Ecuador: Workshop bringt Online-Aktivisten zusammen, um sich für den Erhalt des Kichwa im Internet einzusetzen

Group photo from the Kichwa language digital activism workshop. Photo by E. Avila

Gruppenfoto vom kichwasprachigen Workshop über Internetaktivismus. Foto von E. Avila

Zwischen dem 17. und dem 19. August fanden sich Mitglieder der Kichwa-Gemeinschaften aus ganz Ecuador in Otavalo zusammen, um an einem dreitägigen Workshop teilzunehmen, wo sie sich über den Zustand ihrer Sprache austauschten, neue Internetkompetenzen erwarben und ihre Erfahrungen bei der Förderung ihrer Sprache im Internet miteinander teilten.

Die Stadt Otavalo, die ungefähr neunzig Kilometer von Quito, der Hauptstadt Ecuadors, entfernt liegt, ist vor allem für ihren bunten Freiluftmarkt bekannt, der jede Woche stattfindet und sowohl Touristen als auch Anwohner aus der gesamten Provinz Imbabura anlockt. Außerdem verleihen vor allem die Kultur und die Sprache der Kichwa dieser Stadt ihren besonderen Flair: Man kann im gesamten Stadtzentrum Menschen in traditioneller Kleidung sehen, und die Sprache gehört sowohl zu Hause als auch am Arbeitsplatz zum Alltag. Darüber hinaus findet sich das Kichwa in einigen öffentlichen Gebäuden auf zweisprachig beschrifteten Schildern wieder – ein weiterer Nachweis für seine Präsenz im alltäglichen Leben der Stadt.

Workshop participants. Photo by E. Avila

Teilnehmer des Workshops. Foto von E. Avila

Weiterhin gibt es in Otavalo mehrere richtungsweisende Online-Initiativen, deren Ziel es ist, Kichwa mithilfe der digitalen Medien und des Internets zu verbreiten, um das Interesse einer neuen Generation von Sprechern zu wecken und somit sicherzustellen, dass die Sprache fortbestehen wird. Eines dieser Projekte ist Kichwashun, welches eine Vielzahl an Webauftritten in den sozialen Medien sowie das Lernportal Kichwa.net betreut, wo Materialien für den Spracherwerb von Kichwa zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus ist es neben der Stadt Otavalo einer der Hauptorganisatoren des Workshops, der in Zusammenarbeit mit der Sprachaktivismus-Initiative von Rising Voices entstand, die Teil von Global Voices ist.

Was diesen Workshop so besonders macht, ist die Tatsache, dass alle Präsentationen, Diskussionen und Anleitungen im Verlauf dieser drei Tage auf Kichwa erfolgten. Somit wurde das Vorurteil widerlegt, dass diese indigene Sprache für den Austausch über Technologie ungeeignet wäre. Es mag durchaus sein, dass ihr bestimmte Fachtermini fehlen; jedoch nutzen die Organisatoren die Gelegenheit, um dem entgegenzuwirken, indem sie unter anderem die Einführung des Ausdrucks Zirma atiriy für ‘Online-Aktivismus’ vorschlugen.

encuentrokichwa

Der Workshop in Otavalo war der Erste dieser Art in dieser Reihe, die sich auf den Internetaktivismus für eine einzige Sprache konzentrierte. Die bisher von Global Voices organisierten Workshops – unter anderem in Peru, Kolumbien, Mexiko und Bolivien – hatten den Fokus allgemein auf Online-Aktivismus in indigenen Sprachen gelegt und standen allen Sprachen dieser Länder offen.

Teilnehmer und Leiter des Workshops

Nachdem online und persönlich zur Teilnahme aufgerufen wurde, wählte man aufgrund ihrer Hingabe für die Wiederbelebung des Kichwa und ihres Vorwissens über das Internet dreißig Aktivisten aus. Weiterhin legten die Organisatoren Wert darauf, für ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis und eine hohe geografische Vielfalt zu sorgen, und luden Mitglieder vieler verschiedener Kichwa-Gemeinschaften ein, u.a. der Karanki, der Puruhá, der Salasaka und der Quisapincha.

Hauptleiter des Workshops waren Imbaya Cachiguango und Sacha Rosero Lema; beide erfahrene Internetaktivisten, die sich bereits an Kichwashun und weiteren Projekten – online wie offline – beteiligt haben, um die Kichwa zu unterstützen.

Wakcha Kary – eine Zeremonie der Kichwa

Panoramic view of Kichwa ceremony prior to the start of the workshop. Photo by E. Avila.

