Afrikanische Entscheidungsträgerinnen und -träger haben schon früh ausschlaggebende Maßnahmen getroffen, um die Ausbreitung von COVID-19 unter Kontrolle zu bringen. Die Africa Centers for Disease Control (ACDC, in etwa: Afrikanische Zentren für Krankheitsbekämpfung) stellten bereits am 05. Februar eine COVID-19-Arbeitsgruppe zusammen – noch bevor auf dem Kontinent der erste Fall nachgewiesen war.
Zurzeit ist Afrika mit bis zuletzt 1.293.048 bestätigten COVID-19-Fällen und bemerkenswerten 1.031.905 Genesenen gemäß Africa CDCP (in etwa: Afrikanische Zentren für Krankheitsbekämpfung und Prävention) die weltweit am wenigsten von der Pandemie betroffene Region. Weniger als 5 % der gemeldeten Fälle und weniger als 1 % aller Todesfälle entfallen auf den Kontinent.
Jetzt werden in afrikanischen Ländern unter Führung der Afrikanischen Union Lockerungen der COVID-19-Maßnahmen sowie die Wiederöffnung von Wirtschaft und Grenzen vorbereitet und viele Regierungen setzen dabei auf innovative Technologien.
Das Bedürfnis nach einer gemeinsamen, pan-afrikanischen Technologie, die die Ausbreitung verfolgen und Testzentren des gesamten Kontinents miteinander vernetzen könne, führte zum Einsatz von PanaBIOS. Es handelt sich dabei um eine Bioüberwachungstechnologie, die von der Afrikanischen Union unterstützt wird.
PanaBIOS stellt eine mobile und webbasierte App zur Verfügung, die mittels Algorithmen Personen rückverfolgt, die potentiell Gesundheitsrisiken ausgesetzt sind. Zudem verfolgt sie Testproben von ihrer Herkunft bis zu Laboren innerhalb des Landes nach und speichert diese.
Entwickelt wurde die Technologie von dem kenianischen Startup Koldchain, gefördert wurde sie von AfroChampions – einer öffentlich-privaten Partnerschaft, die auf die Mobilisierung afrikanischer Ressourcen und Institutionen abzielt, um so die Entstehung und den Erfolg des afrikanischen Privatsektors zu unterstützen.
Aktuell ist Ghana das einzige afrikanische Land, welches PanaBIOS-Technologie während der erneuten Grenzöffnung einsetzt. PanaBIOS versichert, dass Reisende die Testergebnisse eines Landes verwenden können, um nachzuweisen, dass sie die Einreisebestimmungen eines anderen Landes erfüllen, indem sie die PanaBIOS-App verwenden oder einen vom System erstellten SMS/USSD-Ausweiscode zu einem anderen Reisedokument hinzufügen.
Hafengesundheitsbeamtinnen und -beamte setzen die Firmenversion der App ein, um die Gesundheitserklärungen einheitlich länderübergreifend prüfen zu können.
Umfassender Datenschutz und Datenschutzgesetze
Die Afrikanische Union und die Africa CDCP rufen Mitgliedsstaaten dazu auf, die mobilgerätebasierte PanaBIOS-Plattform zu integrieren, da dies eine Zentralisierung der Ergebnisse von Zentren des gesamten Kontinents ermöglichen würde. Jedoch wurden durch digitale Gesundheitsmaßnahmen zahlreiche Fragen hinsichtlich Datenzugriff und Datenschutz aufgeworfen.
Von Regierungen eingesetzte Überwachung und Kontrolle kann Angst auslösen und die zivilrechtlichen Freiheiten gefährden, vor allem in einem Kontinent wie Afrika, in dem lediglich 27 von 54 Ländern umfassende Datenschutzgesetze vorweisen können.
In einigen afrikanischen Ländern wie Ghana wurden neue Gesetze verabschiedet, die den Präsidenten mit Notstandsbefugnissen für die Bekämpfung der Pandemie ausstatten. Dort kann der Präsident Telekommunikationsunternehmen dazu auffordern, persönliche Kundendaten wie die Datenbank der Mobilfunknutzerinnen und -nutzern, die Telefonreferenzdaten, Daten über nicht eingelöste mobile Geldüberweisungen, Codes für mobile Geldgeschäfte und Adressen zur Verfügung zu stellen.
Um den Schutz der Daten und Privatsphäre sicherzustellen, nutzt PanaBIOS für ihre maschinellen Lernsysteme nur kumulierte Daten, also Daten, die gesammelt und für die statistische Analyse zusammengefasst wurden. Lediglich bei der Ermittlung von Kontaktpersonen wird auf persönliche Daten zugegriffen, da hierbei gezielt infizierte Personen bzw. Kontaktpersonen von COVID-19-Infizierten kontaktiert werden müssen.
