Demonstrationen und Razzien der Polizei kehren nach Hongkong zurück, während Peking seinen Zugriff verschärft

Die Polizei feuerte am 27. Mai mit Pfeffer-Patronen im Central-Distrikt. Foto von inmediahk.net.

Die Massenproteste in Hongkong sind wieder zurück, nachdem China entschlossen ist, der Stadt eine Reihe von Gesetzen zur nationalen Sicherheit im Festlandstil aufzuzwingen, die das wenige bedrohen, was von Hongkongs Autonomie noch übrig geblieben ist.

Nach einer Kundgebung in der vergangenen Woche gegen die Entscheidung Pekings, eine maßgeschneiderte Sicherheitsgesetzgebung für Hongkong zu verabschieden, riefen rund 100 Arbeiter-, Unternehmens- und Studentengewerkschaften zu einem Generalstreik vom 27. bis 28. Mai auf.

Die Polizei reagierte darauf, indem sie die Stadt überschwemmte, um die Demonstrant*innen daran zu hindern, sich dem Legislativrat zu nähern, wo eine zweite Lesung des umstrittenen Gesetzes zur Nationalhymne – ein weiterer Import aus Peking – geplant war. Bis 17:30 Uhr Ortszeit wurden mindestens 300 Demonstrant*innen verhaftet.

Ein Land, ein Polizeistaat?

Der in Hongkong ansässige Menschenrechtsforscher Patrick Poon sagte, die Polizeipräsenz in der Stadt am 27. Mai sei ähnlich groß gewesen wie in der chinesischen Hauptstadt während des Nationalen Volkskongresses (NPC), der seine Arbeit am 28. Mai beendete:

Sieht so aus, als ob Peking die Polizei wie in (#NPC & #CPPCC) einsetzt.  ist wirklich zu einem  geworden.

Neben der Polizeikonzentration am Regierungssitz waren schwer bewaffnete Bereitschaftspolizisten entlang wichtiger Straßen und Autobahnen in ganz Hongkong stationiert, um Straßensperrungen zu verhindern.a

An jedem Eingang zur Untergrundbahn stehen Polizisten*innen in Bereitschaft, halten meist junge Menschen an und durchsuchen sie. Ein Mann beschrieb die heutige Situation als “Polizeistaat”.

Unten ist eine Bildschirmaufnahme von einer Protestkarte, die die Polizei-Checkpoints um 6:47 Uhr am 27. Mai anzeigt:

Trotz der umfangreichen Polizeipräsenz, begannen Demonstrant*innen, sich in Einkaufszentren zu versammeln. Junge Menschen wurden schnell zur Zielscheibe von Belästigungen durch die Ploizei:

#Jetzt am Hk Cwb #Hysan Platz. Über 60 Leute werden von der #Polizei festgehalten und durchsucht.

Gegen 13:00 Uhr begannen Demonstrant*innen von Causeway Bay in Richtung des Legislativrats im Central District zu gehen. Apple Daily berichtete auf Twitter:

Demonstranten versammeln sich in #Central und #Causewaybay, um gegen das #Nationalhymnengesetz zu protestieren. Die Polizei schoss daraufhin mit Pfefferpatronen.

LIVE zu sehen: https://t.co/r9lNeiq0cO pic.twitter.com/G4Mn7CsxwW

Im Central District schoss die Polizei mit Pfefferpatronen, um die Demonstrant*innen zu vertreiben:

Eilmeldung: #HKPolizei schoss soeben Pfefferbälle auf Zivilisten in der D Aguilar Street. Sehr chaotisch

Darüber hinaus mussten sich Beamt*innen und Büroangestellte, die das Regierungshauptquartier oder Gebäude in dessen Nähe betraten, an verschiedenen Kontrollpunkten bei der Polizei ausweisen. Einige wurden durchsucht:

#HK fühlt sich heute Morgen wie ein Polizeistaat an. Wir wurden gerade durchsucht, wie fast alle, die in Richtung Legco [Legislativrat] unterwegs sind.

Gesetz zur Nationalhymne

Das Gesetz zur chinesischen Nationalhymne trat auf dem chinesischen Festland am 01. Oktober 2017 in Kraft und wurde einen Monat später in Anhang III des Grundgesetzes von Hongkong aufgenommen.

Die in Anhang III aufgeführten Gesetze können in Hongkong entweder durch Verkündigung oder durch Handlungsmittel der örtlichen Gesetze erlassen werden.

