- Global Voices auf Deutsch - https://de.globalvoices.org -

Erinnerung an LGBTQ-Aktivisten Zak Kostopoulos: ermordet von Lynchmob, verleumdet durch griechische Medien

Kategorien: Westeuropa, Griechenland, Bürgermedien, Internetaktivismus, Medien & Journalismus, Rechte der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transsexuellen (LGBT)

Aktivist und Verfechter von LGBT-Rechten: Zak Kostopoulos. Foto online weitrechend verbreitet.

Am 21. September wurde der bekannte griechische LGBTQ+-Aktivist Zak Kostopoulos in Athen gelyncht. Der Fall schockierte und spaltete die griechische Gesellschaft und die Nachbeben sind noch immer zu spüren.

Der Fall kam zum ersten Mal ans Licht durch eine Reihe [1] von drei von Zivilisten aufgenommenen [2] Videos [3] [Warnung: verstörender Inhalt], die zeigen, wie ein Man von zwei anderen Männern verprügelt wird, als er versuchte aus einem Juweliertgeschäft auf der Gladstone Street am Omonoia Platz, Athen, zu fliehen. Die Identität des Mannes war zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. Eines der Videos zeigt zwei Polizeibeamte, die auf das Opfer eintreten und dann in Handschellen legen, als der Mann bewusstlos und in einer Blutlache am Boden lag.

Einen Tag nach Zirkulation der Videos wurde die Identität des Mannes bekanntgegeben: es war Zacharias Kostopoulos [4], 33, besser bekannt als Zak oder Zackie Oh, ein LGBTQ+- und HIV-positiver-Aktivist, Autor und Drag Queen.

Während die zwei Angreifer – der Juwelier selbst sowie der Besitzer eines angrenzenden Ladens – kurz darauf verhaftet wurde, wurde die Bekanntgabe der Identität des Opfers, Zak's Identität, zu einem Schlüsselmoment der Ereignisse. Es löste eine überwältigende Welle von Forderungen nach Gerechtigkeit aus der LGBTQ+-Gemeinschaft im ganzen Land aus, führte aber auch zu Hassrede gegen eben diese Gemeinschaft und Zak selbst.

Angefeuert wurde die Hassrede insbesondere durch die griechischen Medien, die Zak als “Junkie und Dieb” und die Angreifer als Opfer darstellten, welche lediglich versuchten, ihre Geschäfte zu schützen.

Beispielsweise gaben die Medien an, die Todesursache seie “ungeklärt [5]“. Der erste forensische Bericht besagt jedoch tatsächlich, die Ursache wäre “vorerst ungeklärt”, was bedeutet, dass eine genaue Ursache erst bestimmt werden kann, sobald die Ergebnisse der histologischen sowie der toxikologischen Untersuchungen vorliegen [6].

Die Narrative des “Junkies” wurde von vielen Menschen in den sozialen Netzwerken aufgegriffen, wo sie sich darüber hinaus mit einer homophoben Stimmung mischte. Im September veröffentlichte der Journalist und Autor Vassilis Kasimatis eine Stellungnahme, welche auf Widerhall bei vielen Griechinnen und Griechen stieß:

Ζακ Κωστόπουλος. ΑΠΟ ΚΑΚΟΥΡΓΟΣ ΛΗΣΤΗΣ… ΗΡΩΑΣ!!
[…]
Το γεγονός ότι αυτός ο αλήτης ο Ζακ ήταν gay δεν θα πρέπει ουδολως να επηρεάζει τη κρίση μας. Κι αυτό γιατί υποσυνείδητα στοχοποιούμε και παλι την gay κοινότητα δίχως ουσιαστικό λόγο. Τα ίδια και με τις αισχρες παρελάσεις των gay. Ο στόχος – και μόνο – του ΣΥΡΙΖΑ είναι να προκαλέσουν το μίσος ανάμεσα μας. Το γεγονός ότι έχουν διορίσει ως διοικητή του τμήματος αντιρατσιστικής βίας, ένα δημοσιως δηλωμένο ομοφυλόφιλο, ο οποίος κατά καιρους προβαίνει σε απαράδεκτες ανακοινώσεις, (οπως η τελευταία δήλωση αλληλεγγυης στον ληστή Ζακ) υπηρετεί τον ίδιο αυτό σκοπό. (Θα πρέπει να μετατεθεί ΑΜΕΣΑ!!)
[…]
Ένας gay (ο Ζακ) έπραξε το κακούργημα της ληστείας. Ορθώς αμύνθηκε ο κοσμηματοπώλης. Τέλεια και παύλα. Μέχρι εκεί.
Θέλω να πιστεύω ότι θα αθωωθεί πλήρως στο δικαστήριο ο νοικοκύρης ιδιοκτητης και θα τελειώσουν όλα εκεί.
Μην απορήσετε αν κάνουν άγαλμα τον Ζακ όπως έκαναν και με τον Παύλο Φύσσα.
[…]