Die Afrikanische Union, PanaBIOS und die involvierten Partner müssen erläutern, wie sie sich an die unterschiedlichen länderspezifischen Datenschutzgesetze halten, Zustimmung zur Datenverarbeitung einholen und das Teilen von Daten zu kommerziellen Zwecken verhindern, um so Verletzungen des Datenschutzes vorzubeugen.
Zurzeit gibt es für die App keine öffentlich verfügbare Datenschutzerklärung, in der Nutzerinnen und Nutzern erklärt wird, auf welche Art Daten gesammelt und geteilt werden.
Die Herausforderung hierbei ist, die verschiedenen kontinentalen, nationalen und regionalen Datenschutzgesetze wie die Convention on Cybersecurity and Personal Data der Afrikanischen Union (in etwa: Konvention über Cybersicherheit und den Schutz persönlicher Daten), das model law on data protection (in etwa: Modellgesetz zum Datenschutz) der Southern African Development Community (SADC, in etwa: Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika), den Supplementary Act A/SA.1/01/10 on Personal Data Protection Within ECOWAS (in etwa: Ergänzungsgesetz A/SA.1/01/10 über den Schutz personenbezogener Daten innerhalb der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten) der Economic Community of West African States (in etwa: Westafrikanische Entwicklungsgesellschaft) sowie das Framework for Cyberlaws (in etwa: Rahmenbedingungen für Cybergesetze) der East African Community (in etwa: Ostafrikanischen Gemeinschaft) zu beachten.
Technologische Lösungen als Erfolgsfaktor der COVID19-Situation in Afrika
Abgesehen von PanaBIOS werden in vielen afrikanischen Ländern technologiebasierte Lösungen in Hinblick auf die COVID-19-Krise eingesetzt, um die Verbreitung einzudämmen.
Wissenschafterinnen und Wissenschaftler aus dem Senegal entwickelten beispielsweise ein COVID-19-Testkit für $ 1 (ca. 0,85 €) und 3D-Beatmungsgeräte für Patientinnen und Patienten. Das nigerianische Startup Wellvis entwickelte das COVID-19 Triage Tool. Hierbei handelt es sich um ein kostenloses Online-Tool, mit dem Nutzerinnen und Nutzer ihre Risikokategorie für das Coronavirus selbst bestimmen können, je nach den Symptomen und dem Grad der Aussetzung in der Vergangenheit.
Die südafrikanische Regierung nutzte Whatsapp dazu, einen interaktiven Chatbot einzusetzen, der Antworten zu häufig gestellten Fragen über COVID-19-Mythen, -Symptome und -Behandlung bereitstellte. In Uganda nutzten Marktfrauen die App Market Garden (in etwa: Markgarten), um ihre Waren von zu Hause aus zu verkaufen. Mit Motorrad-Taxis wurden die Waren dann an die Kundschaft zugestellt.
Die erfolgreiche Kontrolle und Handhabe der Ausbreitung von COVID-19 in Afrika wird der dort jüngeren Bevölkerung, den begrenzten Testkapazitäten und Nachverfolgungen der Mortalität sowie der möglicherweise vorhandenen Antikörper für SARS-Cov-2, wie sie in manchen afrikanischen Bürgerinnen und Bürgern gefunden wurden, zugesprochen.
Dennoch ist unumstritten, dass die afrikanischen technologischen Innovationen neben entschlossenem Führungsstil zu Beginn der Pandemie zum Erfolg der Eindämmung von COVID-19 beigetragen haben.
Solomon Zewdu, stellvertretender Arzt der Bill & Melinda Gates-Stiftung fasste zusammen, wie Äthiopien bereits im Januar, als noch viele westliche Länder zögerlich reagierten, umfassende Screenings am Flughafen Addis Ababa durchführen ließ. Rwanda war am 21. März das erste afrikanische Land, das einen Lockdown umsetzte und viele afrikanische Länder folgten diesem Beispiel bald: Südafrika verkündete einen umfassenden Lockdown bei damals lediglich 400 Krankheits- und zwei Todesfällen. Italien reagierte bei ähnlicher Einwohnerzahl bei 9.000 Krankheits- und 400 Todesfällen.
Zum Vergleich: Die Anzahl der Infizierten und Gestorbenen in den USA ist sechs Mal so hoch wie in Afrika. Expertinnen und Experten für öffentliche Gesundheit sagten voraus, dass die Pandemie den Kontinent schlimm treffen würde und rechneten bereits mit Toten auf den Straßen.
Afrika hat eindeutig das Gegenteil bewiesen.