In zahlreichen deutschen Städten fanden am 20. Februar Mahnwachen statt, um den Opfern des Anschlags vom Vortag in Hanau zu gedenken. Der mutmaßliche Attentäter ermordete zehn Menschen, bevor er sich selbst tötete. Sechs weitere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Laut Innenminister Seehofer handele es sich eindeutig um eine rassistisch motivierte Tat. Diese Einschätzung teilte auch Generalbundesanwalt Peter Frank in einer Stellungnahme vom 20. Februar, in der er bekannt gab, dass die vom mutmaßlichen Täter im Internet veröffentlichten Videobotschaften und dessen Manifest eine „zutiefst rassistische Gesinnung“ aufweisen. Darüber hinaus erklärte Frank in der Stellungnahme, haben neun der zehn Opfer eine Migrationsgeschichte und vier der fünf Verletzten hätten laut der Nachrichtenagentur dpa, die sich auf Sicherheitskreise beruft, ausländische Wurzeln, was die Vermutung des rechtsradikalen Motivs bestärkt.
Auch Bundeskanzlerin Merkel wählte klare Worte in ihrer Stellungnahme zum Anschlag:
Rassismus ist ein Gift. Der Hass ist ein Gift. Dieses Gift existiert in unserer Gesellschaft, und es ist schuld an schon viel zu vielen Verbrechen.
Dass die Kanzlerin konkret von Rassismus sprach, ist keine Selbstverständlichkeit. Oftmals wird in den sozialen Medien und Nachrichten sowie bei Stellungnahmen bzw. Aussagen von Politikerinnen und Politikern von Fremdenfeindlichkeit oder Ausländerfeindlichkeit als Motivation bzw. Motiv gesprochen, obwohl eine Vielzahl der Opfer von verbalen oder physischen rassistischen An- bzw. Übergriffen Deutsche sind. Diesen wichtigen sprachlichen Unterschied unterstreicht bspw. auch die Deutsche Presseagentur. Ihr Nachrichtenchef Froben Homburger erläuterte auf Twitter: Die dpa nenne nach internem Beschluss derartige Taten in der Regel „rassistisch“ oder „rassistisch motiviert“, wenn sie diese in eigenen Worten beschreiben und würde nur von Fremden- bzw. Ausländerfeindlichkeit sprechen, wenn Personen zitiert werden. Würde die dpa den verwendeten Begriff „Fremdenfeindlichkeit“ durch „Rassismus“ ersetzen, lege man den zitierten Personen einen Schlüsselbegriff in den Mund, den sie nicht verwendet hätten. Homburger führt hierzu weiter aus:
[…] dass sich vermeintlich fremdenfeindliche Taten in Wirklichkeit meist gegen Menschen richten, die der Täter allein aus einer rassistischen Perspektive heraus als „fremd“ bestimmt hat. Die Formulierungen „Fremdenfeindlichkeit“ oder „Ausländerfeindlichkeit“ bergen in diesem Zusammenhang daher die Gefahr in sich, als Bestätigung der Täter-Definition von „Fremdheit“ missverstanden zu werden.
Um der Opfer zu gedenken und ihre Solidarität zu zeigen sowie ein Zeichen gegen Rassismus, Hass und Terror zu setzen, gingen Menschen in ganz Deutschland am Tag nach dem Anschlag auf die Straße und nahmen an Mahnwachen teil.
Hier beispielsweise in Hanau selbst, wo am Abend zuvor der Anschlag verübt wurde:
In #Hanau beginnt gleich die Mahnwache. Der Marktplatz ist längst voll. #HanauShooting pic.twitter.com/6F8E9EtXzm
— Martín Steinhagen (@mstnhgn) February 20, 2020
Auch in Dresden versammeln sich Menschen in Gedenken:
In #Dresden hat eine Mahnwache für die Ermordeten des Anschlages in #Hanau begonnen. #RechterTerror #Rassismus pic.twitter.com/FVouM1F0Z1
— Straßengezwitscher (@streetcoverage) February 20, 2020
In Berlin kamen Menschen neben der Mahnwache am Brandenburger Tor auch am Hermannplatz zusammen:
Rund 3500 Menschen bei Kundgebung und Demonstration mit Start Hermannplatz Berlin in Gedenken an Opfer von rechtsextr. Anschlag in #Hanau. In verschiedenen Redebeiträgen wird Trauer, Solidarität und Wut bekundet; rechte/rassistische Hetze und Gewalt verurteilt #b2002 pic.twitter.com/cQHlQmqIOv
— Jüdisches Forum (@JFDA_eV) February 20, 2020
Neben den Mahnwachen deutschlandweit wurde auch in den sozialen Medien Anteil genommen, der Opfer gedacht und Solidarität bekundet. Darüber hinaus fanden viele Nutzer klare Worte zum Hintergrund der Tat und der Rolle des Rechtsextremismus nicht nur hinsichtlich des Anschlags in Hanau, sondern auch rassistisch bzw. rechtsextremistisch motivierter Taten. Denn die Tat von Hanau ist kein Einzelfall, wie ein Blick auf allein das vergangene Jahr und damit u. a. den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, den Anschlag in Halle mit zwei Todesopfern oder die Enttarnung einer rechten Terrorzelle verdeutlicht. Die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl hielt hierzu fest:
Rechtsextremismus trägt die Vernichtung immer in sich, egal wie sanft, amikal und parlamentarisch er daher kommt. Rechtsextremismus ist eine Vernichtungsideologie. #Hanau
— Natascha Strobl (@Natascha_Strobl) February 20, 2020