Darstellung erstellt durch Ameya Nagarajan für Global Voices mit Canva Pro.
“Where Are You REALLY From?” [dt. etwa “Wo kommst du WIRKLICH her?”] ist eine neue Podcast-Reihe von Global Voices, die aus einem Panel des 2024 Global Voices Summit in Nepal entstand, in dem Mitglieder der Community über ihre geteilten Erfahrungen hinsichtlich des Umgangs ihnen und ihrer vielfältigen und komplexen Herkunftsgeschichten gegenüber durch anderen Menschen und deren Wahrnehmung selbiger sprachen. In jeder Folge laden wir unsere Gäst*innen dazu ein, jene Annahmen, die hinter der Aussage “aber woher kommst du tatsächlich?” liegen, zu reflektieren und zu erzählen, wie sie darauf antworten.
Der Podcast wird moderiert von Akwe Amosu, die nach einer früheren Journalismuskarriere im Bereich der Menschenrechte arbeitet und auch als Coach und Dichterin tätig ist. Sie ist Co-Vorsitzende des Vorstands von Global Voices.
Das Transkript dieser Folge wurde im Sinne der Klarheit bearbeitet.
Akwe Amosu (AA): Hallo und herzlich willkommen zu “Where Are You Really From?”. Einem Podcast, der Identitäten erkundet. Ich bin Akwe Amosu und heute spreche ich mit Safa. Safa, warum fragen dich Menschen diese Frage?
Safa: Vielen Dank für die Einladung. Menschen fragen mich diese Frage, weil ich Palästinenserin bin, aber Diaspora Palästinenserin. Ich wurde nicht in Palästina geboren oder bin dort aufgewachsen, sondern in den USA und lebe nun in Europa. Deswegen fragen mich Menschen das oft, nehme ich an, weil sie merken, dass ich eine andere Herkunftsgeschichte habe.
AA: Und wie reagierst du darauf, wenn du diese Frage gestellt bekommst? Was für Gefühle löst das in dir aus?
Safa: Das kommt meist auf die Situation an. Aber oft fühle ich mich unsicher, weil sie typischerweise anfangen mit ‘oh, wo kommst du her?’ und ich antworte ihnen, und sie dann nochmal fragen ‘nein, aber, wo kommst du wirklich her?’ und es bedeutet, dass sie mit meiner Antwort nicht zufrieden waren. Das könnte vielleicht daran liegen, dass ich meine erste Antwort so gegeben habe, in etwa wie ‘oh ich komme aus der Gegend’ oder ‘ich bin von wo auch immer’, weil ich in gewisser Art und Weise die Situation eingeschätzt habe. Wenn ich beispielweise in der Kassenschlange im Supermarkt stehe und ich will eigentlich nur fertig sein und da raus? Ist das vielleicht ein unangenehmer oder unheimlicher Mensch, der mich angesprochen hat und ich will nur, dass das Gespräch so schnell wie möglich vorbei ist? Oder ist es ein sympatischer Mensch bei einer Party? Oder ich will es ihnen tatsächlich erzählen, will aber erst Mal die Lage ein bisschen sondieren, in dem ich etwas Kleines erzähle. Wenn sie diese Frage stellen, fühlt es sich deshalb aufdringlich an.
AA: Ist es ein Teil dieser Frage, preiszugeben, wer du bist, der sich für dich gefährlich anfühlt?
Safa: Ja. Ja, besonders als Palästinenserin. Mein ganzes Leben lang schon war es heikel, oder riskant, meine Identität preiszugeben, weil ich immer in Räumen gelebt habe, in denen Menschen mir gewisse Ideologien oder Beschreibungen zugewiesen haben, die vollkommen unpassend und tatsächlich ziemlich diskriminierend sind. Zum Beispiel, als ich Leuten in der Vergangenheit erzählt habe, “Oh, ich bin Palästinenserin”, sagte sie zu mir “ah, dann bist du also eine Terroristin” oder “oh, also bist du anti-semitisch”, was ich nicht bin. Absolut nicht. Ich bin keine dieser beiden Dinge und das Gleiche gilt auch für die meisten Palästinenser*innen, die ich jemals in meinem ganzen Leben kennengelernt habe. Dementsprechend fühlt es sich ziemlich gefährlich an [diese Frage gestellt zu bekommen], weil, wenn Menschen diese Ideen und Vorstellungen über dich im Kopf haben, dann ist das nicht nur beleidigend. Sie behandeln dich dann auch anders, wenn sie denken, dass du gefährlich sein könntest. Sie verhalten sich bedrohlich und manchmal mitunter potentiell gewalttätig. Deshalb ist es sehr beängstigend.

Safa. Verwendung mit Erlaubnis.
AA: Wie antwortest du dann für gewöhnlich, wenn du diese Frage gestellt bekommst?
Safa: Also wenn ich mich sicher fühle – sagen wir, ich bin auf einer Party und jemand trägt eine Kufiya, oder trägt Ohrringe mit einem Wassermelonenmotif oder sowas. Dann denke ich mir okay, ihnen kann ich erzählen, dass ich Palästinenserin bin. Weißt du, beide meiner Eltern sind palästinensisch. Meine Mutter wurde sogar dort geboren, und darauf bin ich wirklich stolz. Ich bin sehr stolz darauf. Aber wenn ich mir der Situation nicht sicher bin, oder ich habe gemerkt, wie sie womöglich was gesagt haben, was mich schon hat zögern lassen und ich denke, ‘da bin ich mir nicht sicher’. Dann taste ich mich vorsichtig voran und sage beispielsweise sowas in der Art wie “Ich bin arabisch”. Was ja stimmt. Ich sage vielleicht “ich bin Jordanierin”, weil ich technisch gesehen einen jordanischen Pass habe. Faktisch ist das also korrekt hinsichtlich der Staatsangehörigkeit. Aber nicht hinsichtlich meiner Identität.
