor eine kleine Gärtnerei, aus der er Kakao-, Brotfrucht- und Mango-Bäume an andere Kakao-Bauern verkauft.

Einer von PISAs Hauptabnehmern ist Taza Chocolate, der erste US-amerikanische Feinkostschokoladenhersteller, der in Haiti kaufte, und dies nicht aus reiner Nächstenliebe tat, sondern aufgrund der Qualität des haitianischen Kakaos. “Wir wissen, dass wir ein gutes Produkt haben – alte Vielfalt, gutes Terroir und standardmäßig organisch,” sagte Jesse Last, Tazas Chef-Einkäufer. “Die Leute werden sich in diesen Geschmack verlieben und wir hoffen, dass Haiti davon profitieren wird, wenn das Land als eine Quelle für Schokolade bester Qualität bekannt wird.” Taza vertreibt die Schokolade, die es in diesem Jahr zu produzieren begann, zusammen mit ‘Whole Foods’.

Martkerweiterung

PISA benötigt noch mehr Kunden wie Taza, um das Geschäft sowie die ökologischen und sozialen Auswirkungen zu erweitern. Gilbert Gonzales, der haitianische Unternehmer, der Pisa vor vier Jahren als eine Tochtergesellschaft der haitianischen Agro-industriellen Gesellschaft REBO gegründet hatte, schätzt, dass PISAs Exporte dieses Jahr 160 Tonnen erreichen werden, was einen kleinen Teil der Gesamtkapazität des Landes ausmacht.

Stone, der PISAs hochwertige Kakaobohnen bei Palette de Bine eingeführt hatte, sagte, dass dies bereits geschehen ist.

“Wir sind mit viel größeren Chocolatiers im Gespräch, die sich möglicherweise nicht auf der Hershey-Ebene (amerikanischer Schokoladenhersteller) befinden, die jedoch wesentlich mehr Kaufkraft als die Feinkosthersteller von Schokolade haben,” sagte sie. Dandelion-, Raaka- und Valrhona-Schokolade sind einige davon.

Laut Stone entfallen auf den Feinkostschokoladenmarkt weltweit weniger als 1 Prozent der geschäzten 98,3 Milliarden US Dollar der Schokoladenindustrie. Winzig – aber am Wachsen. ‘Uncommon Cacao’ zum Beispiel ist im Verkauf von 6 Tonnen aus 1 Land in 2011 auf mehr als 200 Tonnen aus 5 Ländern in 2016 gewachsen und von lediglich 2 Käufern in 2011 auf über 90 in 2016.

Langfristig könnten die Kohlenstoffmärkte die agroforstlichen Systeme für Kakao in Haiti erweitern, sagt Elizabeth Teague von ‘Root Capital’. Der Livelihood Carbon Fund erhebt zum Beispiel Kapital von Investoren, die Emissionsgutschriften durch den Sauberen-Entwicklungs-Mechanismus (Clean Development Mechanism) oder den Verified Carbon Standard der Vereinten Nationen verdienen.

Der Fond trägt dazu bei, ein großes Aufforstungsprojekt von über 4.000 Hektar in Guatemala zu finanzieren, durch welches 5 Millionen Bäume gepflanzt werden sollen – darunter Zitrus-, Kaffee-, Kardamon- und Kakao-Bäume. Das Projekt beabsichtigt 2 Millionen Tonnen von Kohlendioxid zu binden und für die Kleinbauern eine nachhaltige Lebensgrundlage zu schaffen.

Pur Projet in Peru bietet ein anderes Modell. Die Initiative, die 2008 von einem der Gründer von Alter Eco gegründet wurde, arbeitet daran, die am meisten entwaldete Region Perus im Herzen des Anden-Amazonas Gebiets wiederherzustellen. Fast 10.000 kleine Kaffee- und Kakao-Bauern aus 21 Gemeinden engagieren sich für dieses Projekt, das bis dato knapp 400.000 Hektar aufgeforstet hat – eine Fläche, die größer ist als der US-amerikanische Bundesstaat Rhode Island.

