IamLGBT-Kampagne chinesischer Netizens bringt Wandel bei Weibo

Bild neu erstellt von Wikimedia. CC: AT-SA.

Die virale Social-Media-Kampagne #IamLGBT (#我是同性戀, soviel wie #IchbinLGBT) zwang Chinas beliebteste Social-Media-Plattform Weibo erfolgreich dazu, die Zensur von LGBT-Inhalten zurückzuschrauben.

Dieser Schritt bedeutet nicht, dass LGBT-Stimmen online nicht auch weiterhin zum Schweigen gebracht werden. Es demonstriert jedoch eine erhebliche Abweichung von der sonst vorherrschenden Linie der Firmenpolitik.

Am 13. April kündigte Weibo Pläne an, die ein hartes dreimonatiges Durchgreifen gegen Cartoons, Games und Multimediainhalte mit sich bringen. Die Pläne basieren auf Chinas Cybersecurity-Gesetz, welches ideologische Kontrolle und „sozialistische Grundwerte“ als zentrale Faktoren für die Aufrechterhaltung staatlicher Sicherheit hervorhebt. Einen direkten Bezug auf LGBT-Inhalte gibt es im Gesetz nicht.

Das Unternehmen erklärte unmissverständlich, dass LGBT-Inhalte betroffen sein würden und gab an, bereits 56.243 Beiträge gelöscht, 108 Nutzerkonten entfernt und 62 dem Thema zugehörige Diskussionsthreads geschlossen zu haben.

Am nächsten Tag veröffentlichte „LGBT voices“ (soviel wie „LGBT-Stimmen“), ein beliebtes LGBT-Nutzerkonto, eine Stellungnahme auf Weibo:

【公告】由于不可抗力原因,同志之声微博编辑部将无限期暂停工作。在暂停工作期间,我们将不再使用@同志之声 官方微博更新任何同志资讯。感谢新浪微博多年来对同志之声的支持与帮助!感谢2009年至今关注同志之声的微博读者:你的每一次评论、转发与点赞,都是在完成一次对爱的发声。愿明天会更好!

[Öffentliche Mitteilung] Aufgrund von Umständen, die außerhalb unserer Kontrolle liegen, wird die redaktionelle Arbeit von LGBT voices auf Weibo auf unbestimmte Zeit eingestellt. Während dieser Zeit werden wir unseren offiziellen Weibo-Account von LGBT voices nicht zur Veröffentlichung von LGBT-Nachrichten verwenden. Ich möchte allen Weibo-Nutzern danken, die uns seit 2009 unterstützt haben. Jeder Kommentar, Like und Share ist eine Stimme für die Liebe. Lasst uns alle auf ein besseres Morgen hoffen.

Der oben aufgeführte Beitrag wurde mehr als 37.000 Mal geteilt.

Eine große Anzahl Weibo-Nutzer begann, kurze Zeit nachdem sich die Nachricht verbreitete, den Hashtag #IamLGBT als Protest gegen die Zensur zu posten. In weniger als einer Woche wurde der Hashtag 500.000 mal verwendet und erhielt rund 500 Millionen Aufrufe. Zensurbehörden versuchten durch das Löschen von Themenseiten, dem Protest entgegenzuwirken, konnten aber nicht mit den immer weiter protestierenden Nutzern sowie den ausländischen Medien, die die Vorkommnisse mittlerweile verfolgten, mithalten.

Durch den Druck der öffentlichen Meinung veröffentlichte die Zeitung People's Daily (eine offizielle Publikation der Kommunistischen Partei Chinas) am 15. April ein Memorandum, welches angibt, dass LGBT-Inhalte nicht verwechselt werden sollten mit vulgären, von Gewalt geprägten oder pornographischen Inhalten.

Am nächsten Tag passte Weibo seine Stellungnahme an und erklärte kein gezieltes Vorgehen gegen LGBT-Inhalte im Rahmen der dreimonatigen Zensurmaßnahmen durchzusetzen. Stattdessen würde sich die Zensur lediglich auf vulgäre, pornographische oder gewalttätige Inhalte konzentrieren.

