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Republik Moldau: Skandal um Kreml-Berater des ehemaligen Präsidenten Dodon

Kategorien: Ost- und Zentraleuropa, Moldawien, Aktuelle Meldungen, Bürgermedien, Politik, Wahlen

Illustration von RISE Moldova. Mit Genehmigung verwendet.

Die Originalversion dieses Artikels wurde am 14. November vor der zweiten Runde der Wahlen in der Republik Moldau auf Englisch veröffentlicht. Das Material wurde von Hanelore Peckstein ins Deutsche übersetzt und wird hier in gekürzter und editierter Form veröffentlicht.

Am 15. November fand in der Republik Moldau die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen statt. Der amtierende und offiziell parteilose Präsident Igor Dodon, der das Land seit 2016 führte, trat gegen Maia Sandu an, die der Partei der Aktion und Solidarität (PAS) angehört. Anders als bei der Präsidentschaftswahl 2016 holte Sandu in der diesjährigen Wahl mit 57,7 Prozent der Stimmen den Sieg.

Dodon ist ehemaliger Parteivorsitzender der Partei der Sozialisten der Republik Moldau (PSRM), die als prorussisch gilt. Nach seinem Wahlsieg 2016 zum Präsidenten gab Dodon den Parteivorsitz ab und bemühte sich formell um eine Wiederwahl als unabhängiger Kandidat. Und das, obwohl er weiterhin eine enorme Unterstützung durch die PSRM erhielt.

Das politische Klima spitzte sich bereits zu Beginn der Wahlkampagne zu. Die Situation verschärfte sich noch weiter, als Journalisten von RISE Moldova [1] und Dossier Center [2] am 19. Oktober das erste Kapitel der länderübergreifenden Untersuchung „Kremlinovici“ [3] veröffentlichten. Der vierteilige Bericht beschäftigt sich mit dem Einfluss russischer Geheimdienste auf die moldauische Politik.

Noch am selben Tag reagierte der Leiter des russischen Auslandsgeheimdienstes (SVR) und veröffentlichte eine Stellungnahme [4]. Darin warnte er davor, dass man sich auf eine Gruppe amerikanischer Spezialisten für ‚Farbrevolution‘ vorbereite, die mit einer politischen Agenda in die Republik Moldau einreisen werde.

Am 1. November fand unter diesen Umständen die erste Runde der Wahlen statt. Es kam zu keiner Revolution, weder einer „farbigen“ noch einer anderen und auch von den geheimen amerikanischen Spezialisten fehlte jede Spur. In der Zwischenzeit hatten die Journalisten von RISE Moldova allerdings Beweise veröffentlicht, dass Igor Dodons Wahlkampfteam in engem Kontakt mit einer Gruppe politischer Strategen aus Russland stand. Dem moldauischen Gesetz nach wäre der Kandidat dazu verpflichtet gewesen, die Zentrale Wahlkommission (ZWK) über deren Teilnahme am Wahlkampf zu informieren. Dies hatte er aber nicht getan.

Verheimlichte Strategen

Als einer der Autoren der „Kremlinovici“-Untersuchung sprach ich mit mehreren Experten und Analysten, um herauszufinden, wie sie den möglichen Einfluss des Kremls auf Dodon einschätzten.

Der vierte Teil [5] der „Kremlinovici“-Untersuchung [6] nimmt eine Gruppe russischer Politstrategen in den Fokus, die sich vor der ersten Wahlrunde mit Personen aus Dodons engen Umkreis getroffen hatten. Laut der Untersuchung hatte unter anderem Dodons Pressesprecher des Wahlkampfteams an diesem Treffen teilgenommen.

Neben ihrer Einschätzung zu den Untersuchungsergebnissen teilten auch mehrere Experten und politische Analysten wichtige gesellschaftliche Fragen mit mir, deren Beantwortung für die Gesellschaft aktuell wichtig seien.

„Politologen aus anderen Ländern, einschließlich Russland, werden schon seit jeher in der Republik Moldau beschäftigt. Ihre Tätigkeit kann jedoch nicht nachverfolgt werden, weil sie fast immer in Form von Schwarzgeld bezahlt werden. So können die finanziellen Ausgaben für sie in den offiziellen Berichten der Parteien nicht nachvollzogen werden. Im Fall von Dodon, ist es nach Aufdeckung der geheimen Teilnahme russischer Politstrategen notwendig, einen Kostenbericht zu verlangen“, so Alexei Tulburne, Direktor des Institute for Oral History der Republik Moldau.

„Bei diesem Wahlkampf ließen sich verschiedene Kandidaten von Teams politischer Strategen aus diversen Ländern, wie der Ukraine, Rumänien, Russland, Frankreich, Deutschland und vielen mehr, unterstützen. Alle Teilnehmer des politischen Strategiemarktes in der Republik Moldau wissen das sehr genau. Es ist jedoch nicht üblich, öffentlich darüber zu sprechen“, gibt Sergey Manastyrly, Direktor des Balkan-Zentrums für Analyse, Forschung und Prognose, zu.

