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Chinas Zensoren berichten: Behörden verzögerten Veröffentlichung von COVID-19 Genomsequenz-Testergebnissen um 14 Tage

Kategorien: Ostasien, China, Bürgermedien, Censorship, Gesundheit, Medien & Journalismus, Meinungsfreiheit
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Screenshot des China Central Television Berichts über die Veröffentlichung von “China im Kampf gegen COVID-19 im Jahr 2020″ via Hong Kong Citizen News.

Den chinesischen Medien wird vorgeworfen, [2] die politische Propaganda der Kommunistischen Partei Chinas weiterzuverbreiten, indem sie die Schwere des COVID-19-Ausbruchs herunterspielten. Erst am 20. Januar 2020 gab Peking endlich zu, dass die Übertragung auch von Mensch zu Mensch erfolgt.

Die steigende Zahl der bestätigten infizierten Fälle und die plötzliche Absperrung Wuhans am 23. Januar ermutigte anscheinend einige Journalisten in China, ihre Furcht vor Vergeltungsmaßnahmen zu überwinden und über die tatsächliche Situation zu berichten.

Caixin [3] ist eine der bekanntesten Wirtschafts- und Finanzdienst-Websites, die mit ihren ausführlichen Untersuchungsberichten dem Druck der chinesischen Propagandaabteilung widerstanden hat.

Ein paar Tage nachdem der renommierte chinesische Lungenfacharzt Dr. Zhong Nanshan am 20. Januar die Übertragung des Coronavirus von Mensch-zu-Mensch [4] auf dem Sender China Central Television bestätigt hatte, interviewte [5] Caixin den Hongkonger Mikrobiologen Guan Yi [6]. Dieser schätzte, dass das Ausmaß des COVID-19 Ausbruchs zehnmal größer sein könnte als der SARS-assoziierte Coronavirus [7] Ausbruch im Jahr 2003. Die Warnung wurde jedoch nicht beachtet und die Mehrzahl der Medien folgte den Anweisungen der Propaganda-Behörde, um den Ausbruch einer Panik in China zu vermeiden.

14 Tage lang verheimlichte China die COVID-19-Genomsequenz

Caixins neueste Untersuchungen, die am 26. Februar veröffentlicht  [8]wurden, ergaben, dass bereits Anfang Dezember mindestens 9 Proben von Patient*innen mit unerklärlicher, viraler Pneumonie an mehrere Labore zum Testen versendet wurden. Caixins Journalisten erstellten eine Liste der Labore, die den Krankenhäusern bei der Analyse des neuen Virus halfen, nachdem sie eine Anzahl der Ärzte interviewt hatten, die Patient*innen beim allerersten Ausbruch behandelt hatten. Ein Labor in Guangzhou (Kanton) fand beim Testen heraus, das die Genomsequenz des neuen Virus zu 87 Prozent dem Fledermaus-SARS-ähnlichem Coronavirus glich. Diese Ergebnisse teilte das Labor am 27. Dezember dem China Institute of Pathologen Biology (Chinesisches Institut für Pathogen-Biologie) und dem Chinese Center for Disease Control and Prevention (Chinesisches Zentrum für Krankheitskontrolle und -prävention) mit. Die Nationale Gesundheitskommission gab jedoch Anfang Januar eine neue Vorschrift heraus, womit allen Labors verboten wurde, ihre Testergebnisse zu veröffentlichen oder bekannt zu machen.

Erst am 11. Januar, zwei Wochen nach Erhalt der ersten Ergebnisse, erlaubte China, die Genomsequenz des COVID-19 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mitzuteilen. Der Caixin-Bericht ist insofern explosiv, weil damit gezeigt wird, dass Peking eine sehr wichtige Gesundheitsinformation 14 Tage lang geheim hielt. Die Genomsequenz ist deshalb so wichtig, weil damit nicht nur ein Diagnosetest erstellt werden kann, sondern auch der Ursprung des Virus festgestellt und ein zukünftiger Ausbruch vermieden werden kann,

Der Untersuchungsbericht wurde schnell aus dem Internet entfernt, aber hier [8] haben ihn die Netizens archiviert.

