Pekings nationales Sicherheitsgesetz soll in Hongkong in Kraft treten, der Entwurf ist noch geheim

Das Nationale Sicherheitsgesetz wird in Hongkong eingeführt. Bild von Stand News.

Der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses (NPC) in Peking hat einstimmig ein Nationales Sicherheitsgesetz für Hongkong verabschiedet – ein Schritt, von dem viele erwarten, dass er die Autonomie, die die Stadt unter „Ein Land, zwei Systeme“ genoss, effektiv beenden wird.

Während des gesamten Gesetzgebungsverfahrens weigerte sich Peking, der Öffentlichkeit den Entwurf des Gesetzes zu offenbaren, das am 01. Juli 2020, dem 23. Jahrestag der Übergabe Hongkongs an China, in Hongkong in Kraft treten soll.

Einige Quellen in Peking haben die Medien darüber informiert, dass nach dem neuen Gesetz Personen, die wegen „Absprachen mit ausländischen Streitkräften“ verurteilt wurden, eine lebenslange Haftstrafe droht.

In den vergangenen Wochen wurden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens innerhalb des Hongkonger Establishments, wie z. B. Intellektuelle der Universitäten, unter Druck gesetzt, ihre Unterstützung für die Einführung des Gesetzes über die nationale Sicherheit durch Peking in der Stadt zum Ausdruck zu bringen.

Pro-Peking-Gruppen behaupten, sie haben 2,9 Millionen Unterschriften von Bürger*innen gesammelt, die die umstrittene Gesetzgebung unterstützen.

Doch diese sogenannte Unterstützung ist blindes Vertrauen – keiner dieser Befürworter*innen hat den Textentwurf überhaupt gesehen.

Der Entwurf ist ein Geheimnis

Die in Washington D.C. ansässige Organisation Hong Kong Democracy Council (etwa: Gremium für Hongkongs Demokratie) betonte diese „Absurdität“ auf Twitter:

Es kannn nicht genug betont werden, wie absurd es ist, dass der Ständige Ausschuss der CPC gerade auf einer Sondersitzung für die Verabschiedung des neuen #NationalSecurityLaw gestimmt hat – NIEMAND- nicht einmal die Regierungschefin hat die Texte des neuen Gesetzes gesehen.

Es wird erwartet, dass der Text veröffentlicht wird, NACHDEM er bereits in Kraft getreten ist. pic.twitter.com/cvYTqeioGg

— HKDC – Hong Kong Democracy Council (@hkdc_us) 30. Juni 2020

Zwar wurde der Gesetzesentwurf der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht, aber der NPC legte den Medien am 20. Juni in einem Briefing einige Details vor:

  • Das Gesetz würde Handlungen wie Sezession, Subversion, Terrorismus und Zusammenarbeit mit externen Kräften kriminalisieren.
  • Das neue Gesetz wird bei Konflikten die örtliche Gesetzgebung außer Kraft setzen.
  • Peking wird in Hongkong eine Behörde einrichten, die nachrichtendienstliche Erkenntnisse sammeln und die Kommunalverwaltung „überwachen, koordinieren und unterstützen“ soll.
  • Einige Fälle – „sehr wenige“, wie der NPC betonte – werden in die Zuständigkeit Pekings fallen. Das bedeutet, dass die Täter*innen auf dem chinesischen Festland vor Gericht gestellt werden könnten, wo eine Anhörung im Geheimen durchgeführt werden kann.
  • Die Regierung von Hongkong wird eine Kommission unter dem Vorsitz der Regierungschefin und unter der Aufsicht Pekings einsetzen, die die Umsetzung des neuen Gesetzes überwachen soll.
  • Die Regierungschefin wird bestimmte Richter*innen ernennen, die den Vorsitz bei den Anklagen übernehmen sollen.

Die neuesten Quellenangaben des NPC deuten darauf hin, dass ein Gesetzesbruch mit der Höchststrafe einer lebenslangen Inhaftierung geahndet werden kann.

Die Aktivistengruppe Demosisto löst sich auf

In den letzten beiden Tagen haben sich online Gerüchte verbreitet, dass der Medienmagnat Jimmy Lai und der politische Aktivist Joshua Wong verhaftet werden, sobald das Gesetz am 01. Juli in Kraft tritt:

Jimmy Lai und Joshua Wong sollen verhaftet werden, sobald das Gesetz zur nationalen Sicherheit am 30. Juni verabschiedet wird, Quellen: https://t.co/LSvJxg1wrz

Zur gleichen Zeit wurde auf Weibo und anderen Social-Media-Plattformen ein gefälschtes Video eines internen Treffens von Wongs pro-demokratischer Gruppe Demosisto verbreitet.