Das ‘Pur Projekt’ wurde sowohl von dem ‘Carbon Standard’ als auch den Standards der Climate, Community & Biodiversity Alliance für den CO2-Offset-Markt überprüft. Die Projektpartner sind dabei, fast 2 Millionen Hektar Land, darunter sowohl aufgeforstete als auch umliegende Wälder, als Biosphärenreservat bei UNESCO zu registrieren. Diese Registrierung hilft, den Wald vor Entwicklungsdruck zu schützen und wird sicherstellen, dass das Gebiet eine Kohlenstoffsenke bleibt.

Derzeit gibt es nur wenige solcher Initiativen, sagt Teague, weil “die Kohlenstoffmärkte als unzuverlässig angesehen werden”. Jedoch haben mehrere größere Initiativen der Landwiederbelebung, die Agroforstwirtschaft als eine erstklassige Lösung betrachten, seit COP 21 an Boden gewonnen. Die Initiative 20×20 beabsichtigt beispielsweise bis 2020 20 Millionen Hektar degradierter Gebiete in Südamerika wieder aufzuforsten und betrachtet die Agroforstwirtschaft als einen wichtigen Ansatz.

Entwaldung in Haiti stoppen

Aber der Aufbau von Haitis Kakaoindustrie wird nicht ausreichen, die Abholzung zu stoppen. Die Einwohner benötigen Zugang zu alternativen bezahlbaren Brennstoffen wie Propan- oder Solar-Öfen.

Juan Mejia, ein Co-Direktor von Death by a Thousand Cuts (Tod durch Tausend Schnitte), ein Dokumentarfilm von 2016 über einen brutalen Mord im Zusammenhang mit dem Holzkohle-Handel, sagte, was die Regierung der Dominikanischen Republik in den 1960er und 1970er Jahren unternahm, sollte man auch in Haiti tun. Er sagte jedoch, “die Regierung muss in einen umfassenden Plan eingebunden werden. Es darf keine Hand voll Hilfsgruppen sein, die getrennt voneinander arbeiten.”

Letztlich benötigen die Haitianer wirtschaftliche Chancen. “Keinem gefällt der Holzkohlehandel,” sagt Mejia. “Es ist harte Arbeit für sehr wenig Geld. Die Leute sagen, ‘das macht man nur dann, wenn man nicht stehlen will’.”

Der Wiederaufbau von Haitis Kakaosektor und im weiteren Sinne seiner landwirtschaftlichen Kapazität kann dabei helfen, diese wirtschaftlichen Chancen zu liefern, die gleichzeitig der Umwelt zugute kommen.

“Ich glaube, dass ein richtiger Marktzugang für eine nachhaltige Kakaoproduktion die Volkswirtschaft auf ganzer Linie verändern kann,” sagt Stone. “Wir sehen, wie mehr und mehr Märkte sowie kleine und große Chocolatiers sich überlegen, wie ihre Kakao-Lieferkette funktioniert und, dass sie tiefgreifender über diese Frage nachdenken.”

Außderm fügt Teague hinzu: “wir wissen, dass agroforstliche Landwirtschaft beim Klimawandel helfen kann, dass es einen Lebensraum für die lokale Artenvielfalt bietet, den Boden konserviert und sicherstellen kann, dass die Bäume ein Teil der Landschaft bleiben. Aber wie kann man erwarten, dass ein Bauer, der von weniger als 2 Dollar pro Tag lebt, diese Arbeit auf sich nehmen kann? Als ein Teil der Lieferkette und als Verbraucher müssen wir eine nachhaltige Produktion unterstützen, wenn wir das Abholzen der Wälder und den Klimawandel aufhalten wollen.”

Meg Wilcox ist Leiterin der Kommunikationsabteilung bei Ceres, einer Non-Profit Gruppe, die Unternehmen mobilisiert, die die Führung bei Fragen in Sachen Klimawandel und den Herausforderungen globaler Nachhaltigkeit zu übernehmen. Zuvor arbeitete sie im Gesundheitswesen und im Bereich der nachhaltigen Landwirtschaft in Lateinamerika. Ihre Artikel erschienen unter anderem im Boston Globe, bei National Geographic Voices, GreenBiz und New Solutions.

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