43 Jahre in Syriens Gefängnissen, weil er sich weigerte, eine Stadt zu bombardieren

Der syrische Kampfpilot Ragheed Al-Tatari vor und nach seiner Inhaftierung. Collage von Rami Alhames mit Canva Pro und Screenshots dieses YouTube-Videos von boschev erstellt. Fair Use.

Ragheed Al-Tataris’ Name ist ein Symbol für Zivilcourage in der brutalen Geschichte des syrischen Regimes geworden. Der ehemalige Pilot der syrischen Luftwaffe hatte eine Entscheidung getroffen, die ihn ins Gefängnis brachte und damit 43 Jahre seines Lebens in Freiheit brachte kostete: Er weigerte sich, 1980 die Stadt Hama zu bombardieren. Zu der Zeit gab es in Hama Aufstände gegen das autoritäre Regime Hafez al-Assads und die Antwort des Regimes darauf war katastrophal.

Verweigerung militärischer Befehle

Der syrische Präsident Hafez al-Assad neben seinem Bruder Rifaat al-Assad bei einer militärischen Zeremonie 1984 in Damaskus. Öffentliche Domain, über Wikimedia Commons.

Auf Befehl Assads startete das syrische Militär eine Großoffensive auf die Stadt, geleitet von seinem Bruder Rifaat Assad, eine der brutalsten Niederschlagungen der Geschichte des modernen Syriens. Tausende Zivilistinnen und Zivilisten wurden bei diesem Massaker getötet. Patrick Seale, Reporter für The Globe and Mail, beschrieb die Kampfhandlungen als eine „zwei Wochen andauernde Orgie der Ermordung, Zerstörung und Plünderung“, bei der die Stadt verwüstet und mindestens 25.000 Bewohnerinnen und Bewohner getötet wurden. Al-Tatari konnte sich allerdings nicht dazu durchringen, die Befehle auszuführen. Mit der grauenvollen Aussicht, an der Bombardierung von Zivilistinnen und Zivilisten beteiligt zu werden, entschied er, sich seinen Vorgesetzten zu widersetzen und weigerte sich, den Einsatz durchzuziehen. Für seinen Akt des Ungehorsams verurteilte ihn das syrische Regime zu außerordentlichen 43 Jahren Haft. Dass er seinem Gewissen folgte, sollte nicht nur sein Leben verändern, sondern hallte tief in der kollektiven Erinnerung der Syrerinnen und Syrer nach, ganz besonders in Hama.

Laut der Vereinigung der Gefangenen und Verschwundenen des Gefängnisses Saidnaya (Association of Detainees and Missing Persons of Saydnaya Prison) wurden Al Tatari und drei weitere Piloten 1980 verhaftet, da sie sich geweigert hatten, Luftangriffe im Gouvernement Hama durchzuführen.

Der Staffelchef und ein anderer Pilot suchten Zuflucht in Jordanien, während Al-Tatari und einer seiner Kollegen zu ihrem Stützpunkt in Aleppo zurückkehrten, ohne die geplanten Luftangriffe ausgeführt zu haben. Obwohl Al-Tatari der Gehorsamsverweigerung beschuldigt wurde, konnte das Gericht ihn schließlich von dieser Anklage freisprechen, da er als nachgeordneter Offizier den Anweisungen seines Kommandanten Folge geleistet habe, den Einsatz abzubrechen.

Trotz des Freispruchs entschied das Gericht, dass er aus dem Militärdienst entlassen werden solle. Als er nach seinem Freispruch nach Syrien zurückkehrte und nachdem sein Asylantrag in Ägypten abgelehnt worden war, wurde er trotzdem am 24. November 1981 am Flughafen von Damaskus umgehend festgenommen.

Jahrelang im Gefängnis verschwunden

Al-Tatari wurde im Gefängnis der Direktion für allgemeine Sicherheit brutal gefoltert.

Im Mezzeh-Gefängnis wurde er dann festgehalten ohne eines Verbrechens angeklagt zu werden. 1982 brachte man ihn dann für einige Minuten vor ein außerordentliches Militärgericht ohne vorherige Ankündigung, ohne eine öffentliche Bekanntmachung und ohne, dass er darüber direkt in Kenntnis gesetzt worden war. Später in diesem Jahr wurde Al-Tatari dann in das berüchtigte Gefängnis in der Wüste von Tadmur verlegt, wo er 21 Jahre lang bleiben musste.

Als man ihn nach 2001 in das Gefängnis Saidnaya überstellte, verbrachte er hier zehn Jahre, die zu den schwierigsten seiner Zeit in Haft wurden, insbesondere, als 2008 die Gefangenen rebellierten und dann mit äußerster Brutalität konfrontiert wurden.

