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Bloggerinnen und Blogger entsetzt über Fortbestand von Kinderehen in Trinidad und Tobago

Kategorien: Karibik, Trinidad & Tobago, Bürgermedien, Frauen & Gender, Jugend, Menschenrechte, Politik, Recht, Religion

"14 million Child Marriages [globally]...but you've got to play the cards you're dealt." Photo of stone games in Port-au-Prince, Haiti, by Thinking Development, which supports the work of www.girlsnotbrides.org in trying to put an end to Child Marriage. Image used under a CC BY 2.0 license.

„14 Millionen Kinderehen [weltweit]… aber du musst die Karten spielen, die dir gegeben wurden.“ Foto mit Steinen spielender Kinder in Port-au-Prince, Haiti. Foto von Thinking Development, eine Organisation, die www.girlsnotbrides.org im Kampf gegen Kinderehen unterstützt. CC BY 2.0.

Nachdem der Leiter der Inter-Religious Organisation (IRO) von Trinidad und Tobago [1] sich letzte Woche gegen eine Änderung des Ehegesetzes [2] aussprach, da „das Alter nicht die Reife bestimmt“, hält die Debatte um die Kinderehe in Trinidad und Tobago [3] an. Zwar wurde das Mindestalter für sexuelle Mündigkeit im letzen Jahr von 16 auf 18 Jahre angehoben, Kinderehen sind in dem karibischen Inselstaat jedoch weiterhin legal und werden in Teilen der hinduistischen und muslimischen Gemeinschaft nach wie vor praktiziert.

Viele Bloggerinnen und Blogger sind immer noch fassungslos angesichts dieses Widerspruchs. Auf dem Blog Square Peg (Round Hole) ist Folgendes zu lesen [4]:

As a thinking and empathetic citizen of this country, I’m obviously horrified that – in the year of our Lord, 2016 – we need to debate whether it should be legal for children to be married. […]

If the IRO is to have any hope of salvaging itself before the sensible citizens of this nation logic it into oblivion, it needs to completely abandon this archaic and alarming stance immediately.

Als denkende und mitfühlende Bürgerin dieses Landes bin ich selbstverständlich entsetzt, dass wir – im Jahre unseres Herrn 2016 – darüber diskutieren müssen, ob es legal sein sollte oder nicht, ob Kinder verheiratet werden. […]

Wenn sich die IRO einen Funken Hoffnung auf ihre eigene Rettung bewaren will, bevor die vernünftigen Bürgerinnen und Bürger dieses Landes sie in die Vergessenheit befördern, muss sie diese archaische und alarmierende Haltung sofort und vollständig aufgeben.

Eine weitere Bloggerin, die sich selbst als „Tochter von Sanatan Dharma [5]“ (der größten hinduistischen Organisation in Trinidad und Tobago) bezeichnet, sieht dies ähnlich [6]. Auf ihrem Blog keepinganemptycup schreibt sie:

I stand firm in the face of the atrocity that is child marriage and rebuke it without regret. This is not just an issue of age and maturity, but once again, of power.

The policing of women and girls’ bodies by Hindu men has been a plague to this system of belief for hundreds of years. Despite the worship of female deities who are warriors, nurturers and the like, there exists a patriarchal supposition that women and girls must be strictly policed; we are the responsibility of fathers, then husbands, then sons. A single woman on her own is a being to be despised, shunned, hated, feared or conquered. Thus, marriage is seen as the institution that can keep a woman ‘in line’. The fact of child marriages stems from poverty and misconceptions of the ‘evil’ that is female sexuality.

Die Kinderehe ist ein Gräuel, das ich hart und entschieden ablehne. Es handelt sich nicht nur um eine Frage von Alter und Reife, sondern – wieder einmal – von Macht.

In diesem Glaubenssystem bestimmen hinduistische Männer seit Jahrhunderten über die Körper von Frauen und Mädchen. Trotz der Verehrung von Göttinnen – Kriegerinnen, Ernährerinnen usw. – gibt es die patriarchale Annahme, dass Frauen und Mädchen streng überwacht werden müssen; wir obliegen der Verantwortung von Vätern, später von Ehemännern und dann von Söhnen. Eine auf sich alleingestellte alleinstehende Frau wird verachtet, gemieden, gehasst, gefürchtet oder unterworfen. Dementsprechend wird die Ehe als eine Institution angesehen, die dafür sorgt, dass Frauen nicht „aus der Reihe tanzen“. Die Ursachen für Kinderehen sind Armut sowie falsche Vorstellungen über das „Böse“ der weiblichen Sexualität.

