- Global Voices auf Deutsch - https://de.globalvoices.org -

Aus Furcht vor zweiter COVID-19-Welle werden Afrikaner*innen in China Ziel von Ausländerfeindlichkeit

Kategorien: Ostasien, Subsahara-Afrika, China, Ghana, Kenia, Nigeria, Bürgermedien, Ethnie & Rasse, Gesundheit, Humanitäre Hilfe, Internationale Beziehungen, Katastrophe, Kriege & Konflikte, Medien & Journalismus, Regierung, Reisen, COVID-19

Baohan Straight Street (in nördlicher Richtung), der Mittelpunkt des afrikanischen Stadtteils, Dengfeng Subdistrict, Yuexiu District, Guangzhou (Kanton), Guangdong, China. Foto von Anna Frodesiak [1] via Public Domain [2].

Lesen Sie im Global Voices Sonderbericht außerdem mehr über die globalen Auswirkungen von COVID-19 [3].

Nachdem sich das Epizentrum der COVID-19 Pandemie von China auf den Rest der Welt verlagert hat, verbreitete sich in den chinesischen sozialen Medien eine gegen Ausländer*innen gerichtete Stimmung.

In den vergangenen Wochen wurde in China eine steigende Zahl von Ausländer*innen und aus dem Ausland zurückkehrenden Chines*innen vermerkt, die sich mit dem COVID-19 Virus infiziert hatten. Aus diesem Grund begannen die Behörden damit, Ausländer*innen ins Visier zu nehmen, um eine zweite Ausbruchswelle des COVID-19 Virus zu verhindern.

Die afrikanische Gemeinschaft ist nicht die größte Gruppe von Ausländer*innen in China, jedoch ist sie die am deutlichsten erkennbare Zielgruppe der Virus-Kontrollmaßnamen sowie der ausländerfeindlichen Stimmung.

Vertreibung von Afrikaner*innen aus Guangzhou (Kanton)

Verschiedene Medien berichteten in den letzten Tagen von einer großen Anzahl von Afrikaner*innen, die ihre Wohnungen und Hotels in Guangzhou verlassen mussten und gezwungen wurden, sich auf COVID-19 testen zu lassen, um im Anschluss 14 Tage in Quarantäne gehen zu müssen.

‚Wir haben unsere Miete gezahlt, wir haben einen legalen Status in diesem Land und trotzdem werden wir vertrieben und müssen innerhalb einer Stunde gehen’ – Die Worte eines Mitglieds der #afrikanischen [5] Gemeinde.

Viele dieser Räumungen fanden in „Klein-Afrika” statt, einem Stadtteil in der Nähe des Guangzhou-Stadtzentrums, wo viele Afrikaner*innen studieren oder ihren Geschäften nachgehen,

Die städtischen Behörden erklärten am 07. April, dass sich angeblich fünf Nigerianer [6] bei einem Essen in einem Restaurant im Stadtteil Yuexiu, in dem sich Klein-Afrika befinde, infiziert hätten. Dieser kleine Ausbruch führte zu einer Stilllegung der Handelsaktivitäten in Klein-Afrika und verursachte bei den Bewohner*innen Panik. Vermieter*innen und Hotelbesitzer*innen entschieden sich deshalb, die Afrikaner*innen aus ihren Immobilien hinauszuwerfen.

Dieser Twitter-Nutzer machte einen Schnappschuss von der Straßenszene und veröffentlichte ihn auf Twitter:

Als Hunderte Afrikaner*innen aus Nigeria, Kenia, Ghana und anderen Ländern heimatlos gemacht und gezwungen wurden, auf der Straße zu schlafen, haben Vertreter*innen der afrikanischen Staaten ihrer Empörung Ausdruck verliehen.

Der Vorsitzende der Afrikanischen Union, Moussa Faki Mahamat, bestellte am 10. April den chinesischen Konsul ein [9] und drückte seine Besorgnisse über den Vorwurf von Misshandlungen gegenüber Afrikaner*innen in Guangzhou aus.