Zak Kostopoulos. VON EINEM KRIMINELLEN DIEB… [zu einem] HELDEN!!
[…]
Die Tatsache, dass dieser Nichtsnutz Zak schwul war, sollte unser Urteil nicht beeinflussen. Unterbewusst greifen wir erneut grundlos die schwule Gemeinschaft an. Das gleiche gilt für diese gewissenlosen Schwulenparaden. Das einzige Ziel der SYRIZA [die regierende politische Partei] ist, Hass unter den Menschen zu provozieren. Die Tatsache, dass sie einen offen homosexuellen Mann zum Direktor der Abteilung gegen rassistische Gewalt gemacht haben, der beiläufig inakzeptable Ankündigungen macht (wie die aktuelle Solidaritätserklärung gegenüber dem Dieb Zak), dient demselben Zweck. (Er muss SOFORT versetzt werden!!)
[…]
Ein schwuler Mann (Zak) übte den Tatbestand des Diebstahls aus. Der Juwelier verteidigte sich rechtmäßig. Ende der Geschichte. Genug.
Ich möchte glauben, dass der “Besitzer” einen umfassenden Freispruch erhält und damit alles beendet ist.
Ich wäre nicht überrascht, wenn sie Zak eine Statue widmen, wie sie es bei Pavlos Fyssas [ein antifasischtischer griechischer Rapper, der 2013 ermordet wurde] gemacht haben [7].
[…]

Unterdessen waren die Ermittlung um den Mord an Zak von Verzögerungen und Unzulänglichkeiten geprägt.

Neben des augenschaulichen Übermaßes an Gewalt gegenüber einer bewusstlosen Person, versäumten Polizeibeamte es, Beweise am Tatort rechtzeitig zu sichern und nahmen außerdem keine Zeugenaussagen von Augenzeuge auf – dem Ladenbesitzer war es sogar möglich, sein Geschäft im Anschluss aufzuräumen.

Trotz alledem lobten Mitglieder der Polizeigewerkschaft das Verhalten ihrer Kollegen. Der Gewerkschaftspräsident, Dimosthenis Pakos, sagte gegenüber dem Fernsehsender ANT1 [8]:

Όλες οι αστυνομικές πρακτικές λένε τα ίδια πράγματα. Πάνε σε ένα συμβάν στο οποίο καλούνται να αντιμετωπίσουν ένα άτομο οπλισμένο σε αμόκ. Αυτό γνωρίζουν. Τίποτα άλλο. Για να χειροπεδηθεί και να μην τραυματιστεί διερχόμενος πολίτης ή ο ίδιος, αυτή είναι η πρακτική. Σ’ όποιον αρέσει.

Die Polizeipraxis beginnt immer gleich. Sie werden zu einem Vorfall gerufen, bei dem sie sich einer bewaffneten und amoklaufenden Person gegenübergestellt sehen. Das ist alles, was sie wissen; mehr nicht. Damit eine Verhaftung vorgenommen werden kann und keine Passanten oder Polizeibeamte selbst verletzt werden, ist das Vorgehen immer gleich. Friss oder stirb.

Die Einstellung der Angestellten der nationalen Notrufzentrale (kurz EKAB) wurde ebenfalls in Frage gestellt [9] – ein Video zeigt zwei Notrufsanitäter, wie sie tatenlos zusehen, als die Polizeibeamten auf das Opfer eintraten.

Am 20. November wurden die endgültigen Autopsiebefunde veröffentlicht: Zak erlitt eine ischämische Myokardläsione [10] (eine Art Schlaganfall im Herzmuskel, die zu Störung/Versagen des Organs führt), verursacht durch zahlreiche Verletzungen an seinem Körper, welche eine heftige Reizung auslösten und schlussendlich zu seinem Tod führten. Die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchung waren ohne Befund.

Trotzdem teilte Faye Karavasili den folgenden Gedanken auf ihrer Facebook-Seite [11]: was, wenn das Opfer ein “Junkie” gewesen wäre?

So, there goes the “junkie robber” theory.
His tox screen was clean and he died as a direct result of the lynching he received. He didn't overdose. He didn't catch a cold.
But that is not the scary part. What really scares me is the need for the side of the victim to prove they were a “good guy” after all, as if “bad guys”” and “junkies” and “petty criminals”, none of which was the case for Zak, can have their rights revoked and their lives removed without due process or trial by any crowd at any time. I know that if I didn't know him, maybe I wouldn't have been so vested into finding out what happened to him. All the same, I refuse to live in a society that justifies the mob killing of a weakened man of less than 50 kg in the middle of the day in the middle of Athens at the hands of a crowd. If that really were a junkie, we would not be having this conversation now and it is a bloody crucial conversation to have. You can't both love law and order AND applaud such suspension of BOTH. You can't complain about the violence if you are the one justifying it or inflicting it directly. Every day, Greece disgusts me more.

