[Alle Links führen, sofern nicht anders gekennzeichnet, zu englischsprachigen Seiten.]
In Saudi-Arabien ist es Frauen nicht erlaubt, Auto zu fahren. Während mehr als 11.000 Frauen dem Verbot mit einer Petition entgegentreten, hat ein Geistlicher endlich eine wissenschaftliche Erklärung dazu geliefert, warum es für Frauen wirklich besser sei, das Autofahren zu lassen. In einem Interview mit der saudischen Online-Zeitung Sabq hat Sheikh Saleh al-Lehaydan, ein juristischer und psychologischer Berater für die “Gulf Psychological Association”, neue außerordentliche wissenschaftliche Fakten enthüllt [ar]:
وتابع: “إلى جانب أن المرأة إذا قادت السيارة لغير الضرورة – كما تقدم – قد يؤثر ذلك عكسياً على الناحية الفسيولوجية؛ فإن علم الطب الوظيفي الفسيولوجي قد درس هذه الناحية بأنه يؤثر تلقائياً على المبايض، ويؤثر على دفع الحوض إلى أعلى؛ لذلك نجد غالب اللاتي يقدن السيارات بشكل مستمر يأتي أطفالهن مصابين بنوع من الخلل الإكلينيكي المتفاوت لدرجات عدة”.
Er fügte hinzu: “zusätzlich, wenn Frauen fahren würden, ohne dass eine Notwendigkeit dazu besteht, würde dies möglicherweise ihre Physiologie negativ beeinflussen; in der Wissenschaft der funktionalen Physiologie wurde dieses Problem untersucht und herausgefunden, dass die Eierstöcke dabei spontan beeinflusst werden und das Becken nach oben verschoben wird; somit haben wir herausgefunden, dass die meisten derjenigen, die dauerhaft Autofahren, Kinder mit klinischen Fehlfunktionen unterschiedlichen Grades zur Welt bringen.”
Sheikh Lehaydans Ankündigung kommt zu einem unglaublich treffenden Zeitpunkt: Saudische Frauenrechtler setzen sich dafür ein, dass der 26. Oktober zu einem Tag wird, an dem Frauen Auto fahren. Seine Warnung, die Frauen dazu ermahnt, zu “warten und die negativen Seiten” einer solch empfindlichen Aktivität zu betrachten, wird von den Bedenken anderer saudischer Bürger ergänzt, die sich mit dem Thema befassen [ar]:
من يطالبون بمظاهرة #قيادة_المرأة قوم رضعوا لَبن الغرب في صغرهم ونبتت شحوم ظهورهم منه في كبرهم فاتبعوا سننهم لأمركة مجتمعنا #قيادة_26اكتوبر
— محمد الشنار (@mshanarm) September 26, 2013
All diejenigen, die zu dem Protest der autofahrenden Frauen am 26. Oktober aufrufen, sind eine Sippe, die vom Westen an der Brust gestillt wurde und von dieser Milch sind sie groß und fett geworden. Jetzt folgen sie dem Westen und versuchen, unsere Gesellschaft zu amerikanisieren.
‘Fremde Hände[, die ihre Finger im Spiel haben’], ein beliebter Refrain im Mittleren Osten, wenn es darum geht, Verletzungen gegen institutionalisierte Menschenrechte anzuprangern, sind nicht die einzigen, die beschuldigt werden, eine gefährliche Opposition gegen ein langlebiges Verbot zu schüren:
سبحان من جمع بنو علمان والرافضة في خندق واحد يدعون الى قيادة المرأة للسيارة وهذا دليل على أن هذا الامر مخطط له وتدعمه دول #قيادة_26اكتوبر
— ابو زيد السعيدي (@Salem1213Salem) September 22, 2013
Gott ist groß, die Säkularen und die Schia stecken unter einer Decke, wenn sie Frauen zum Autofahren aufrufen. Dies beweist, dass diese Sache geplant ist und unterstützt wird von anderen Nationen.
Eman al-Nafjan twittert ein Bild der nahenden Apokalypse:
Some Saudi misogynist made this poster on how women driving will lead to communism, drugs, liberalism… pic.twitter.com/xjBe44oObr
— Eman Al Nafjan (@Saudiwoman) September 27, 2013
Einige saudische Frauenfeinde haben dieses Poster gemacht, um zu zeigen, wie das Autofahren von Frauen zu Kommunismus, Drogen, Liberalismus…führen wird.
