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Wie ein virales Augenrollen die Stille des stark zensierten chinesischen Webs durchbricht

Kategorien: Ostasien, China, Bürgermedien, Censorship, Humor, Politik, GV Advocacy

Screen capture from CCTV.

In den letzen zwei Wochen war Chinas National Peoples Congress (NPC) damit beschäftigt, die Begrenzung auf eine zweimalige präsidiale Amtszeit [1] aufzuheben.

Gleichzeitig führten die chinesischen Internetzensoren rigorose Maßnahmen ein, um die Netzbürger davon abzuhalten, diese Verfassungsänderung zu kommentieren und, um die Harmonie aufrecht zu erhalten – zumindest oberflächlich.

Diese erzwungene Stille wurde jedoch durch virtuelles Gelächter unterbrochen, nachdem die Live-Übertragung einer Kongress-Pressekonferenz die Reporterin Liang Xiangyi dabei erwischte, wie sie mit den ihre Augen [2] und in Richtung einer anderen Reporterin, Zhang Huijun, eine Grimasse schnitt, die gerade eine langatmige Frage in Bezug auf Chinas ‚One Belt One Road’-Projekt (etwa: Ein Band, eine Straße) gestellt hatte. Diese Konferenz wurde am 13. März 2018 vom zentralen Nationalfernsehen live übertragen.

Etwas später sickerte aus einem Chatroom eine Online-Unterhaltung zwischen Liang und einer anderen Kollegin durch. [3] Darin sagte Liang, sie hätte gedacht, „die Frau neben mir ist eine Idiotin”.

Sofort wurden Clips und Bildschirmaufnahmen von Liangs skeptischem Gesichtsausdruck in den sozialen Medien veröffentlicht und zehntausende Nutzer folgten sofort Liangs Weibo-Konto und drückten ihre Bewunderung für die spontane Reaktion aus. Memes mit rollenden Augen verbreiteten sich wie ein Lauffeuer – bis die Internetzensoren bekannt gaben, dass Online-Diskussionen über das Augenrollen verboten sind.

Was wurde zensiert?

Was wurde eigentliche zensiert? Hier sind ein paar bei Weibo erschienene Ausrücke, die der Internetbehörde nicht gefallen haben, wie von @Yorkson auf Twitter berichtet wurde:

„Die Dunkelheit der Nacht hat mir dunkle Augäpfel gebracht und alles was ich nun tun kann, ist die Augen zu rollen.”
„Das Weiße meiner Augen ließ das Land zusammenfallen und eroberte die ganze Welt”
„Wo freie Rede verboten war, blinkte man früher mit den Augen einen geheimen Code. In der Neuzeit haben wir die Freiheit, unsere Augen zu rollen.”
„Alle haben die Augen gerollt, doch gibt es nicht genügend Kameras, um all die rollenden Augen aufzunehmen.”

Die oben aufgeführten Kommentare zeigen die Unzufriedenheit über die Zensur dieses Vorfalls. Seitdem die Nachricht über Chinas Verfassungsänderung hinsichtlich der Amtszeit des Präsidenten erschien, wurden alle diesbezüglichen Wörter und Ausdrücke Online zensiert [6].

Anfang März haben die für Propaganda zuständigen Behörden Anweisungen erlassen [7], dass während der „Two Sessions” – der jährlichen Zusammenkunft des NPC und der ‚Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes’ (PKKCV) in Peking – sowohl in den konventionellen Zeitungen als auch dem Internet kein Platz für kritische Kommentare eingeräumt werden darf.

Wie erwartet hat die NPC die Verfassungsänderung bestätigt [8], die es dem gegenwärtigen Präsidenten Xi Jinping ermöglicht, das Land auf unbestimmte Zeit zu regieren. Alles sah während der ‚Two Sessions’ sehr harmonisch aus, bis Liangs Augenrollen am 13. März auf CCTV gezeigt wurde.