Panoramabild der Kichwa-Zeremonie kurz vor der Eröffnung des Workshops. Foto von E. Avila

Wie vor Beginn jeder wichtigen Gruppenaktivität üblich, lud das Organisatorenteam einen yachak, ein Schamane aus der Gegend, ein, um eine traditionelle Kichwa-Zeremonie namens wakcha kary abzuhalten. Bei dieser Zeremonie, deren Vorsitz der Ritualleiter innehat, geht es darum, seine Dankbarkeit der Mutter Erde gegenüber auszudrücken. Dazu wird auf dem Boden ein Kreis aus Blumen geformt und im Anschluss Mutter Erde für die vier Elemente der Natur – Feuer, Luft, Erde und Wasser – gedankt. Diejenigen, die der Zeremonie beiwohnen, haben die Gelegenheit, für eine ausgelassene Stimmung während des anstehenden Events zu wünschen.

Öffentliche Foren

Um ein breiteres Publikum anzusprechen, war der Workshop am Morgen des ersten Tages für die Öffentlichkeit geöffnet, so dass sich alle Interessierten einen Eindruck machen konnten, worum es bei dem Online-Aktivismus für Kichwa überhaupt geht. Dabei halfen die Sprecher, einen Rahmen für die Frage zu schaffen, warum das Internet in gesamtstrategischer Hinsicht essentiell für die Wiederbelebung einer Sprache sein kann. Viele Teilnehmer stellten zudem ihre eigenen Internetprojekte vor:

  • Hata – ein Blog, der Gedichte und andere Texte veröffentlicht, die komplett auf Kichwa verfasst sind
  • Ñawpa Rimay – ein Podcast-Projekt mit Illustrationen von Javier Chuqin
  • Kichwa Mashikuna – eine Facebook-Gruppe, die die Präsenz des Kichwa in den sozialen Medien fördern soll
  • Taripana TV – ein YouTube-Kanal über die Kultur der Anden. Viele Videos wurden auf Kichwa veröffentlicht
  • Muyuntin – Ein vom Tinkunakuy Center kreiertes Animationsvideo (siehe unten) mit kichwasprachiger Erzählung, das die Entstehung der andischen Welt thematisiert

Skills-Workshop

Nach dem öffentlichen Teil wurden die nächsten zweieinhalb Tage mit intensiven, praxisorientierten Workshops in einem Computerraum einer nahe gelegenen Schule gefüllt. Unter der Leitung von Imbaya und Sacha erstellten die Teilnehmer eine Übersicht über eine Vielzahl verschiedener Online-Tools – von der Erstellung von Memes auf Kichwa über Interviews mit den anderen Teilnehmern bis hin zur Gründung eines Podcasts. Die Workshop-Leiter zeigten außerdem, wie man ein einfaches Video drehen und es auf YouTube hochladen kann, und gaben den Teilnehmern eine kurze Einführung in Wikipedia auf Kichwa. Es wurde außerdem eine Telegram-Gruppe gegründet, um in Kontakt zu bleiben, sich gegenseitig zu unterstützen, sich über die Arbeit auszutauschen und, um zukünftige Aktivitäten miteinander zu koordinieren.

Imbaya Cachiguango leading a workshop on digital video. Photo by E. Avila.

Hier leitet Imbaya Cachiguango gerade einen Workshop über Videos im Netz. Foto von E. Avila

In einem der beliebtesten Workshops wurde gezeigt, wie Memes auf Kichwa erstellt und in der beliebten Facebook-Gruppe Kichwa Memes gepostet werden können.

Ein Ausblick

Logo of the Kichwa Memes Facebook group.

Logo der Facebook-Gruppe Kichwa Memes.

Dank den Berichten der lokalen Medien über den Workshop ist die Zahl der Teilnehmeranfragen deutlich gestiegen. Die Organsatoren hoffen nun daraus ein jährliches Event zu machen und ähnliche Aktivitäten in anderen Kichwa-Gemeinschaften wie Cotacachi, Saraguro, Azuay und Riobamba abzuhalten. Sie wollen darüber hinaus mit den dortigen zweisprachigen Schulen kooperieren. Zudem schlugen die Teilnehmer des Workshops vor, Wettbewerbe und andere Online-Aktionen zu organisieren, um den Spaß und das Interesse aufrecht zu erhalten.

Weiterhin wurde im Rückblick die Notwendigkeit betont, eine Verbindung zwischen dem Sprachaktivismus im Netz und anderen traditionellen Arten des kulturellen Ausdrucks herzustellen wie beispielsweise handwerklichen und landwirtschaftlichen Tätigkeiten. Obwohl die Jugendlichen den Teil der Bevölkerung darstellen, der am meisten mit dem Internet vertraut ist, sei es auch wichtig, Eltern anzusprechen und sie dazu aufzufordern, die Sprache auch auf anderen Wegen am Leben zu erhalten.

Laut Cachiguango “lebt die Welt der Kichwa nicht nur durch die sozialen Medien. Sie sind letztendlich nichts weiter als eine Möglichkeit für uns, Kichwa zu sprechen. Solange seine Sprecher nicht aufhören, es zu sprechen, wird Kichwa fortbestehen.”

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