(Der Slogan besagt: “Sie möchten, dass sie fährt, um sie zu steuern.”)
Sheikh al-Lehaydans bahnbrechende wissenschaftliche Entdeckung konnte nicht unbemerkt bleiben. Ein Hashtag auf Twitter, #قيادة_المرأة_تؤثر_على_المبايض_والحوض, der übersetzt soviel bedeutet wie, “das Autofahren von Frauen hat Auswirkungen auf Eierstöcke und Becken”, hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet und eine Welle von Reaktionen auf al-Lehaydans wissenschaftliche Erkenntnis ausgelöst:
What a mentality we have :/ People went to space and you still ban women from driving Idiots #قيادة_المرأة_تؤثر_على_المبايض_والحوض
— Mido Katouah (@Mido_katouah) September 28, 2013
Was haben wir bloß für eine Mentalität:/ Menschen waren im Weltall und ihr verbietet den Frauen immer noch das Autofahren, ihr Idioten
When idiocy marries dogma in the chapel of medieval traditions, this is their prodigal child. #قيادة_المرأة_تؤثر_على_المبايض_والحوض
— Shamael Al-Sharikh (@Shamael3) September 28, 2013
Wenn sich Idotie und Dogma in der Kapelle mittelalterlicher Traditionen miteinander vermählen, so ist dies ihr verlorenes Kind.
at times like this i understand why people commit suicide #قيادة_المرأة_تؤثر_على_المبايض_والحوض
— #ياثورة _ما_تمت (@Ayasettawi) September 28, 2013
In Zeiten wie diesen verstehe ich, warum Menschen Selbstmord begehen.
Please respect our minds If u don't want us to drive at least come up with good reasonable excuse #قيادة_المرأة_تؤثر_على_المبايض_والحوض
— 7oor (@Owiwi_Hoor) September 27, 2013
Bitte respektiert unsere Intelligenz, wenn ihr schon nicht wollt, dass wir Auto fahren, dann bietet uns wenigstens eine gute und vernünftige Entschuldigung.
Solche Aussagen lösen nicht nur unter Frauen einen Sturm der Entrüstung, gepaart mit beißendem Sarkasmus, aus:
After long clinical/psychological trials, scholars discovered why women can't parallel park..ovaries. #قيادة_المرأة_تؤثر_على_المبايض_والحوض
— Mohammed AlMuharraqi (@MohdMuharraqi) September 28, 2013
Nach langen klinischen/psychologischen Versuchsreihen haben Wissenschaftler entdeckt, warum Frauen nicht parallel einparken können…die Eierstöcke sind schuld.
@Saudiwoman أي كلام هذا؟ سألت طبيبة عن ما قاله اللحيدان الرد كان: “أي جهل هذا؟ كلام لا علاقة له بالطب لا من قريب ولا من بعيد”
— Majid Al-Ayed (@BinAyed70) September 28, 2013
Was ist das? Ich habe mit meiner Ärztin gesprochen und sie sagte: “Was ist das nur für eine Ignoranz? Diese Behauptungen haben nichts mit Medizin zu tun, unter welchem Blickwinkel man es auch betrachtet!”
Saudi Cleric Says Crazy Shit #NotNews
— Ahmed Al Omran (@ahmed) September 27, 2013
Saudischer Geistlicher redet verrücktes Zeug.
Der renommierte (männliche) Wissenschaftler und Religionskritiker Richard Dawkins beobachtete:
Why shouldn't Saudi women drive? Driving damages their ovaries and pelvis. http://t.co/r1BnHWrLDC Oh I SEE, it's not religion but SCIENCE.
— Richard Dawkins (@RichardDawkins) September 28, 2013
Warum sollten saudische Frauen nicht Auto fahren? Autofahren schädigt ihre Eierstöcke und das Becken. Oh, ich VERSTEHE, es ist nicht Religion sondern WISSENSCHAFT.
Worauf @Seeektrooof auf Twitter kommentierte:
@RichardDawkins This is how they figure it out. pic.twitter.com/rWrxPQ2FkI
— Truth Seeker (@Seeektrooof) September 28, 2013
So haben sie es herausgefunden.
