Am Tag der Parlamentswahlen in Montenegro kam es zu einer temporären Sperrung von Viber, Facebook und anderen Chat-Diensten, nachdem in sozialen Netzwerken Berichte über Unregelmäßigkeiten erschienen.
Die Behörde für Elektronische Kommunikation und Postdienste verlangte von den Mobilfunkbetreibern die Nutzung von Chat-Diensten zu unterbinden. Die Erklärung der Agentur war, dass die “unerwünschte Kommunikation” – ein offizieller Begriff für Spam – von bestimmten Kandidaten oder politischen Parteien an die Benutzer verschickt werden könnte.
Als der Leiter der Behörde, Zoran Sekulić, von der Zeitung “Vijesti” befragt wurde, hat er keine Begründung für diese Entscheidung gegeben.
“Ko je vama dao pravo da me zovete. Zovite me sjutra u 8 sati. Ko vam je dao pravo da me uznemiravate”, poručio je Sekulić. Ni nakon ponovljenog poziva, Sekulić nije htio da objasni građanima odluku Agencije i kazao je da “ne daje izjave “Vijestima””.
“Wer gab Ihnen das Recht mich anzurufen? Rufen Sie mich morgen um 8 Uhr an. Wer gab Ihnen das Recht mich zu belästigen?”, so Sekulić. Nach dem zweiten Anruf hat er immer noch keine Erklärung gegeben und sagte, er gebe der Zeitung “Vijesti” keine Stellungnahme.
Die Webseite des Center for Democratic Transition (CDT), dem wichtigsten Beobachter der Wahlen in Montenegro, ist am Tag der Wahlen angegriffen worden und war am Nachmittag und Abend selbigen Tages außer Betrieb.
In sozialen Netzwerken gab es zahlreichen Diskussionen über die Parlamentswahlen, in denen Bürger die Informationen zum Wahlprozess in den lokalen slawischen Sprachen geteilt haben mit den Hashtags #IzboriCG (Wahl Montenegro) und #CrnaGora (Montenegro), sowie in Englisch mit den entsprechenden Hashtags #ElectionsMNE und #Montenegro.
Sperrung der Chat-Dienste
Die vollständige Sperrung von Nachrichtendiensten war das Hauptthema bei der Diskussion der Parlamentswahlen in den sozialen Netzwerken. Während die Behörde hierüber keine Information auf ihrer Webseite veröffentlichte, veröffentlichte der lokale Mobilfunkbetreiber Telenor eine Reihe von Tweets (1, 2, 3), in denen er den Befehl erklärte. Sie lauten wie folgt:
EKIP je naložila svim telekomunikacionim operatorima da isključe mogućnost korišćenja aplikacija Viber, WhatsApp i sl. servisa, koji su danas upotrijebljeni za neželjenu komunikaciju sa korisnicima. Mogućnost korišćenja ovih servisa biće isključena dok Agencija posebnim nalogom ne odredi da se takva zabrana suspenduje.
Die Behörde für Elektronische Kommunikation und Postdienste hat alle Mobilfunkbetreiber dazu aufgerufen, die Möglichkeit zum Nutzen der Applikationen Viber, Whatsapp o.ä. auszuschalten, da selbige heute für Zwecke der “unerwünschten Kommunikation” mit Nutzern verwendet wurden. Die Möglichkeit zum Nutzen von den o.g. Apps wird nicht bestehen, bis die Behörde das Ende der Sperrung durch eine Sondernachricht mitteilt.
We condemn decision of the Agency to block Viber and WhatsApp and thus limit communication and share of information #electionsMNE
— CDT Montenegro (@CDT_Montenegro) October 16, 2016
Wir verurteilen die Entscheidung der Behörde, Viber und Whatsapp zu blockieren und somit die Kommunikation und Informationsaustausch zu begrenzen #electionsMNE
We ask all our TW and FB followers to share published information and assist us to accurately and objectively inform citizens #electionsMNE
— CDT Montenegro (@CDT_Montenegro) October 16, 2016
Wir bitten alle unsere TW und FB Abonnenten die veröffentlichte Information zu teilen und uns zu helfen, die Bürger genau und objektiv zu informieren #electionsMNE
Nemanja Živkovic, serbischer Spezialist fürs Internetmarketing hat das Geschehen mit der Sperre von Twitter verglichen, die er selbst in der Türkei erlebt hatte.
What is the aim of blocking Social Media when it is so easy to overcome it? Those who deal with it in the Government think that by banning one Social Media they can prevent or silent the flow of information. Seriously!? Isn't there anyone who will tell them that this is nonsense and that it'll come back to them like a boomerang, multiplied? Apparently not. Obviously, they are [not] following examples from the past when other countries tried to do that.