Und so geht die “Junkie-Dieb” Theorie dahin.
Sein toxikologischer Test war ohne Befund und er starb an den direkten Folgen des Lynchangriffs auf ihn. Er hatte keine Überdosis. Er hatte keine Erkältung oder Grippe.
Aber das ist nicht der beängstigende Teil. Was mir wirklich Angst macht ist, dass bewiesen werden muss, dass das Opfer am Ende doch “ein guter Mensch” war; als könne “schlechten Menschen”, “Junkies” und “Kleinkriminellen”, was Zak alles nicht war, jederzeit von jeden anderen Menschen ihre Rechte und auch ihr Leben genommen werden, ohne Rechtsstaatlichkeit oder Verfahren. Hätte ich ihn nicht gekannt, wäre es für mich womöglich nicht so wichtig gewesen, herauszufinden, was ihm passiert ist. Gleichwohl weigere ich mich, in einer Gesellschaft zu leben, die die Ermordung eines geschwächten, weniger als 50 Kilo wiegenden Mannes am hellichten Tag mitten in Athen durch einen wütenden Mob rechtfertigt. Wäre das wirklich ein Junkie gewesen, hätten wir diese Diskussion jetzt nicht, wobei es eine verdammt wichtige Diskussion ist. Du kannst nicht auf der einen Seite Recht und Ordnung lieben UND GLEICHZEITIG das Aussetzen von BEIDEM gutheißen. Du kannst dich nicht über Gewalt beschweren, wenn du der-/diejenige bist, der/die sie rechtfertigt oder sie direkt ausübt. Jeden Tag ekelt mich Griechenland mehr an.

Zeichen der Solidarität

Momentaufnahme eines Zak Kostopoulos gewidmeten Protests in Athen, 02. Oktober 2018. Foto vom öffentlichen Facebook-Profil des Fotojournalisten Marios Lolos [12]. Verwendung mit freundlicher Genehmigung.

Am 02. Oktober hielten LGBTQ+-Organisationen, Anti-Rassismus-Kollektive und nicht-parlamentarische linksgerichtete Organisationen einen Massenprotest im Zentrum Athens [13] ab. Am 06. Oktober besuchten Aktivistinnen und Aktivisten den Präsidenten des griechischen Parlaments und reichten ein Gesuch mit der Forderung auf Untersuchung des Falls ein [14]. Kurz darauf eröffnete der Generalstaatsanwalt ein Untersuchungsverfahren [15] zu einem möglichen rassistischen Motif hinter dem Mord, der Zak das Leben kostete.

Mehr als zweihundert griechische Journalistinnen und Journalisten sowie und Fotografinnen und Fotografen unterzeichneten eine Stellungnahme [16], die die sensationssüchtige und beschuldigende Art der Berichterstattung durch die griechischen Medien kritisierte. Dutzende Künstlerinnen und Künstler unterzeichneten ebenfalls einen offenen Brief [17] und verlangten Aufklärung hinsichtlich der Umstände, unter denen Zak ums Leben kam.

Rund einen Monat nach dem Ereignis sendete Zaks Mutter, Eleni Kostopoulou, einen Brief an den Premierminister Alexis Tsipras [18], in dem sie eine “faire Bestrafung” verlangte für alle Beteiligten am Mord ihres Sohns. Der Premierminister antwortete zwei Tage später [19] und sagte, ihr Verlust solle nicht in Vergessenheit geraten bei den Menschen, die für eine Gesellschaft kämpfen, in der das Menschenleben das höchste Gut ist.

Am 20. November, dem Gedenktag für die Opfer von Transphobie [20] (International Transgender Day of Remembrance), wurde bei Massenversammlungen in Athen eine Rede Zaks aus dem Jahr 2011 gezeigt. Im Anschluss lief der Protestmarsch mit angezündeten Kerzen in Richtung des griechischen Parlaments. Eine ähnliche Veranstaltung fand in Thessaloniki [20] statt.

Das Forensic Architecture Research Center kündigte seine Unterstützung für Zaks Familie an und hat aus diesem Grund eine spezielle Plattform für das Sammeln von audiovisuellem Material [21] zu seinem Fall eingerichtet. Einreichungen können auch anonym vorgenommen werden.

Eine Freiwilligeninitiative, Justice 4 Zak/Zackie [22] (soviel wie: Gerechtigkeit für Zak/Zackie), wurde ebenfalls ins Leben gerufen, um Zak Kostopoulos Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Zaks Facebook-Profil [23], das nun ein Konto im Gedenkzustand ist, wurde überflutet mit tausenden Einträgen, in denen Menschen ihre Solidarität ausdrückten.