Vom Sarkasmus einmal abgesehen, ist das Anfechten des Fahrverbots in Saudi-Arabien ein langwieriger Kampf. In der Tat hat der erste Protest gegen das Verbot bereits im November 1990 stattgefunden, als 47 Frauen durch die saudische Hauptstadt Riad fuhren. Sie wurden nicht nur festgenommen, sondern viele von ihnen erhielten weitere Strafen, indem ihnen ein Reiseverbot auferlegt wurde und sie von ihrer Arbeit suspendiert wurden. Der Mai 2011 wurde zum Schwellenpunkt der Protestbewegung gegen das Fahrverbot im Königreich, als die saudische Frauenrechtlerin Manal al-Sharif festgenommen wurde. Sie hatte ein Video auf YouTube hochgeladen, welches sie beim Autofahren zeigte. Sie musste für mehr als eine Woche ins Gefängnis und wurde zu einer Heldin für viele Frauen in Saudi-Arabien und im ganzen Nahen Osten. Im Juni 2011 sind viele saudische Frauen im Königreich dem Beispiel Manal al-Sharifs gefolgt. Sie nahmen an der Kampagne “Women2Drive” teil, indem sie dem Verbot trotzten und durch die Straßen fuhren.
Tatsächlich ist es so, dass nirgends in der offiziellen Gesetzgebung des Königreichs geschrieben steht, dass Frauen nicht fahren dürfen. Darüberhinaus sagte auch der Chef der saudi-arabischen Religionspolizei, dass es in der “islamischen Scharia keine Textstelle gibt, die den Frauen das Fahren verbietet”. Er betont, dass seit er an der Spitze des “Kommitees für die Verbreitung von Werten und die Prävention von Untugenden” stehe, die Religionspolizei keine autofahrenden Frauen verfolgt oder gestoppt habe. Das Verbot basiert demnach ausschließlich auf den konservativen Sitten des Landes.
Die Mobilisierung zu einer Umkehr des oppressiven Verbots ist seitdem stetig gewachsen und mutige Aktionen zivilen Ungehorsams haben sich vervielfacht. Zusammen mit deutlichen Stellungsnahmen in Saudi-Arabiens Massenmedien hat die Kampagne zum 26. Oktober unglaubliche Unterstützung von vielen prominenten Personen des öffentlichen Lebens erhalten. Die bemerkenswerte Madeha Al-Ajroush, die sowohl 1990 als auch im Juni 2011 gefahren ist, sagt:
Yes, i will drive again on October 26 #قيادة_26اكتوبر
— madeha al ajroush (@madehaAlajrous) September 21, 2013
Ja, ich werde am 26. Oktober wieder fahren.
Mit dem Twitter-Hashtag #أنا_رجل_مؤيد (“Ich bin ein männlicher Unterstützer”) haben auch Männer begonnen, öffentlich ihre Unterstützung zu zeigen:
#أنا_رجل_مؤيد #قيادة_26اكتوبر #غرد_بصورة pic.twitter.com/K3QcZfItuS
— منال مسعود الشريف (@manal_alsharif) September 27, 2013
#أنا_رجل_مؤيد #قيادة_26اكتوبر #غرد_بصورة pic.twitter.com/PWGOipPV2m
— منال مسعود الشريف (@manal_alsharif) September 27, 2013
Auf dem Schild, das der Mann hochhält, steht [ar]:
“Ich habe es satt, als Chauffeur für meine sechs Schwestern zu arbeiten.”
Wie es Manal al-Sharif ausdrückte, als sie beim Osloer Freiheitsforum für “kreativen Widerspruch” ausgezeichnet wurde: “Der Regen beginnt mit einem einzelnen Tropfen.” Es sieht so aus, als hinge der Himmel über Saudi-Arabien voller Wolken.
5 Kommentare
Und wieso sind Beifahrerinnen von diesen Verformungen nicht betroffen?
Ach du meine Güte, zum Glück will ich gar keine Kinder kriegen. Ups! Kommt im Patiarchat Saudi Arabiens wohl nicht gut an, dass ich ihnen keine Söhne gebären will aus meiner Ackerfurche. :/ Bitte sagt’s nicht weiter.
Es ist immer wieder erstaunlich (vielleicht passt auch “schamlos” besser) wie Geistliche plötzlich die Wissenschaft ins Spiel bringen, wenn es gerade passend erscheint. Ob das nun stimmt oder nicht ist dabei ja erstmal zweitrangig.
Sind die, die das Verbot auch mit Gewalt durchsetzen, nicht auch die, denen wir Demokratiepanzer verkaufen?