Ein Schuh für Premier Wen Jiabao entzündet den Zorn

Und wieder wurden Schuhe auf einen Politiker geworfen, aber diesmal nicht auf G. W. Bush.

Ein Schuh traf den chinesischen Premierminister Wen Jiabao während seiner Rede an der Universität von Cambridge, England. Sein Vortrag beschäftigte sich mit dem Aufbau harmonischer internationaler Beziehungen.

Der Protestierende warf einen Schuh auf Wen und schrie: “Wie kann die Universität sich so prostituieren und sich mit diesem Diktator einlassen? Wie können Sie diesen Lügen Gehör schenken?” und wurde sogleich von Sicherheitsleuten abgeführt. Die London Times beschrieb ihn als “jungen, westlich ausschauenden Mann mit dunklem Haar”, möglicherweise ein pro-tibetischer oder Menschenrechtsaktivist.

Wen Jiabao nahm seine Rede umgehend wieder auf und kommentierte den Zwischenfall: “Dieses verachtenswerte Verhalten kann der Freundschaft zwischen China und dem UK keinen Abbruch tun.”

Wen Jiabaos Rede in Cambridge ist Teil seines fünftätigen Europabesuchs. Die Reise ist als Anstrengung zu werten, die Beziehungen zu Europa, die durch die Aufstände in Tibet und die Proteste während des olympischen Fackellaufes belastet wurden, zu reparieren. Außerdem versucht China mit seinem nach wie vor stabilen und starken, wenn auch leicht gebremsten Wirtschaftswachstum seinen Einfluss in Zeiten der globalen Finanzkrise geltend zu machen und Freundschaft zu signalisieren.

Wens Vortrag ist auch ein Appell gegen protektionistische Tendenzen, die Chinas exportorientierte Wirtschaft hart treffen würden. Wen kritisierte die USA und einige Firmen, die er als Verursacher der Krise sieht, und beschuldigte sie eines unverantwortlichen und unmoralischen Handelns.

Frankreich steht nicht auf Wens Besuchsplan. Der franzöische Präsident Nicolas Sarkozy traf sich vergangenes Jahr mit dem Dalai Lama, was die Chinesen als besonders unfreundlichen Akt werteten.

Wens Reise wurde von Protesten begleitet, die sich meist am Thema Tibet entzündeten.

Sauer wegen des Schuhs

Im Unterschied zur amerikanischen Reaktion auf die Bloßstellung ihres früheren Präsidenten Bush im Irak scheint es, dass der Schuh, der Wen traf, tatsächlich einen Sturm der Entrüstung entfachte.

In Xiaonei, dem chinesischen Pendant zu Facebook, erschien kurz nach dem Zwischenfall ein Posting mit dem Titel “England, willst noch mitspielen?“. Es versammelt eine Reihe wütender Kommentare:

吕洋 Ivan, ein Xiaonei-User, schreibt:

操他妈的藏独个王八羔子,早知道今天没课跟丫们干仗去,看谁鞋多。别忘了砸布什的鞋都是made in china的.

Sch… Tibet-Separatisten, ich würde ja mit euch Idioten kämpfen, wenn ich gewusst hätte, dass ich heute frei habe. Schauen wir einmal, wer mehr Schuhe hat. Und vergesst ja nicht, dass die Schuhe, die auf Bush flogen, made in China sind!

In DWnews, einer unabhängigen News-Seite, kommentierte jemand, der sich offenbar an Bush erinnerte:

没有创意。

Nichts Neues.

Und ein anderer User setzte fort:

呼吁人肉搜索,把肇事者暴露出来!

Her mit einer Human-Flesh-Suchmaschine, finden wir ihn!

Auf Youtube erschienen eine Reihe von Kommentaren in Englisch und Chinesisch.

guanchyun applaudierte Wen:

没给中国人丢脸,牛

Kein Gesichtsverlust für China, cool!

qujiahe bemitleidet Wen:

这么慈祥一老头都被扔鞋,剑桥那哥们脑子坏了么

So ein freundlicher alter Mann wurde mit einem Schuh beworfen. Spinnt der Kerl in Cambridge?

ddream777 kommentierte auf Englisch:

Shame on this jerk. And it's such an ugly shame the Cambridge lecture hall is as sacred as a Baghdad tent.

Schande über diesen Kerl. Es ist schon eine Schande, dass der Saal in Cambridge so heilig wie ein Zelt in Baghdad ist.

siuhuen meinte:

Answer to your question – Cambridge Uni invited the Chinese PM.
Such a shame though – one student threw a shoe at the speaker just becoz he has a different political view, and the respect the entire world has for Cambridge Uni just came tumbling down.

Die Antwort auf deine Frage – die Uni Cambridge lud den chinesischen Premier ein. Ist schon eine Schande – ein Student warf einen Schuh auf den Sprecher, nur weil er eine andre politische Meinung vertritt, und der Respekt der ganzen Welt gegenüber der Universität Cambridge ist dahin.

Jianghua2 antwortete auf diesen Kommentar:

siuhuen, inviting Wen Jiabao to this university already lowered it s respect, come on CCP is known for it s genocide tendencies. Wen Jiabao and Hu Jintao are both responsible for crimes against Humanity in China and Tibet (if you believe is not part of China). So Campbridge lost all it s honor already!

siuhuen, allein die Tatsache, dass Wen Jiabao auf diese Universität eingeladen wurde, hat deren Ansehen schon geschadet! Die KP China ist ja bekannt für ihre Genozid-Tendenzen. Sowohl Wen Jiabao als auch Hu Jintao sind verantwortlich für Verbrechen gegen die Menschlichkeit in China und Tibet (falls du es nicht als Teil Chinas betrachtest). Cambridge hat seine Ehre also schon längst eingebüßt!

Und auch in Xiaonei sind nicht alle so entrüstet. User 张胜蓝 schreibt:

难道只能布什给人扔鞋子,轮到温家宝就气愤了?

Wieso sollen eigentlich nur auf Bush Schuhe fliegen? Wenn Wen an der Reihe ist, warum sind wir dann so zornig?

另外温家宝那番话讲得也太官话,这样都热烈鼓掌?怀疑剑桥里面都是些什么人……

Und Wens Antwort auf den Zwischenfall ist ein bisschen zu offiziell. Und da sollen wir applaudieren? Und was die Leute in Cambridge betrifft, bin ich nicht so sicher …

Trotz der Reaktionen auf den Schuh-Zwischenfall im Internet und in ausländischen Medien erwähnten die staatlichen chinesischen Medien den Zwischenfall mit keinem Wort. In deren Diskussionsforen und Blogs findet sich keine diesbezüglichen Meldungen. Es scheint, als wäre der Schuh in dieser harmonischen Welt nie geworfen worden.

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