Die Bloggerin lehnte die Rechtfertigung der Praktik als religiöse Tradition ab. Es sei „an der Zeit, dass die hinduistischen Frauen aufstehen und diesem patriarchalen System mit seinem absurden, missbräuchlichen und archaischen Gesetz ein deutliches NEIN entgegnen.“ Sie schreibt weiter:

This Sanatan Dharma has survived thousands of years because it has evolved […] This is why it is difficult for me to truly understand how ‘big, hard-back men’, versed in the laws of Dharma, understanding of the progress of the world, can sit from their thrones of ignorance and declare that child marriages are ‘okay’, because ‘we doing it long time…we forefathers used to do it’. Many of our forefathers used to drink puncheon and beat up their wives too, does that mean alcoholism and domestic violence are okay and should be continued?

It just goes to show how much it worries these men that women and girls are no longer filling the roles this patriarchal system has been pinning onto them.

Sanatan Dharma hat tausende von Jahren überlebt, weil es sich weiterentwickelt hat […] Deshalb ist es schwer für mich, zu verstehen, wie „große, starke Männer“, wie es in den Gesetzen des Dharma heißt, die den Fortschritt der Welt verstehen, auf ihren Thronen sitzen und erklären können, dass Kinderehen „okay“ seien, weil „wir es seit langer Zeit tun […] und unsere Vorväter es getan haben“. Viele unserer Vorväter haben auch Puncheon [Anm. d. Übers.: Rum aus Trinidad und Tobago] getrunken und ihre Ehefrauen geschlagen. Heißt das, dass Alkoholismus und häusliche Gewalt in Ordnung sind und fortgeführt werden sollten?

Dies zeigt nur, wie sehr diese Männer besorgt darüber sind, dass Frauen und Mädchen die Rollen, die dieses patriarchale System für sie vorgesehen hat, nicht mehr ausfüllen.

Der Blogger Darren J. Glenn gibt außerdem Folgendes zu bedenken [7]:

So: I am to understand that in the year 2016 in a secular, democratic republic, the legality, stipulations and recognition of marriage lays squarely in the hands of the religious communities. The state manages matrimony after the fact, but communities of faith act as the primary authorities with regard to setting police and procedure.

Is this really what we’re doing?! Beyond being simply ridiculous domestic policy, I hold this practice to be dangerous. My outrage at this fact is rooted in the fact that we want to be a modern state seen as a bearer of human rights, yet we uphold policies where oppression could easily be hidden. […]

My question to them is: what gives them the right to speak on public policy? Who cares what they have to say? Why does the fundamentally moral and theological conversation taking place among the interfaith community in TT have such marked implications for our legislative sphere?

Also: Ich soll verstehen, dass im Jahr 2016 in einer säkularen, demokratischen Republik die Legalität, Bestimmungen und Anerkennung bezüglich der Ehe voll und ganz in den Händen der religiösen Gemeinschaften liegen. Der Staat verwaltet die Ehe nachträglich, die Glaubensgemeinschaften sind jedoch die primären Institutionen, wenn es darum geht, die Ehe zu schließen.

Tun wir das wirklich?! Ich halte diese Praktik, abgesehen davon, dass es einfach lächerliche Innenpolitik ist, für gefährlich. Meine Wut liegt hierbei in der Tatsache begründet, dass wir ein modernes Land sein wollen, in dem Menschenrechte gelten, und gleichzeitig behalten wir Politiken bei, die Unterdrückung leicht verdecken können. […]

Meine Frage an sie lautet: Was gibt ihnen das Recht, sich zu politischen Fragen zu äußern? Wen interessiert es, was sie zu sagen haben? Warum hat die fundamental moralische und theologische Debatte der interreligiösen Gemeinschaft in Trinidad und Tobago derartige Auswirkungen auf unsere Gesetzgebung?

Während die Regierung sich immer noch bezüglich der Aufhebung des Gesetzes berät, bleibt abzuwarten, wie groß der Einfluss religiöser Einrichtungen in Bezug auf Fragen von Staat und Geschlecht ist.