Ein unbestätigter Bericht [9], der von Apple Daily (eine in Hong Kong erscheinende Zeitung) veröffentlicht wurde, meldete, dass Liangs Journalisten-Lizenz ausgesetzt wurde und, dass sie während der ‚Two Sessions’ an keiner Pressekonferenz teilnehmen darf.

Trotz ihrer Abwesenheit rollen die Augen weiter, zumindest Online.

@changhan327 lobte das Augenrollen als einen Moment der Wahrheit:

Das rollende Augenpaar ist unglaublich. Es hat die Leute zum Lachen gebracht und damit den heiligen Tempel aus sorgfältig vorbereitetem und inszeniertem Material ruiniert. Wie eine Nadel, die in das Hinterteil einer Ära gesteckt wird, wie eine Ratte, die im Speisesaal herumrennt. Das rollende Augenpaar wird sich enorm auswirken, während alles Eignlob verfaulen wird. Das rollende Augenpaar ist wie ein Blitzeinschlag, der zehntausende Lobeshymnen zerstören und die Reden von Hunderttausenden gehirntoter Leuten überragen wird. Die Geschichte wird sie loben.

Chinas Übersee-Zweigstelle aufgedeckt

Das rollende Augenpaar hat mehr als nur ein paar Leute zum Lachen inspiriert. In den vergangenen Tagen wurde damit begonnen, die Identität und den Hintergrund von Zhang Huijun, der Reporterin, auf die Liang reagierte, zu untersuchen. Zhang gab sich als die Direktorin der American Multimedia Television Station (AMTV) aus und gelangte in den Genuss der 45 Sekunden langen Fragezeit bei der Pressekonferenz, die von CCTV ausgestrahlt wurde.

Es scheint, dass Zhang seit 2011 bei den ‚Two Sessions’ verschiedene ausländische Medien vertreten hatte. Die Netzbürger, die untersuchten, woher diese Station kommt, kamen zu der Schlussfolgerung, dass AMTV sehr wahrscheinlich eine Übersee-Zweigstelle [12] des chinesischen Publicity-Aparats ist. Auf der Webseite des amerikanischen Weißen Hauses wurde ein Antrag eingereicht [13], der weitere Untersuchungen in Bezug auf dieses News Outlet fordert:

We believe AMTV is most likely an unregistered agency of the Publicity Department of the Communist Party of China and secret branch of China Central Television (CCTV).
AMTV reporters cooperate with Chinese officials who would respond to their approved questions with propagandist materials while avoiding real questions from free media. Its programs convey the Chinese government’s lies and anti-American views to the Mandarin-speaking population on American soil.

Wir glauben, AMTV ist sehr wahrscheinlich eine unregistrierte Agentur der Publicity Abteilung der Kommunistischen Partei Chinas und eine geheime Zweigstelle des China Central Television (CCTV). AMTV-Journalisten arbeiten mit chinesischen Funktionären zusammen, die auf die genehmigten Fragen mit Propagandamaterial antworten und die wahren Fragen der freien Medien meiden. Ihr Programm übermittelt die Lügen der chinesischen Regierung sowie anti-amerikanische Auffassungen, die sich an die Mandarin-sprechende Bevölkerung auf amerikanischem Boden richtet.

Aufgrund des Anmeldegesetzes für ausländische Vertreter (Foreign Agents Registration Act) ersuchen wir die Geldmittelquellen und die Zusammenarbeit mit CPC zu untersuchen und sie zu schließen, sollte sich herausstellen, dass das Gesetz verletzt wurde.

AMTVs gegenwärtiger Präsident ist Jason Quin, dessen LinkedIn Profil besagt, er sei der Präsident des ‚Confucius Institute of Education’ (etwa: Konfuziusinstitut für Bildung) ist – eine von der chinesischen Regierung unterstützte Initiative, die direkt mit seiner ‚United Front’-Abteilung verbunden ist [14].

Immernoch wird alles, was sich Online auf das Augenrollen der Reporterin [3] bezieht, zensiert. Aber von jetzt an wird ein Augenrollen unter den politisch versierten Journalisten und Netzbürgern in China eine weitere Bedeutung haben.