Al-Tataris Geschichte blieb für viele Jahre der Welt weitgehend unbekannt, bis er 2005 erstmalig die Möglichkeit hatte, seinen einzigen Sohn Wael sehen zu können. Als er sich 2011 gegen seine Haftbedingungen wehrte und sich weigerte, die durch das Adra-Gefängnis vorgeschriebene Gefängnisuniform zu tragen, untersagte man ihm, seine Verwandten und Freunde zu sehen und er lebte unter schlechtesten humanitären Bedingungen, wie auch alle anderen Inhaftierten, die in den Gefängnissen des Assad-Regimes geendet waren.

Freilassung und Ehrung

Der Imam der Mohammed Al-Hamed Moschee in Hama erweist Ragheed Al-Tatari die Ehre und übergibt ihm im Namen der Menschen in Hama ein goldenes Schwert, ein Symbol der Tapferkeit und des Widerstands. Foto von @Asmaa59475027. Verwendung mit Erlaubnis.

Kräfte der syrischen Opposition haben nach dem Sturz des Regimes des ehemaligen Präsidenten Bashar al-Assad zehntausende Inhaftierte aus syrischen Gefängnissen befreit. Nach 43 Jahren sieht Al-Tatari erstmals das Tageslicht und verlässt das Gefängnis, nachdem sein Haar grau geworden ist und sein Gesicht Falten bekommen hat und damit das Bild eines Lebens zeichnet, das hinter Gittern verschwendet wurde.

Menschenrechtsorganisationen halten Al-Tatari für den am längsten inhaftierten politischen Gefangenen in Syrien. Er wird von vielen der „Dekan syrischer Gefangener“ genannt. Jetzt kehrte Al-Tatari nach einem langen und harten Leidensweg zurück in die Straßen Syriens und Bilder auf X (ehemals Twitter) zeigen den ehemaligen Piloten wie er lächelt, nachdem er seine Freiheit zurückgewann.

Mit einem kraftvollen Ausdruck der Solidarität und des Respekts ehrten ihn die Menschen in Hama, die immer noch geplagt werden von den Erinnerungen an das Massaker von 1982. Sie schenkten ihm ein goldenes Schwert, ein Symbol der Tapferkeit und des Widerstands und zollen damit seiner Integrität und seinem Mut gegenüber des gewaltsamsten Regimes der modernen Geschichte Anerkennung.

The people of Hama province in Syria honored pilot Ragheed al-Tatari after he spent 43 years in the prisons of the Assad regime, due to his refusal to carry out orders to bomb civilians in the city in the eighties during the rule of Hafez al-Assad.

Al-Tatari was arrested when he was a major at the age of 27, and was released at the age of 70 from the central prison in Tartous, after opposition factions took control of cities that were under the control of the regime and released detainees in the prisons there, with Bashar al-Assad fleeing to Russia.

Die Bevölkerung der Provinz Hama in Syrien ehrte den Piloten Ragheed al-Tatari, nachdem er 43 Jahre in den Gefängnissen des Assad-Regimes verbrachte, da er sich in den Achtzigern zurzeit der Herrschaft von Hafez al-Assad weigerte, Befehle auszuführen, Zivilistinnen und Zivilisten in der Stadt zu bombardieren.

Al-Tatari wurde inhaftiert, als er ein Major und 27 Jahre alt war. Er wurde im Alter von 70 Jahren aus dem Zentralgefängnis von Tartus befreit, nachdem Oppositionsgruppen die Kontrolle in Städten übernahmen, die sich zuvor in der Gewalt des Regimes befanden und nachdem sie die Gefangenen der dortigen Gefängnisse befreiten, während Bashar al-Assad nach Russland floh.

Für die Menschen von Hama dient der Widerstand von Al-Tatari gegen Assads Befehle als ein Akt moralischer Klarheit in Zeiten, in denen Überleben oft bedeutete, Mittäter zu werden. Dass die Menschen von Hama sich entschlossen haben, Al-Tatari Jahrzehnte später dafür zu würdigen, trotz der Versuche des Regimes, derartige Geschichten des Widerstands auszuradieren, spricht Bände über das beständige Erbe von Integrität. Es bezeugt zudem, wie Erinnerung und Gerechtigkeit selbst die repressivsten Regime überdauern können.

Unterhaltung beginnen

Für Autoren: Anmelden »

Richtlinien

  • Alle Kommentare werden moderiert. Sende nicht mehrmals den gleichen Kommentar, damit er nicht als Spam gelöscht wird.
  • Bitte geh respektvoll mit anderen um. Hass-Kommentare, Obszönes und persönliche Beleidigungen werden nicht freigeschaltet..