Mexikanerinnen demonstrieren gegen Entführungen und Frauenmorde

Demonstration auf dem Zócalo, dem zentralen Platz in Mexiko-Stadt, am 2. Februar. Foto von Jer Clarke. Verwendung mit freundlicher Genehmigung.

Am 2. Februar strömten Frauen in Mexiko-Stadt auf die Straßen und überfluteten die sozialen Medien, um mit Sprechchören und Hashtags wie #VivasNosQueremos (deutsch: Lebend lieben wir uns), #NiUnaMás (deutsch: Nicht eine mehr) und #NoEstamosSolas (deutsch: Wir sind nicht allein) gegen die schockierenden Statistiken über Gewalt gegen Frauen im ganzen Land zu demonstrieren. 2018 wurden in Mexiko jeden Tag durchschnittlich neun Frauen getötet, so die Nationale Menschenrechtskommission.

Etwa 4.000 Menschen versammelten sich am Denkmal Monumento a la Madre. Von dort aus liefen sie zum Zócalo, dem zentralen Platz in Mexiko-Stadt. Am vorangegangenen Abend hatten sich hunderte Frauen in 13 Städten im ganzen Land – darunter allein 200 Radfahrerinnen in der Hauptstadt – einem Fahrradkorso unter dem Motto Rodada por la vida y libertad de las mujeres (deutsch: Radspuren für das Leben und die Freiheit von Frauen) angeschlossen.

Zu den Demonstrationen war aufgerufen worden, nachdem eine Recherche der Tageszeitung El País ergeben hatte, dass in den vergangenen vier Jahren 153 Menschen, die meisten davon Frauen, in der U-Bahn in Mexiko-Stadt entführt worden sind. Die Demonstrantinnen und Demonstranten forderten ein Ende der Frauenmorde und riefen die Behörden auf, angemessene Sicherheitsmaßnahmen für Frauen in öffentlichen Verkehrsmitteln einzuführen.

Global Voices Tech-Leiter Jer Clarke war bei der Demonstration am 2. Februar in Mexico-Stadt dabei und machte dieses Video:

In den sozialen Medien wurde die Demonstration ebenfalls verfolgt und mit Hashtags wie #LaNocheEsNuestra (deutsch: Die Nacht gehört uns) und #LaCalleEsNuestra (deutsch: Die Straße gehört uns) gefeiert.

Ruido en la Red veröffentlichte auf Twitter ein Video, das Frauen zeigt, die während des Fahrradkorsos „Nicht eine mehr, keine getöteten Frauen mehr“ skandieren:

Fahrradkorso am Diana-Brunnen als Protest gegen die Gewalttaten, die in den vergangenen Tagen gegen Frauen verübt wurden.

Eine weitere Demonstration ist für den internationalen Frauentag am 8. März geplant.

„Heute ist es mir passiert.“

Der von der Tageszeitung El País veröffentlichte Artikel über die Entführungen hat seit seiner Veröffentlichung im Januar 2019 im Internet regelrechte Schockwellen ausgelöst.

Zeugenaussagen enthüllen die vielen beängstigenden Arten, wie Frauen in der U-Bahn entführt werden können und wie die Gleichgültigkeit von Schaulustigen den Angreifern im Endeffekt hilft.

Auf Facebook beschrieb Eunice Alonso, wie es ihr nur knapp gelang, einer Entführung zu entgehen:

Pues ahora me tocó a mi.

Hace un rato me encontraba en la estación del metro Boulevard puerto aéreo, estaba esperando a que llegara el metro y un joven de entre 20 y 25 años se me acercó muchísimo y sentí que recargó algo en mi costilla […] al principio creí que me iba a asaltar, pero me dijo: “vas a salir conmigo y verás una camioneta blanca, te vas a subir y si alguien te dice algo dices que es tu uber”. Me quedé paralizada y comenzó a darme un ataque de ansiedad por lo que empecé a llorar, y una señora (a la que no tuve oportunidad de preguntarle su nombre) me dijo: ¿estás bien?, no pude contestarle y se dio cuenta de lo que estaba pasando que empezó a gritar: “fuego, fuego”. Y la gente empezó a vernos y un policía se acercó; fue así como el joven me soltó y se dio a la fuga.