Darin wird behauptet, die Organisation habe sch mit der Regierung der Vereinigten Staaten zusammengetan, um die Kommunistische Partei Chinas zu stürzen. Dies hat zu der allgemeinen Überzeugung geführt, Joshua Wong und andere wichtige Mitglieder von Demosisto seien die Hauptziele des neuen Sicherheitsgesetzes.

Kurz nach der Verabschiedung des Gesetzes am 30. Juni kündigten vier Schlüsselmitglieder von Demosisto – Wong, Nathan Law, Jeffrey Ngo und Agnes Chow – über soziale Medien ihren Austritt aus der Organisation an. Die Gruppe hat sich Berichten zufolge aufgelöst und wird alle Operationen einstellen.

Der ehemalige Regierungschef Hongkongs und derzeitige stellvertretende Vorsitzende des Nationalkomitees der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes, Leung Chun-ying, hat darüber hinaus dazu aufgerufen, die Festnahme von Verdächtigen und „Flüchtlingen“, die aus Hongkong geflohen sind, zu melden und zu erleichtern:

1/2 Ex-#HongKong-Führer Leung Chun-ying hat eine Pärmie von bis zu 1 Million Hongkong-Dollar aus dem 803-Fonds ausgesetzt, und die Menschen aufgefordert, die Verhaftung derjenigen zu erleichtern, die gegen die nationale Sicherheitsgesetzgebung verstoßen.

Die Kundgebung am 01. Juli wurde verboten, soll aber trotzdem stattfinden

Die Hongkonger Polizei hat die jährliche Kundgebung am 01. Juli, die von der Civil Human Right Front (etwa: Bewegung für Bürgerrechte; kurz: CHRF) organisiert wird, unter Berufung auf die Vorschriften zur Pandemiebekämpfung verboten – derselbe Vorwand, nach dem auch die Mahnwache bei Kerzenlicht zum Gedenken an die Niederwerfung auf dem Tian'anmen-Platz am 04. Juni verboten wurde.

Trotz des Verbots mobilisieren pro-demokratische Aktivist*innen weiterhin für die Kundgebung, während die CHRF gegen das Verbot Berufung eingelegt hat.

Am 29. Juni, einen Tag vor der Verabschiedung des Gesetzes zur nationalen Sicherheit, forderte Raphael Wong, Vorsitzender der Liga der Sozialdemokraten, die Hongkonger Bevölkerung auf, ihre Angst zu überwinden und am 01. Juli weiter zu protestieren.

Wong sagte, die chinesischen Behörden „wollen, dass die Aktivist*innen ins Exil gehen, sodass sie ihre moralische Autorität und ihren politischen Einfluss verlieren.“

唔使諗咁多,威照示,街照上,票照投,睇吓邊個人多,佢話293萬人撐佢,我哋就有392萬人反對佢。35+也好,35-都好,總之總票數多過佢,上街嘅人多過佢,就令佢嘅所有威嚇成為笑話!香港人,撐到拫!

Lasst also einfach die Angst beiseite und tut, was getan werden muss: protestieren, abstimmen. Finde heraus, welche Seite mehr Unterstützung hat. Die sagten, sie hätten 2,93 Millionen Menschen, die sie unterstützen. Wir werden zeigen, dass wir 3,92 Millionen Menschen haben, die Nein zum Gesetz sagen. Egal, ob es uns gelingt, bei den bevorstehenden Wahlen zum Legislativrat mehr oder weniger als 35 Sitze zu erhalten, wir werden mehr Stimmen erhalten. Wenn wir mehr Menschen auf der Straße haben, werden ihre Drohungen zu einem Witz werden. Hongkonger, macht weiter!

Die Einzelheiten über die Kundgebung vom 01. Juli sind wie folgt:

Die CHRF ist seit 2003 Veranstalter der Kundgebung am 01. Juli, und dies ist das erste Mal, dass die Polizei die Veranstaltung verboten hat. Am 04. Juni widersetzten sich Tausende von Hongkonger*innen einem Polizeiverbot und versammelten sich spontan im Victoria Park zur Mahnwache zum Gedenken an die Opfer von Tian'anmen.

Die Kundgebung am 01. Juli, nachdem das nationale Sicherheitsgesetz bereits in Kraft getreten ist, wird der bisher stärkste Test für die Entschlossenheit der Hongkonger*innen sein, sich gegen ein neues autoritäres Regime zu wehren.

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