Kinderarbeit und die Ausbeutung von Kindern sind nach wie vor weltweit ein großes Problem. Dabei spielen auch Ausbeutung, Menschenhandel und die Nachlässigkeit von Regierungen eine Rolle. Dies gilt vor allem für Menschen, die in geschlossenen Gesellschaften leben, in denen es wenig Transparenz gibt und ein Sozialsystem kaum vorhanden ist.
Die Ausbeutung von Kindern nimmt im Iran ständig zu. Die Behörden ermitteln jedoch nicht dagegen und auch international findet das Thema kaum Beachtung.
Die aktuelle geopolitische Lage im Nahen Osten und die damit verbundene Flüchtlingswelle in Kombination mit dem weitverbreiteten Versagen von Regierungsinstitutionen haben zu einer zunehmenden Ausbeutung von Kindern geführt. Der Iran liegt zwischen mehreren vom Krieg zerrütteten Ländern. Dies und die staatliche Korruption und das Fehlen eines sozialen Sicherungsnetzes haben die Situation noch weiter verschärft. Das US-Außenministerium stuft den Iran in einem Bericht durchgängig als Land der Gruppe 3 für Menschenhandel ein, der schlechtesten von insgesamt drei Gruppen. Das iranische Regime selbst ist ebenfalls direkt in Menschenhandel verwickelt und spielt auch bei der Ausbeutung von Kindern eine Rolle.
Das Thema Kinderarbeit ist leider nicht neu im Iran. Die Geschichte zeigt, dass kinderreiche Familien mit geringem Einkommen ihre Kinder als Arbeitskräfte und Einkommensquelle betrachteten. In einigen Fällen wurden Kinder auch von ihren verarmten Familien in die Haushalte reicher Iraner geschickt, um dort als Bedienstete zu arbeiten.
Inzwischen kann man dabei aber nicht mehr nur von einem kulturellen und wirtschaftlichen Problem sprechen, sondern von Ausbeutung und Fahrlässigkeit. In einem Interview mit Radio Zamaneh, einem persischsprachigen Radiosender mit Sitz in Amsterdam, erklärte Ali Akbar Esmailpour, der Vorsitzende der Vereinigung für den Schutz von Kinderrechten, das erste Hindernis im Kampf gegen dieses Problem sei der Mangel an Informationen und fehlendes Verantwortungsbewusstsein:
The only information at hand is the statistics regarding street children, because they are very visible, but this does not give the complete picture.
Die einzigen verfügbaren Informationen sind Statistiken über Straßenkinder, denn diese sind in der Öffentlichkeit sichtbar. Aber diese Zahlen geben nicht das vollständige Bild wieder.
Esmailpour kritisierte, dass das Arbeitsministerium die Einhaltung der Gesetze gegen Kinderarbeit nicht ausreichend überwache. „Kinder arbeiten oft zwischen 12 und 16 Stunden unter sehr schlechten Bedingungen, ohne Sicherheitsvorkehrungen oder Hygienemaßnahmen”, erklärte er.
Laut iranischem Gesetz ist Kinderarbeit bis zum Alter von 15 Jahren verboten. Allerdings gibt es in dem Gesetz ein Schlupfloch, das die Ausbeutung von Kindern begünstigt. Viele Kinder unter 15 Jahren arbeiten im häuslichen Umfeld und werden nicht als Angestellte gemeldet. So bleiben sie Ausbeutung und Misshandlungen ausgesetzt. In einem von mehreren zivilgesellschaftlichen Organisationen veröffentlichten Bericht wurden im Jahr 2011 in einer Volkszählung 68.558 arbeitende Kinder im Alter zwischen 10 und 14 Jahren ermittelt. In der Altersgruppe der 15 bis 18-Jährigen betrug die Zahl 696.700.
„Die Regierungen ignorieren dieses Problem größtenteils oder leugnen es sogar. Kinderarbeit existiert und das ist ein Skandal, auf den man reagieren muss und gegen den man sofort Maßnahmen ergreifen muss”, forderte Akbar Yazdi, Vorsitzender einer iranischen NGO, die von Kinderarbeit betroffene Kinder unterstützt, im Interview mit der englischsprachigen iranischen Zeitung Financial Tribune.
‘Ich wache jeden Morgen weinend auf’
Das Problem geht aber über die bloße Kinderarbeit hinaus. Es wird geschätzt, dass im Iran etwa 200.000 Kinder auf der Straße leben – mindestens die Hälfte davon sind wahrscheinlich Kinder aus Afghanistan. Viele dieser Kinder sind Ausreißer, die aus schwierigen Verhältnissen kommen, oder Flüchtlinge aus Afghanistan oder dem Irak. Flüchtlingskinder sind eine besonders gefährdete Gruppe der Gesellschaft.
