Der syrische Zivilschutz, auch unter dem Namen “Weißhelme” bekannt, wurde für den Friedensnobelpreis nominiert. Der Organisation von Rettungskräften, die sich aus ungefähr 3000 freiwilligen Helfern zusammensetzt, wird zugeschrieben, über 56.000 Leben gerettet zu haben. Nun könnte sie für ihre Arbeit den weltweit anerkanntesten Friedenspreis erhalten.
In einem kürzlich von Public Radio International geführten Interview gab der 29-jährige Weißhelm Ishmael Alabdullah aus Aleppo ein Statement ab, welches als Leitsatz der Rettungsorganisation gedeutet werden könnte:
When you see human beings suffering, you need to do something to help them. I consider everyone who is staying in Aleppo, all of them, are heroes.
Wenn man Menschen in Not sieht, muss man etwas tun, um ihnen zu helfen.
All diejenigen, die in Aleppo bleiben, sind in meinen Augen Helden.
Auf ihrer Webseite erklären die Weißhelme, “was es erfordert, wenn man Leben retten will”:
Die Kampagne “Friedensnobelpreis für Weißhelme” wird von mehr als 120 Organisationen unterstützt. Zu den syrischen Organisationen zählen:
- die Gewaltfreie Bewegung in Syrien;
- Kesh Malek;
- Dawlaty;
- Women Now for Development;
- das syrische Zentrum für Medien und Meinungsfreiheit;
- die Vereinigte Medizinische Klinik in Ostghuta;
- das syrische Menschenrechtsnetzwerk;
- der Gemeinderat in Duma;
- das Medienzentrum in Homs;
- die Freie Union syrischer Rechtsanwälte;
- und Baytna Syria.
Zu den internationalen Organisationen zählen:
- die Asfari-Stiftung;
- Christian Aid;
- International Trade Union Confederation;
- Islamic Relief UK;
- Pax Christi in Flandern;
- Syrian American Medical Society;
- Ärzte der Welt UK;
- Mayday Rescue;
- das Montréal-Institut für Genozid- und Menschenrechtsforschung;
- Union of Medical Care and Relief Organizations;
- die Karam-Stiftung;
- Syria Relief and Development;
- und Bridge of Peace.
Die Weißhelme wurden unter anderem von Jo Cox nominiert, der Parlamentsabgeordneten der Labour-Partei in Großbritannien, die am 16. Juni 2016 von einem 52-jährigen Mann auf brutale Weise ermordet wurde. Nach ihrem Tod rief ihr Ehemann Brendan einen Gedächtnis-Fonds ins Leben, um Spenden für eine Auswahl von Zwecken zu sammeln, für die sich die verstorbene Abgeordnete eingesetzt hatte. Zu dieser Auswahl zählten:
- der Royal Voluntary Service – eine NGO, die Menschen höheren Alters unterstützt;
- HOPE Not Hate – eine Bewegung, die sich “für ein offenes, modernes Großbritannien einsetzt”;
- und, zu guter Letzt, die Weißhelme.
In nur fünf Tagen wurden dank über 41.000 Spendenbeiträgen 1,35 Millionen Pfund (ca. 1,6 Mio. Euro) zusammengetragen; das ursprüngliche Ziel von 1,5 Mio. Pfund (ca. 1,78 Mio. Euro) wurde seitdem übertroffen. Der Anführer der Weißhelme, Raed Saleh, überreichte der Familie von Cox sogar einen Weißhelm in Ehren – eine äußerst symbolische Geste, da dieser “in der Regel nur freiwilligen Helfern zusteht, die ihr Leben verloren haben, um syrische Zivilisten zu retten”. Zudem veröffentliche Saleh im Namen der Weißhelme folgendes Video:
Im März 2016 warf Amnesty International den Regierungen Syriens und Russlands vor, als Teil ihrer Kriegsstrategie Krankenhäuser zur Zielscheibe zu machen. Sie sollen “in den vergangenen drei Monaten systematisch und bewusst Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen angegriffen haben, um den Bodentruppen den Weg zum Norden Aleppos freizuräumen”. Im Juni desselben Jahres veröffentlichte Ben Taub für die Zeitung The New Yorker einen erschütternden Bericht über ein Phänomen, welches er als “die Schattenärzte” betitelte. In diesem schrieb er:
In the past five years, the Syrian government has assassinated, bombed, and tortured to death almost seven hundred medical personnel, according to Physicians for Human Rights, an organization that documents attacks on medical care in war zones. (Non-state actors, including ISIS, have killed twenty-seven.) Recent headlines announced the death of the last pediatrician in Aleppo, the last cardiologist in Hama. A United Nations commission concluded that “government forces deliberately target medical personnel to gain military advantage,” denying treatment to wounded fighters and civilians “as a matter of policy.”
In den vergangenen fünf Jahren hat die syrische Regierung bis zu 700 ärztliche Mitarbeiter ermorden, in die Luft sprengen und zu Tode foltern lassen. So lautet der Bericht der Physicians for Human Rights, einer Organisation, die Angriffe auf medizinische Versorgungseinrichtungen in Kriegsgebieten dokumentiert. (Nichtstaatliche Akteure, darunter auch der IS, haben 27 getötet). Vor kurzem machten die Tode des letzten Kinderarztes in Aleppo und des letzten Kardiologen in Hama Schlagzeilen. Eine UN-Kommission zog den Schluss, dass “Regierungstruppen es bewusst auf Ärzte abgesehen haben, um militärischen Nutzen daraus zu ziehen”. Dies hat zur Folge, dass verwundeten Kämpfern und Zivilisten “der Politik wegen” der Zugang zu medizinischer Behandlung verwehrt wird.
Seitdem wurden noch viele weitere Krankenhäuser in die Luft gesprengt. Schätzungen von Physicians for Human Rights zufolge wurden seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs mindestens 375 Anschläge auf medizinische Einrichtungen verzeichnet. Viele der Männer und Frauen, die die Verwundeten in provisorischen Krankenhäusern unter der Erde behandeln, bewältigen infolgedessen erst das erste Jahr ihres Medizinstudiums oder hatten gar keine medizinische Ausbildung.
Zudem besteht der Großteil der Ersthelfer der Weißhelme aus gewöhnlichen Bürgern – unter anderem aus Bäckern, Krankenpflegern, Malern und Schneidern. Aus diesem Grund wenden sich ihre Unterstützer mit einer Unterschriftenaktion an die Öffentlichkeit, mit der man sich für die Überreichung des Friedensnobelpreises 2016 an die Weißhelme aussprechen kann.