Das Weibo-Nutzerkonto von LGBT voices nahm mit einer Stellungnahme am 16. April seine Aktivität wieder auf:

【公告:#同志之声微博恢复更新#】感谢每一位参与发声的你。没有阿声的 48 小时所发生的一切,足以证明:发声才有可能改变。@同志之声 微博编辑部即刻重新出发!—— 48 小时内,全因有你:同志之声 7 年前发起的 #我是同性戀# 微博话题阅读量超过 5 亿,超越 #撑同志反歧视# 成为中国互联网历史上最高阅读量的同志微博话题;48 小时内,世界十大报纸、党和政府的《人民日报》撰稿发文为同志发声;@微博管理员 最终修正错误决定,不再将同性恋列入违规内容清查范围。

——以上所有,都将被历史铭记。同志公益事业的路上,有你更有力量!我们将继续不遗余力传播健康的、科学的、有见地的同志资讯,让公众更客观、更科学地了解同志群体,从而消除歧视。同志之声也将不忘初心,继续在多领域为中国 LGBT 群体服务。

[Öffentliche Mitteilung: #LGBT voices nimmt Arbeit wieder auf#] Vielen, vielen Dank dafür, dass ihr eure Stimme erhoben habt. Was in den letzten 48 Stunden passiert ist, beweist, dass das reine Erheben der Stimme Veränderungen herbeiführen kann. Die Redaktion von @LGBT voices kann ihre Arbeit weiter fortführen – dank euch innerhalb 48 Stunden. Der Hashtag #IamLGBT, den wir vor sieben Jahren zu nutzen begannen, wurde mehr als 500 Millionen mal aufgerufen. Er wurde zum meistgelesenen LGBT-Thema gegen Diskriminierung in Chinas Internetgeschichte und überholte damit den Hashtag #SupportLGBT. Innerhalb von 48 Stunden berichteten 10 Pressekanäle außerhalb Chinas über die Vorkommnisse und auch die Regierung sowie die regierungszugehörige People's Daily äußerten sich. Der @Weibo Administrator änderte seine Entscheidung und wird fortan LGBT-Inhalte nicht mehr in der Liste zensierter Inhalte aufführen.

All das sollte in die Geschichte eingehen. Mit euch an unserer Seite wird die LGBT-Gemeinschaft stark bleiben. Wir werden weiterhin gesunde, wissenschaftliche und informative LGBT-Inhalte verbreiten, damit die Öffentlichkeit ein umfassenderes und systematischeres Verständnis unserer Gemeinschaft entwicklen kann. Dies ist der beste Weg, Diskriminierung die Stirn zu bieten. LGBT voices wird seiner Mission treu bleiben und der chinesischen LGBT-Gemeinschaft dienen.

Dies ist jedoch nur ein Hindernis, welches aus dem Weg geräumt ist. Viele weitere bleiben weiterhin fest verankert.

Die Zensurankündigung Weibos war kein isolierter Einzelfall, noch war es ein willkürlicher Fehler des Unternehmens. Sie resultierte aus dem durch die Zensurbehörden ausgeübten Druck. LGBT-Inhalte waren in den vergangenen Jahren bereits im Fokus von Zensurmaßnahmen. WeChat-Nutzer @Freedom-404 dokumentierte die folgenden Zensurereignisse gegenüber LGBT-Inhalten (via China Digital Times):

März 2018: Eine Vorstellung des preisgekrönten Films Call me by your name beim Beijing Film Festival wurde abgesagt. Der Film, welcher die Liebesgeschichte eines homosexuellen Paares erzählt, gewann den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch und war außerdem in den Kategorien Bester Film, Bester Hauptdarsteller und Beste Filmmusik nominiert.

Mai 2017: Die örtliche Metropolis Weekly bereitete eine Reihe von Sonderberichten zum Internationalen Tag gegen Homophobie, Transphobie und Biphobie vor, wurde aber gezwungen die Serie zurückzuziehen.

Juni 2017: Die Online Audio Visual Service Provider Association (soviel wie Vereinigung Audiovisueller Dienstleister) veröffentlichte eine Richtlinie, die von Online-Plattformen verlangt, Inhalte mit abnormalem sexuellen Verhalten wie Inzest, Homosexualität, sexueller Gewalt, Sadismus und Masochismus zu zensieren. Kurz darauf hatten Online-Plattformen, einschließlich Ximalaya.com und Youku, goße Teile ihrer LGBT-Inhalte entfernt.

Juli 2017: Als die feministische Wissenschaftlerin Li Yinhe ihre Stimme für die LGBT-Gemeinschaft erhob, wurde ihr Nutzerkonto für drei Monate gesperrt.

Juli 2015: Ein beliebtes Online-Videoprogramm, „Soll ich mich gegenüber meinen Eltern outen?“, wurde durch die State Administration of Press, Publication, Radio, Film and Television of China (etwa: Staatliches Amt für Rundfunk, Film und Fernsehen Chinas, SAPPRFT) verboten. Die offizielle Begründung für das Verbot war, dass die Gäste gegenüber „abnormalem“ sexuellem Verhalten zu verständnisvoll seien und, dass das Programm herkömmliche Werte und die Moral angreife.

Weibos geänderte Entscheidung und das Wiederauftauchen von LGBT voices werden der Beruhigung der öffentlichen Aufruhe gut tun. Es bedeutet aber nicht, dass LGBT-Inhalte bei den nächsten Zensurmaßnahmen verschont bleiben.

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