Wenn ich mich wirklich, wirklich unsicher fühle und denke ‘okay, sie könnten vielleicht echt rassistisch sein’ oder es ist einfach keine gute Situation oder ich will einfach nicht darauf eingehen. Dann sage ich vielleicht sowas wie “Oh, ich wurde in den USA geboren” oder, dass ich aus dieser einen bestimmten Stadt in den USA stamme. Das reicht den Leuten dann mitunter aus.
In manchen Situation habe ich das gemacht, was ich mir bei meiner Mutter abgeschaut habe, und zwar alles einfach komplett zu erfinden. Wenn ich mich absolut nicht sicher fühle oder ich echt genervt bin an dem Tag, sage ich schon mal sowas wie “ich bin Französin” oder “ich komme aus Griechenland”, oder was auch immer, damit sie mich in Ruhe lassen.
AA: Es wird durch deine Erzählungen klar, wie komplex es ist, auf diese Frage antworten zu müssen! Meinst du, die Menschen, die dir diese Frage stellen, wissen von dieser Komplexität? Und gäbe es die Möglichkeit für sie, diese Frage anders zu stellen, damit es sich okay für dich anfühlt?
Safa: Ich glaube, die Menschen realisieren für gewöhnlich nicht, dass es eine derart schwierige Frage ist. Mit Menschen in den USA und Europa habe ich mich tatsächlich darüber unterhalten und versucht, ihnen zu erklären, warum diese Frage sich so invasiv oder sensibel anfühlt. Sie waren immer überrascht. Manche, dieser Menschen mussten noch nie länger als eine Sekunde darüber nachdenken, was Sicherheit bedeutet oder was es bedeutet, sich so genau unter die Lupe genommen zu fühlen oder Teil einer Gruppe zu sein, die besonders viel Hass erfährt. Ich glaube also, dass die Intention oft lediglich aus einem Gefühl der Neugier erwächst. Ich glaube aber auch, dass manche Menschen mit ihrer Neugier zu weit gehen weil es sie am Ende des Tages eigentlich nichts angeht.
Ich habe einige passende Beispiele für Situationen, in denen ich Menschen erzählt habe, wo ich herkomme oder mich entschieden habe, auf eine bestimmte Art und Weise antworte und ich sah, dass sie nicht ganz zufrieden waren mit meiner Antwort aber nicht weiter nachgebohrt haben und das ist es, was ich gerne sehe, weißt du? In diesen Momenten erkennen sie glaube ich, dass ich mich nicht wohl oder sicher genug fühle in dem Rahmen, aus welchem Grund auch immer. Sagen wir, vor einer großen Gruppe. Manchmal kommen Menschen dann später alleine auf mich zu und sagen so was wie ‘was sagtest du noch gleich, wo du herkommst?’. Vielleicht gebe ich ihnen dann eine andere Antwort, vielleicht wird es aber auch die Gleichen Antwort sein wie zuvor.
Ich war auch mit Menschen im Austausch, die sich auf andere meiner Attribute meiner Identität fokussiert haben, mit denen sie eine größere Verbindung spüren. Wenn sie mich also fragen, woher ich komme und meine Antwort ihnen nicht ausreicht, fragen sie mich womöglich “oh, was arbeitest du noch gleich?”. Das mag ich. Oder “Ja, das Wetter ist wirklich super. Was machst du denn gerne, wenn es sonnig ist?”. Diese Fragen dringen dann zum Kern durch, was mich als Person ausmacht aber auf eine andere Art. Weil meine Identität natürlich eine wichtiges Puzzleteil ist aber es gibt eben auch andere spannende Dinge über mich. So versuche ich selbst auch auf andere Menschen zuzugehen.
Manche Menschen haben auch versucht, die Antwort aus mir herauszubekommen, in dem sie so ums Eck gefragt haben. Das ist für mich in Ordnung und auch lustig. Wenn sie mit meiner Antwort nicht zufrieden sind, fragen sie sowas wie “sprichst du auch andere Sprachen?”. Das deckt es dann natürlich auf gewisse Weise auf. Für mich ist das aber in Ordnung, weil ihre Frage aus einer Neugier und einem Mitgefühl entsteht. Das weiß ich sehr zu schätzen.
AA: Möchtest du noch etwas anderes sagen?
Safa: Ich will über die Zeiten sprechen, in denen wir diese Unterhaltung führen, denn sie sind unsagbar schwer für Palästinenser*innen und in der Tat für Araber*innen überall. Wir empfinden tiefen Schmerz dieser Tage. Und auf die gleiche Art und Weise, wie Menschen… manchmal unsicher sind, wie sie das Thema der Herkunft einer Person ansprechen sollen, wissen sie auch nicht, wie sie mit Menschen sprechen sollen, deren Volk einen Genozid erlebt oder andere Tragödien und Stress. Ich will diesen Menschen, die diese Schwierigkeiten haben, einfach nur sagen, dass es okay ist, nicht die richtigen oder nur ungeschickte Worte zu finden. Es ist okay, solang die Worte aus Mitgefühl und von Herzen kommen und die eigene Unsicherheit der Ausdrucksweise offen angesprochen wird. Anstatt gar nichts zu sagen, sagst Du vielleicht eher etwas wie ‘oh, wow, du bist Palästinenserin. Ich wünschte, ich könnte in Worte fassen, was gerade passiert oder ich wüsste einen Weg, darüber zu sprechen’. Weißt du, es gibt Wege, dieses Mitgefühl zu zeigen, das Türen öffnet für mehr Verständnis und mehr Austausch.
AA: Vielen Dank, Safa.
Safa: Vielen herzlichen Dank.
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