Die Behörden in Hubei vertuschen den Ausbruch

Es ist nicht das erste Mal, dass Caixins Untersuchungen von der Propaganda-Behörde gelöscht wurden. Anfang Februar wurde ebenfalls eine Recherche über die Daten der bestätigten Infektionen und Todesfälle zensiert [9]. Ein Arzt, der für das Fieber zuständigen Abteilung eines Krankenhauses in Wuhan berichtete Caixin, dass von 120 an einem Tag eingelieferten Patient*innen mit Fieber ungefähr 80 davon eine Lungentzündung hatten, aber nur 5 aufgenommen wurden, während der Rest sich selbt zuhause in Quarantäne begeben musste. Weiterhin befragten die Caixin-Journalisten ein Dutzend Familien, die davon berichteten, dass einige ihrer Verwandten an einer unerklärlichen Lungenentzündung gestorben waren, bevor der Test auf COVID-19 zum Standard wurde.

Ein anderer zensierter Bericht war ein Interview [10] mit einem der Experten der National Health Authority, der Wuhan am 8. Januar besuchte und zwei Tage danach mitteilte, dass der Ausbruch unter Kontrolle sei und es keine Spur einer Übertragung von Mensch zu Mensch gäbe. Dieser Experte fügte hinzu, sie hätten die für das Fieber zuständigen Abteilungen von sieben größeren Krankenhäusern besucht, aber keinen Bericht darüber erhalten, dass medizinisches Personal mit dem COVID-19 infiziert worden sei. Obgleich das Team vermutete, dass bereits Virus-Übertragungen von Mensch zu Mensch stattfanden, hatten sie bei ihrem Besuch keine Beweise dafür erhalten, was sie auf die unzuverlässigen Aussagen der örtlichen Gesundheitsbehörden und Krankenhausverwaltungen zurückführten.

Am 10. Februar wurden zwei der führenden Mitglieder der Hubei-Gesundheitskommission, die für den Ausbruch in Wuhan verantwortlich gemacht wurden, entlassen.

In einem Interview [11] mit Li Wenliang, der Informant, der am am 6. Februar aufgrund von COVID-19 starb,  [12]sagte Li, dass die Behörden bereits am 8. Januar von der Übertragung von Mensch zu Mensch wussten.

Abgesehen von den Zensuren werden Caixins Untersuchungen auch oft als Gerüchte bezeichnet. Am 20. Februar berichtete Caixin über den Ausbruch des COVID-19 Virus in einem Altersheim, [13] bei dem 11 Personen umgekommen sein sollen. Die Mehrheit dieser Fälle wurde jedoch nicht berücksichtigt, weil sie nicht auf COVID-19 untersucht worden waren. Am nächsten Tag bezeichneten die Behörden in Wuhan den Bericht  auf dem beliebten chinesischen Mikroblogging-Dienst Weibo als Gerücht und behaupteten, das Amt für bürgerliche Angelegenheiten (Civic Affairs Bureau) in Wuhan hätte in dem Altersheim alle Personen untersucht und bestätigete 12 Fälle, wovon einer am COVID-19-Virus gestorben sei. Daraufhin veröffentlichte Caixin eine Liste von 19 Toten, die zwischen dem 23. Dezember und 15. Februar gestorben waren. Die Liste wies nach, dass mindestens 7 an einer Lungentzündung gestorben waren, 3 an einer unbekannten Virusinfektion, 3 ganz plötzlich und 7 an Herzversagen.

Am 1. März lag die gesamte Zahl der bestätigten COVID-19 Fälle in China bei 79.971 mit 2,873 Todesfällen. [14] Obgleich diese Zahl immer noch groß ist, sind die Zahlen der bestätigten neuen Fälle seit bereits einer Woche rückläufig. Die chinesische Propaganda-Abteilung hat aber bereits ein Buch veröffentlicht mit dem Titel „China im Kampf gegen COVID-19 im Jahr 2020” (大國戰疫 2020) [15], in dem der Umgang des Staates mit dem COVID-19-Virus als eine großartige Leistung glorifiziert wird. Das ist vielleicht ein Zeichen dafür, dass die Kontrolle über die Medien weiter verstärkt wird, um damit den Informationsfluss über COVID-19 zu manipulieren.

Sehen Sie sich auch diese Sonderberichterstattung von Global Voices an: global impact of COVID-19  [16](Die globalen Auswirkungen von COVID-19).