In derselben Nacht konfrontierte [10] der nigerianische Generalkonsul in Guangzhou, Anozie Maduabuchi Cyril, die Ordnungskräfte und protestierte gegen die diskriminierenden Handlungen bei der neuesten Welle der Virus-Kontrollmaßnahmen, „Afrikaner auszusuchen”:

In Nigeria gibt es viele Chinesen. Ich glaube nicht, dass sie jemals irgendwelche Informationen darüber erhalten haben, dass die nigerianische Regierung in ihre Wohnungen eingedrungen ist und sie zur Quarantäne gezwungen hat. Weshalb werden also die Afrikaner und besonders die Nigerianer in China angegriffen?

Gerüchte, Furcht, Fremdenfeindlichkeit

Die jüngste Feindseligkeit [11] gegen Afrikaner*innen ereignete sich am 01. April in Guangzhou, nachdem ein Nigerianer, der positiv auf den Coronavirus getestet wurde, beim Versuch, aus der Isolation zu fliehen, eine Krankenschwester angriff.

Während sich ein Video von diesem Vorfall rasend schnell verbreitete, lösten Gerüchte [12] über eine zweite Welle des Ausbruchs unter den Afrikaner*innen in der Stadt eine Panik aus.

Die Gerüchte deuteten an, dass mehr als 300.000 Afrikaner*innen in Guangzhou leben. Die Behörden versuchten jedoch klarzustellen, dass sich nur ungefähr 4.000 Afrikaner*innen in der Stadt befinden. Viele Bewohnerinnen und Bewohner hielten jedoch an ihrem Glauben fest, dass die Mehrheit der Afrikaner illegale Einwanderer sind und deshalb hier unter dem Radar leben.

Am 11. April [13]ist die Mehrheit der derzeitigen COVID-19 Infektionen (347 Fälle) auf lokale Übertragung zurückzuführen. Es gab 119 von außerhalb eingeführte Infektionen und die Mehrheit jener Infektionen waren aus Übersee zurückkehrende Chines*innen.

Am 10. April erklärten [13] die städtischen Behörden, dass es nur 30.768 ausländische Bewohner*innen in Guangzhou gäbe – die Mehrheit stamme aus Südkorea (4.600) und Japan (2.987) und dass die Gesamtzahl aller Afrikaner*innen 4.553 beträge. Aufgrund des Coronavirus-Ausbruchs habe eine große Anzahl von Ausländer*innen China verlassen und das globale Reiseverbot habe den Besuch vieler ausländischer Reisender vermindert.

Während die offiziellen Daten zeigen, dass in Guangzhou die vermeintliche „Bedrohung” durch die afrikanische Gemeinschaft nicht größer ist, als die von anderen Gemeinschaften, haben die lokalen Medien die heimischen Infektionszahlen verharmlost und stattdessen die von ausländischen und außerhalb kommenden Fälle der letzten Wochen hochgespielt.

Dadurch wurden Ausländer*innen als möglicherweise „ansteckend” dargestellt. Unter der ausländischen Bevölkerung sind die Afrikaner*innen aufgrund ihrer Hautfarbe oft direkteste Zielscheibe für Schikane.

Extra-nationale Behandlung’

Der Ausbruch ausländerfeindlicher Stimmung in Guangzhou fand vor dem Hintergrund beliebter patriotischer Diskurse statt, bei denen Ausländer*innen gerne als unkooperativ bezeichnet werden und als solche, die „extra-nationale Behandlungen” erhalten – ein beliebter politischer Begriff, mit dem Gruppen beschrieben werden, die mehr Privilegien als die allgemeinen Bürgerinnen und Bürger erhalten.