Was für einen Sinn hat die Sperre von sozialen Netzwerken, wenn es so einfach ist, sie zu umgehen? Die Regierungsmitglieder und Behörden, die sich damit beschäftigen glauben wohl, es gelänge ihnen durch das Blockieren eines sozialen Netzwerkes den kompletten Informationsfluss lahmzulegen. Echt jetzt? Wird sich denn keiner finden, der ihnen sagt, dass es Unsinn ist und nichts weiter als ein Boomerang-Effekt für sie selbst auslösen wird und zwar doppelt und dreifach? Anscheinend nicht. Offensichtlich lernen sie [nicht] von Beispielen aus der Vergangenheit, bei denen andere Länder das gleiche versucht haben.
Ana Bogavac ist Medienberaterin aus Montenegro. Sie wies auf den mangelnden Schutz der Meinungsfreiheit in sozialen Netzwerken hin:
@tenaprelec recently adopted leg.doesn't say a word about newMedia,leaving this gray area open 4abuse by both opposition and those in power
— Ana Bogavac (@AnaBogavac) October 16, 2016
Das kürzlich verabschiedete Gesetz erwähnt mit keinem Wort die neue Medien, was diese Grauzone hochgradig anfällig für den Missbrauch durch die Opposition sowie die Regierung macht.
Nachdem die Wahllokale um 19:30 Uhr geschlossen wurden, war die Nutzung von Viber wieder möglich. CDT teilte dies auf einem seiner Twitter-Kanäle mit:
Naš Viber Chat je proradio! #izboriCG pic.twitter.com/ic9I5kXPXA
— CDT_CrnaGora (@CDT_CrnaGora) October 16, 2016
Unser Viber-Chat läuft wieder! #izboriCG pic.twitter.com/ic9I5kXPXA
Status Quo gewinnt?
Im Laufe des Tages kam es zu einer Reihe von Schwierigkeiten, bspw. “technischen Schwierigkeiten”. Unter anderem damit, den Zugang für alle zu sichern bis hin zur “Atmosphäre eines Putsches”, was eine negative Auswirkung auf die Freiheit der Bürger hatte, so Neđeljko Rudović, ein Kandidat aus der Opposition.
Nedostupno za #OSI, zgrada Elektrodistribucije u Herceg Novom #izboriCG pic.twitter.com/zqJgP314ue
— CDT_CrnaGora (@CDT_CrnaGora) October 16, 2016
Das Gebäude des öffentlichen Unternehmens für Energieverteilung in Herceg Novi ist für behinderte Personen nicht zugänglich #izboriCG pic.twitter.com/zqJgP314ue
Die die Wahl überwachende NRO, CDT und CeMI stellten weitere Informationen zur Verfügung, basierend auf ihren Beobachtungen.
Voter turnout #electionsMNE pic.twitter.com/d4DNho6fnA
— CDT Montenegro (@CDT_Montenegro) October 16, 2016
Wahlergebnis #electionsMNE pic.twitter.com/d4DNho6fnA
#infographic #MandatesDistribution #Election2016 pic.twitter.com/IIsxfbFjVl
— CeMI (@CeMI_ME) October 16, 2016
#infographic (Infografik) #MandatesDistribution (Mandatsverteilung) #Election2016 (Wahl 2016) pic.twitter.com/IIsxfbFjVl
Die unabhängige Mediengruppe Balkan Insight stellte am Tag der Parlamentswahlen einen Liveblog bereit. Auf Grundlage von Endumfragen prognostizierte sie, dass Milo Đukanović, ehemaliger Premierminister und Vorsitzender der sozialdemokratischen Partei 36 von insgesamt 81 Mandaten in Montenegros Parlament gewonnen hatte. Das wird ihm erlauben, die Mehrheitsregierung zu bilden, falls die kleinere Parteien beschließen, ihm zu folgen.
Đukanović war schon lange Präsident der sozialdemokratischen Partei Montenegros, die das Land seit der Einführung des Mehrparteiensystems Anfang 90er Jahren regierte, wobei er diese Position immer wieder für die des Premierministers aufgegeben hatte.
Die Partei wurde im Jahr 1991 als direkter Nachfolger der Liga der Kommunisten gegründet, die Montenegro innerhalb Jugoslawiens seit 1945 regierte.
Bio sam dječak kad je Milo preuzeo vlast, a vjerovatno ću biti i deda, ako pozivim, kad ode s nje. #izboricg
— Nebojsha Šatara (@FrankoBegbi) October 16, 2016
Ich war ein Kind als Milo an die Macht kam. Wenn ich lang genug lebe, bin ich vermutlich ein Großvater wenn er irgendwann abtritt. #izboricg
In Bezug auf die folgende Wahl in Mazedonien und den Kampf der regierenden Partei um die Macht, verglich der Journalist Rade Marojevic Đukanovićs Regierung mit der des ehemaligen mazedonischen Premierministers Nikola Gruevski.
Grujevski vata beleske #izbori #Montenegro
— Rade Maroevic (@Maroevic) October 16, 2016
Gruevski macht sich Notizen. #izbori #Montenegro