Während in dem am 22. Mai im Nationalen Volkskongress Chinas (NPC) eingebrachten Beschluss ausdrücklich erklärt wurde, dass das in Anhang III des Grundgesetzes eingefügte Gesetz über die nationale Sicherheit Hongkongs per Verkündigung erlassen wird, hat Peking der lokalen Gesetzgebung erlaubt, zu bestimmen, wie und wann das Gesetz über die Nationalhymne in Hongkong erlassen wird.

Sofort nach seiner Veröffentlichung im Januar 2019 rief der Gesetzentwurf über die Nationalhymne in der Öffentlichkeit große Besorgnis hervor.

Mit dem Gesetzesentwurf soll die Missachtung der chinesischen Nationalhymne kriminalisiert werden, indem die Menschen in Hongkong dazu verpflichtet werden, immer dann aufzustehen, wenn die Hymne öffentlich gehört wird.

Wenn der Gesetzentwurf im pekingfreundlichen Legislativrat verabschiedet wird, werden Beleidigungen, die gegen die Hymne gerichtet sind – z. B. durch Änderung des Textes – mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft,

Als das Gesetz im Juni 2019 in die zweite Lesung des Legislativrats ging, richtet sich der Blick der Zivilgesellschaft auf ein noch umstritteneres Gesetz – das chinesische Auslieferungsgesetz.

Aufgrund des Ausmaßes und der Intensität der Proteste gegen die Auslieferung an China, welche die Stadt in einen monatelangen Stillstand versetzten, wurden die Verlesungen des Gesetzes zur Nationalhymne neben andere Gesetzen ausgesetzt.

Die Beratungen über den Gesetzentwurf sollten mit der Wiedereröffnung des Legislativrates im Oktober 2019 wieder aufgenommen werden, aber die pro-demokratischen Abgeordneten der Minderheit nutzten eine Verschleppungstaktik, um die Wahl des Ausschussvorsitzenden des Repräsentantenhauses zu verschieben, wodurch sich die zweite Lesung immer weiter verzögerte.

Am 13. April griff Peking ein und beschuldigte die Abgeordneten der Opposition, die Legislative zu lähmen und ihren Eid nicht ernst zu nehmen.

Die Erklärung Pekings wurde von der Öffentlichkeit als Drohung angesehen, diese filibusternden Abgeordneten zu blockieren. In den letzten Jahren wurden aufgrund von Eidesstreitigkeiten insgesamt bereits sechs pro-demokratische Abgeordnete ausgeschlossen.

Unter dem Druck der Mitte mussten die pekingfreundlichen Abgeordneten im Leigislativrat hart durchgreifen.

Am 08.Mai und 18. Mai wurden die Abgeordneten der Opposition auf Anweisung des Legislativratsräsidenten Andrew Leung Kwan-yuen von Sicherheitskräften physisch aus dem Ausschuss des Repräsentantenhauses entfernt.

Als der Legislativrat am 27. Mai seine Arbeit wieder aufnahm, hatte der BEschluss des Nationalen Volkskongresses (NPC) vom 22. Mai zum Gesetz über die nationale Sicherheit Hongkongs das Feuer zusätzlich angefacht,

Tausende von Demonstrant*innen versammelten sich am 24. Mai in Causeway Bay, um ihrem Ärger über Pekings Vorgehen in der größten Demonstration, seit die COVID-19-Sperre die Bürger*innen zur Aufgabe der Proteste zwang, Ausdruck zu verleihen.

Die Polizei feuerte Tränengas und Pfefferkugeln auf die Demonstrant*innen ab und setzte Wasserwerfer ein, so dass mindestens sechs Menschen, darunter eine Frau in kritischem Zustand, ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten.

Während der ganztägigen Demonstration wurden insgesamt 193 Demonstrant*innen verhaftet.

Nathan Law, ein ehemaliger Abgeordneter, der während der Kontroverse um die Eidesleistung in 2017 disqualifiziert wurde, sagte die Rückkehr der  „Tränengas-Stadt“ voraus:

Die Polizei schoss im Stadtzentrum von Hongkong erneut mit Tränengas, ohne dass es zu irgendeiner Form von Unruhe seitens der Bevölkerung kam. Dies ist die Zukunft Hongkongs unter dem Gesetz zur nationalen Sicherheit: keine Versammlungs- und Redefreiheit.

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