„Es ist schon lange üblich, ausländische Politstrategen zu den Wahlen in die Republik Moldau einzuladen. Die Kandidaten scheuen sich grundsätzlich, öffentlich zuzugeben, dass sie die Dienste ausländischer Spezialisten in Anspruch nehmen. Wahrscheinlich haben sie Angst, dass sie dadurch im Vergleich zu ihren Mitbewerbern, die ihre Listen mit ausländischen Beratern geheim halten, schwach aussehen würden“, so Manastyrly weiter.

Alexander Morozov, ein russischer politischer Analyst, sagt: „Beratungsfirmen und einzelne politische Strategen können durchaus beauftragt werden, bei Wahlen in anderen Ländern zu arbeiten, aber dies muss transparent gemacht werden, genau wie jeder andere kommerzielle Vertrag.“

„Sonst ist das nicht mehr das Geschäft der Politikberatung, sondern eine giftige Einmischung. Die [politischen Berater]-Teams verheimlichen es, indem sie sich weigern, die Presse zu kontaktieren und werden von Dodons Gefolgschaft versteckt. Es handelt sich also nicht um ein Unternehmen, sondern um eine ‚Spezialbrigade‘, die Dodons Hauptquartier mit der russischen Präsidialverwaltung verbindet. Mit anderen Worten, es handelt sich um eine direkte [ausländische] Einmischung [in die Wahl]“, schrieb Morozov in seinem Rückblick auf die Untersuchung von RISE Moldova in einem Facebook-Post [7] am 5. November.

Die „Moldau-Abteilung“

Der erste Teil der Kremlinovici-Untersuchung ermöglichte das „Tschernow-Archiv“. Durch ein Leak in der russischen Präsidialverwaltung erhielt das Dossier Center eine Reihe von Arbeitsdokumenten, die es RISE Moldova zur Verfügung stellte.

Laut den veröffentlichten Dokumenten [8] erhielt Moskau im Voraus von moldauischen Politikern (einschließlich Dodon) Texte von Reden, die für Auftritte auf lokalen und internationalen Plattformen gedacht waren. Die „Moldau-Abteilung“ des Kremls, die unter einer der Abteilungen der Putin-Administration (geleitet vom General des Auslandsgeheimdienstes, Wladimir Tschernow) steht, bearbeitete ihrerseits manchmal Texte von Reden moldauischer Partner, bereitete Gesprächspunkte für öffentliche Veranstaltungen vor und bot sogar Fälschungen an, die Konkurrenten verunglimpfen sollten.

Dumitru Minzerari, Forscher an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), sagte gegenüber Global Voices, dass die Recherchen von RISE Moldova „sehr besorgniserregend“ seien.

„[Dodons] Handlungen erwecken den Eindruck, er nutze die Position des Präsidenten zu seinem eigenen Vorteil aus. Angesichts Dodons umfangreicher und dokumentierter Geschäftsinteressen in Russland und der Tatsache, dass Russland das einzige Land ist, das ein Militärkontingent in der Republik Moldau unterstützt – und das gegen den Willen der moldauischen Behörden – sieht Dodon, indem er mit russischen Beamten interagiert, wie ein Agent unter der Leitung der Kreml-Abteilung für Moldau aus“, sagte Mynzerar. „Darüber hinaus muss der moldauische Präsident bei der Übergabe von geheimen Dokumenten an Unbefugte, insbesondere an Beamte anderer Staaten, bestimmte Verfahren einhalten. Ebenso ist die Koordinierung seiner Politik und Handlungen mit Russland ein fragwürdiger Schritt, der die Institution der Präsidentschaft, die Souveränität der Republik Moldau und die nationale Sicherheit untergräbt.“

Boris Gamurari [9], ehemaliger Staatssicherheitsoffizier und moldauischer Verteidigungsminister, sieht den Leak als ein Zeichen von Inkompetenz.

„Präsident Dodon hat während seiner gesamten Amtszeit in Fragen der Staatssicherheit eklatant nachlässig gehandelt. […] Der Sicherheitsdienst ist verpflichtet, über alles Bescheid zu wissen und ihn umfassend zu informieren. Um das zu erreichen, muss der Dienst mit Fachleuten besetzt werden, nicht mit ehemaligen Polizisten, und einen eigenen Stil, eine eigene Handschrift haben“, sagte Gamurar in einem Interview. „Weder er selbst noch die anderen kennen die goldene Regel eines solchen Dienstes: Es kann befreundete Länder geben, aber keine befreundeten Nachrichtendienste.“

Weitere Artikel zum Thema im englischsprachigen Dossier: Moldova’s political turmoil [10]