In einem Artikel vom März 2011 schreibt das Institute for War and Peace Reporting – ein unabhängiges internationales Netzwerk zur Förderung freier Medien, das Reporter, Bürgerjournalisten und Aktivisten in Krisenländern unterstützt -, dass afghanische Kinder von Sicherheitskräften aufgegriffen und nach Afghanistan abgeschoben werden. Einige dieser Kinder waren noch nie in Afghanistan und wurden scheinbar allein ohne das Wissen ihrer Eltern abgeschoben.
Abdul Majid, ein 12-jähriger Flüchtling aus Afghanistan, wurde allein nach Afghanistan abgeschoben. Seine Familie wusste nichts davon und blieb im Iran zurück. „Die Polizisten haben mich verprügelt”, erzählte er in einem Interview im Flüchtlingslager Ansar in der afghanischen Provinz Herat:
They asked me whether I was involved in violent groups. I swore I wasn’t connected with any. They finally deported me after eight days, and sent me to Afghanistan.
Sie fragten, ob ich etwas mit gewälttätigen Gruppen zu tun gehabt habe. Ich schwor, dass ich damit nichts zu tun hatte. Nach acht Tagen wurde ich zurück nach Afghanistan geschickt.
Abdul Majid ist nur einer von vielen hundert afghanischen Flüchtlingen, denen eine Rechtsberatung verwehrt wird und die in ihr Herkunftsland abgeschoben werden. Laut internationalem Recht ist dies illegal. Die Kinder werden in der Haft oft geschlagen und erhalten kein Essen, bis sie zurück in ein Land geschickt werden, in dem sie niemanden haben. Majid erzählt weinend:
I dream every night that my parents and brothers and sisters are looking for me. I wake up every morning crying.
Ich träume jede Nacht, dass meine Eltern und meine Brüder und Schwestern mich suchen. Ich wache jeden Morgen weinend auf.
Irans vergessene Kinder
Der Iran ist auch eines der wichtigsten Drehkreuze für den Menschenhandel zwischen Pakistan, Afghanistan und den Golfstaaten. Nach Angaben der UN ist Menschenhandel aufgrund der Gesetze im Iran weniger riskant für Kriminelle als Drogenhandel. Dies führt dazu, dass Menschenhandel „eine sehr attraktive Alternative zu den Banden von Drogenhändlern ist, die die Schmuggelrouten nach Süden kontrollieren” (siehe Seite 4 Büro der Vereinten Nationen für Drogen und Verbrechensbekämpfung, Bericht über den Iran).
Das iranische Regime hat Berichten zufolge auch Opfer von sexuellem Menschenhandel für sogenannte „ungesetzliche Handlungen” einschließlich Ehebruch bestraft, obwohl die Opfer des Menschenhandels oft unter Zwang agieren.
Die Politik der iranischen Regierung verstößt nach wie vor gegen internationale Normen und Bestimmungen. Gegen die Rechte von Kindern wird systematisch verstoßen und auch die Regierung ist in den Menschenhandel verwickelt. Das Regime hat zwar einige Schritte unternommen, um den Menschenhandel einzudämmen, aber das Handeln des Staats und die gesetzlichen Bestimmungen lassen Zweifel daran aufkommen.
Obwohl der Iran die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert hat, steht seine Politik in deutlichem Gegensatz zu den Artikeln der Konvention, die die Sicherheit von Kindern ohne Vormund und von Flüchtlingskindern betreffen. Außerdem gehört der Iran nicht zu den Vertragsstaaten des im Jahr 2000 beschlossenen UN-Zusatzprotokolls gegen Menschenhandel, dessen Ziel die Verhütung und Bekämpfung internationalen Menschenhandels ist.
Der fehlende demokratische Wille und der Mangel an sozialer Transparenz machen es Aktivisten innerhalb und außerhalb des Irans sehr schwer, über dieses Thema zu berichten. Iranische Journalisten und Kinderrechtsaktivisten, die sich mit diesem Thema beschäftigen, haben nicht nur gegen mangelnde Kooperation der Behörden zu kämpfen, sondern sind auch Drohungen und Verhaftungen durch die Behörden ausgesetzt. Die Welt betrachtet vor allem internationale und politische Fragen im Zusammenhang mit dem Iran. Die Kinder im Iran bleiben dabei größtenteils unsichtbar und werden vergessen.
Weitere Berichte über dieses Thema auf Persisch gibt es hier.