Zusätzlich zu dem Vorfall des Angriffs auf die Krankenschwester in Guangzhou haben zahlreiche Berichte und Videos diesen ausländerfeindlichen Online-Diskurs angefacht. In einem Bericht drängelten sich drei Ausländer – darunter einer mit dunkler Hautfarbe – bei einer Coronavirus-Schlange vor und brüllten  [14]Chinesen raus!” [14], nachdem sie im Stadtteil Loshan in der Stadt Qingdao von einer Menschenmenge umringt wurden. In einem anderen Bericht rannte [15] ein aus dem Ausland zurückgekehrter chinesischer Student aus einem Isolationszentrum weg. Ein anderer Beitrag berichtete von einem mit einer in Schanghai lebenden Familie verwandter Engländer, der das Privileg  [16]häuslicher Quarantäne genoss, anstatt in einem von Staat betriebenen Quarantäne-Zentrum zu leben.

Ein Rechtsanwalt in Beijing bezeichnete [17] diese unkooperativ Handelnden auf Weibo als „ausländisches Gesindel”: 

我不排斥洋人,但我排斥洋垃圾,反对超国民待遇。在地球村里,我们是个法治国家,自然应当是个开放的国家,但对于洋垃圾和超国民待遇,我希望相关行政机关和社区服务组织,依法履职,依法行政,不要自降人格,瞬间丧失权利带来的自信…

Ich habe nichts gegen Ausländer, bin aber gegen ausländisches Gesindel und gegen extra-nationale Behandlung. In diesem globalen Dorf sind wir ein Land, das durch Gesetze regiert wird. Wir müssen offen sein, aber ich wünsche mir, dass die Behörden und Gemeinde-Service-Organisationen die Gesetze beachten und nicht ihre Würde verspielen und Vertrauen verlieren, indem sie ausländischem Gesindel extra-nationale Behandlung gewähren.

Am 10. April veröffentlichte die chinesische Einwanderungsbehörde eine Erklärung [18], wonach Ausländer*innen, die sich weigern, den Virus-Kontrollmaßnahmen zu folgen, ausgewiesen werden. Ausgewiesenen Ausländer*innen könnte auf die Dauer von 10 Jahren die Einreise nach China verwehrt werden. Die der Kommunistischen Partei Chinas nahestehende People's Daily wiederholte [19] die populistische Meinung online:

在华外国人拒绝检疫将承担法律责任,一条红线划在所有人身前。从“中国人出去”到“洋女婿大人”,出的是不逊言行,大的是自以为是。法律面前,不存在肆意妄为,更没有委曲求全。依法依规、合情合理,这是一个开放国家、热情民族的待客之礼,也是一名来华人员、外籍人士的做客之道。 ​​​​

Ausländer, die die Quarantänemaßnahmen ablehnen, müssen dafür die rechtliche Verantwortung tragen. Diese rote Linie gilt für alle. Die Chinesen, die uns verlassen haben, bringen schlechtes Benehmen zurück, diese ausländischen Schwiegersöhne agieren in einer selbstgerechten Art und Weise. Vor dem Gesetz darf sich niemand schlecht benehmen und niemand sollte sich durch die Aufrechterhaltung der Harmonie gedemütigt fühlen. Die Gesetze zu befolgen ist nur vernünftig. Wir sind ein offenes Land und wir heißen unsere Gäste mit Gastfreundschaft willkommen, aber die ausländischen Gäste sollten auch die gleichen Regeln befolgen.

Online-Patrioten

Während afrikanische Führungskräfte, wie der nigerianische Generalkonsul, gegen die schlechte Behandlung und Diskrimination der Afrikaner*innen in China ihre Stimme erheben, reagierten verschiedene Kommentare mit einer Mischung aus Patriotismmus und Rassismus. Eine typische Reaktion war [20]:

不谈其他东西,就目前爆出来的视频来说,在中国真的有好多洋垃圾,赶紧全部遣返吧,对于违反中国法律的国外人,国人不能底气十足吗?别跪了,别一扯到国外人就说会有外交争端,违反了中国法律,就该处理

Über etwas anderes möchte ich gar nicht reden, sehen Sie sich nur die viralen Videos an, die Online zirkulieren. Es gibt so vieles ausländisches Gesindel in China, weist sie doch einfach alle aus. Diese Ausländer, die die chinesischen Gesetze verletzen, müssen bestraft werden. Wir knien nicht vor ihnen nieder. Wann immer Ausländer involviert sind, steht jemand auf und redet über Diplomatie. Wir müssen die chinesischen Gesetze aufrecht erhalten.