Heute ist es also mir passiert.

Einen Moment war ich noch in der U-Bahnstation Boulevard Puerto Aéreo und wartete auf meinen Zug und im nächsten Moment stand ein junger Mann zwischen 20 und 25 sehr dicht neben mir. Ich bemerkte, dass er etwas gegen meine Rippen drückte […]. Zuerst dachte ich, dass er mich ausrauben würde, aber dann sagte er: „Du kommst jetzt mit mir nach draußen. Du siehst einen weißen Lieferwagen. Du steigst ein. Wenn jemand etwas sagt, sagst du, das ist dein Uber“. Ich war wie erstarrt und stand kurz vor einer Panikattacke. Ich fing an zu weinen. Dann fragte mich eine Frau (deren Namen ich nicht kenne): „Geht es Ihnen gut?“ Als ich nicht antwortete, rief sie: „Feuer! Feuer!“. Da sahen die Leute zu uns hin und ein Polizist kam zu uns herüber und der Mann [der mich festgehalten hatte] lief weg.

Die Frau in der Geschichte nutzte eine Strategie, die viele Experten empfehlen. Braucht man Hilfe, raten sie, lieber Schlüsselwörter wie „Feuer“ oder „Erdbeben“ zu rufen, um die Aufmerksamkeit der umstehenden Menschen oder von Sicherheitspersonal auf sich zu ziehen, ohne dabei direkt auf den Angreifer zu deuten, denn dies könnte ihn zu einer gewaltsamen Reaktion provozieren.

Die Datenjournalismus-Gruppe Serendipia DATA legte eine gemeinsame Datenbank an, in der Vorfälle wie dieser in den U-Banhstationen der mexikanischen Hauptsadt auf einer Karte abgebildet werden.

Aktivisten haben 210 Berichte über versuchte Entführungen in Mexiko-Stadt und im Bundesstaat México gesammelt. Mithilfe dieser Karte können Sie [die Berichte im Detail] nachlesen.

Ein ähnliches Projekt wurde auch vom online Fernsehsender Rompe Viento basierend auf Daten, die von einem Facebook-Nutzer gesammelt worden waren, ins Leben gerufen.

Vorschläge

Am 1. Februar traf sich sich die Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt mit Opfern, deren Familien und anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen, um gemeinsam Pläne zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen in der Öffentlichkeit zu erarbeiten.

Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen der Behörden gehört unter anderem die Stationierung mobiler Einheiten der Staatsanwaltschaft, die sich vorrangig um Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt in den öffentlichen Verkehrsmitteln kümmern sollen. Außerdem wurde zugesagt, die Beleuchtung im Umfeld von U-Bahnstationen zu verbessern und die Überwachung zu erhöhen.

Viele halten diese Maßnahmen jedoch für unzureichend. Mehr als 90 Prozent aller Straftaten werden in Mexiko aus mangelndem Vertrauen in die Behörden gar nicht erst zur Anzeige gebracht. Viele Opfer fürchten Vergeltungsmaßnahmen oder haben Angst, dass die Behörden ihre Erlebnisse anzweifeln.

Demonstration in Mexiko-Stadt am 2. Februar. Foto von Jer Clarke. Verwendung mit freundlicher Genehmigung.

Der öffentliche Druck scheint nun aber immerhin einige Früchte zu tragen. So stieg zum Beispiel die Zahl der offiziellen Beschwerden von Frauen, die in den öffentlichen Verkehrsmitteln der Hauptstadt angegriffen worden waren, sprunghaft an. So konnten die Behörden ein Profil der möglichen Opfer erstellen.

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