Ähnlich wie in anderen Ländern haben extrem rechts-gerichtete chinesische Online-Patrioten ihre Sorgen um die ethnische Reinheit in China geäußert. Dieser Weibo-Nutzer schrieb: [20]

依法驱逐违法长期滞留中国的“洋垃圾”!驱逐广州的违法滞留的黑人!否则广州若干年后第一个肤色被改变城市!星星之火可以燎原之势!为了民族底色!加油广州!

Weist dieses in China verbliebene „ausländische Gesindel” gemäß der chinesischen Gesetze aus. Weist die illegalen schwarzen Menschen, die in Guangzhou länger als erlaubt bleiben, aus oder diese Stadt wird die erste sein, die ihre Farbe ändern wird! Ein Funke kann Brände auslösen. Um die Farbe unserer Nation zu schützen, hält Guangzhou die Fahne hoch.

Ein sich schnell verbreitendes Video zeigt einen Ausländer mit dunkler Hautfarbe, wie er sich zu seiner  [21]Liebe für China” [21] bekennt, was viele ausländerfeindliche Kommentare wie diesen hier hervorgerufen hatte:

你爱中国?你懂中国历史?你知道中国文化?你能跟中国一起承担灾难?你能和中国一起迎击侵略者?你是爱中国给你提供的种种好处罢了,因为你在西方白人世界是受歧视的,若西方世界给你更大的好处,你立马转投他国,利己者居然敢说自己爱国?别拿脏手碰五星红旗!在我们不兴动不动拿国旗表衷心这一套!

Du liebst China? Kennst du die chinesische Geschichte? Chinesische Kultur? Kannst du in Katastrophenzeiten mit den chinesischen Menschen leiden? Kannst du mit China gegen Eindringlinge kämpfen? Du liebst China, weil es dir viele Vorteile verschafft hat – weil die Weißen dich diskriminiert haben. Wenn ein westliches Land dir größere Vorteile bietet, wirst du einer von denen. Du wagst es zu sagen, dass du China liebst. Fass unsere Nationalflagge nicht mit deinen schmutzigen Händen an. Unsere Flagge benutzen wir so nicht.

Die meisten Chines*innen mussten über zwei Monate lang eine erzwungene Isolation ertragen. Viele Ausländer*innen jedoch – insbesondere die afrikanische Gemeinschaft – befinden sich in einer schutzlosen Situation, weil sie keine permanente Aufenthaltsgenehmigung in China besitzen und viele kein Arbeitsvisum haben.

Vor gerade einem Monat hatte ein Gesetzesvorschlag für Ausländer*innen, die eine permanente Aufenthaltsgenehmigung in China beantragen, eine Gegenreaktion von Online-Patrioten [22] ausgelöst, die Ausländer dafür kritisierten, dass sie chinesische Frauen heiraten, aber China während des COVID-19-Ausbruchs verlassen oder verraten.

Die Ablehnung seitens der chinesischen Online-Patrioten gegen die Gewährung der Staatsbürgerschaft für Ausländer*innen steht jedoch im Gegensatz zur Kritik, dass Ausländer*innen eine „extra-nationale Behandlung” erhalten. Anstatt das Problem der Staatsangehörigkeit für Ausländer*innen rational zu behandeln, ermutigen die chinesischen Machthaber sehr oft einen patriotischen Diskurs gegen Ausländer*innen.