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#FreeSaeed: das sechste Jahr Gefängnis für den iranischen Software-Entwickler

Kategorien: Iran, Bürgermedien, Menschenrechte, GV Advocacy
#FreeSaeed campaign image. [1]

#FreeSaeed Image-Kampagne.

Am 4. Oktober 2014 verbrachte der iranische Software-Entwickler Saeed Malekpour bereits sechs Jahre seines Lebens im Gefängnis, weil er ein Open-Source Programm erfunden hat, welches es anderen Usern ermöglicht, pornographische Inhalte ins Internet zu stellen. Am Jahrestag seiner Verhaftung haben Aktivisten und Blogger einen Twittersturm under dem Hashtag #freeSaeed gestartet, um so seine Entlassung aus dem Gefängnis zu bewirken.

Als ein dauerhafter Einwohner Kanadas machte sich Saeed im Jahr 2008 in den Iran auf, um seinem im Sterben liegenden Vater zu besuchen. Dort wurde er angeklagt, die islamischen Ideale des Landes und die nationale Sicherheit durch Propaganda gegen das System zu gefährden. Malekpour sagte aus, dass er nicht wusste, wie sein Programm-Code von anderen genutzt und weiterentwickelt wird, da dieser als Open-Source Code [2] verbreitet wurde.

Nach einem Prozess, der angeblich [3] nur 15 Minuten dauerte, wurde Saeed als sogenannter “Verbreiter der Korruption” zum Tode verurteilt. Im Dezember 2012 wurde Saeeds Todesstrafe in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt.

Nach einiger Zeit in Isolationshaft legte Saeed ein Geständnis ab, wobei er später erklärte, dass er hierzu mit Folter und Verhör durch die Revolutionsgarde gezwungen wurde. In den nächsten Monaten strahlte das iranische Fernsehen dieses “Geständnis” zu den unterstellten Straftaten mehrmals aus.

Der Menschenrechtsanwalt und Sprecher der Kampagne “Free Saeed” – Gissou Nia – beschrieb die weiteren Auswirkungen des Falles von dem Software-Entwickler im Iran in einer E-Mail an Global Voices:

The arrest and ongoing imprisonment of Saeed Malekpour shows that all Iranian freelance web programmers are vulnerable to potential legal trouble as they cannot know for certain which sites their codes have been used on. Should they face the misfortune of having a code they created used on a website deemed obscene by the Iranian authorities (and where the backend is being monitored by the IRGC) they can face adverse legal consequences.

[…]

In a sense, Saeed is the ‘sacrificial lamb’ of the IRGC's war on the online space. The Iranian Cyber Army was formed in 2008 and Saeed was arrested shortly after its creation, presumably to set a deterrent example for others.

Die Verhaftung und die derzeitige Haftstrafe von Saeed Malekpour zeigen, dass alle unabhängigen iranischen Software-Entwickler wehrlos gegen eventuelle rechtliche Schritte sind, weil Sie nicht ahnen können auf welchen Seiten ihr Programm-Code verwendet wird. Sollten Sie das Pech haben, dass ein Programm-Code den sie entwickelt haben auf einer Seite erscheint, die von den iranischen Behörden als obszön eingestuft wurde (und wo das Backend von der Iranischen Revolutionsgarde überwacht wird), kann dies negative rechtliche Konsequenzen für sie bedeuten.

[…]

In gewissem Sinne ist Saeed ein ‘Opferlamm’ des Krieges der iranischen Revolutionsgarde gegen den Internet-Raum. Die iranische Cyber-Armee wurde im Jahr 2008 gegründet und Saaed wurde nur kurze Zeit später verhaftet, wahrscheinlich um ein Exempel zu statuieren.

Andere die sich mit dem Fall befassen, glauben, dass die Verhaftung das Ergebnis eines Mangels an Wissen über die Kultur und Natur der Software-Entwickelung ist. Der iranische Blogger und Computertechniker Arash Abadpour (bekannt unter dem Künstlernamen Arash Kamangir) sagte Global Voices in einer E-Mail: “Saeeds Situation zeigt, wie willkürlich das System ist. Wir haben dies definitiv auch schon früher gesehen, aber sein Fall ist einer der strengsten. Die Bürokratie und die Maschinerie des Systems hat sehr wenig Kenntnis über die technischen Aspekte und ist höchst wachsam bei jeder Aktivität, die mit einer Verschwörung zutun haben könnte.

Die anhaltende Inhaftierung und andere, neuere Verhaftungen von Bloggern [4] und Netzbürgern untergraben die Botschaft von einer  offeneren Gesellschaft und eines offeneren Internets, welche in der westlichen Medienberichterstattung über die Wahlkampfkampagne des derzeitigen Präsidenten Hassan Rouhani dominierten.

Trotz des bestehenden Abwärtstrends gab es auch ein paar kleine Siege. In der letzten Woche (September 2014) wurden die Narenji Technologie Blogger [5], welche im November 2013 wegen nicht näher angegebenen Anschuldigungen verhaftet wurden, gegen Kaution entlassen.

Während es schwierig abzuschätzen ist, welchen Einfluss die Kampagnen für die Freilassung der Inhaftierten auf diese Verhaftungen haben, glauben viele Aktivisten und Analysten des iranischen Justizsystems, dass internationaler Druck oft einen Einfluss auf die Freilassung der Eingesperrten hat.

Maryam Malekpour, Saeeds Schwester, welche in Kanada lebt, erklärt gegenüber Global Voices in einem Telefoninterview, dass Saaed gerade in das Evin Gefängnis in Gemeinschaftshaft überwiesen wurde. Er kann nun Telefongespäche führen und hat, zum ersten mal seit seiner Verhaftung, Kontakt mit Menschen. Sie erklärt:

“Er war für so lange Zeit alleine in Isolationshaft, dass er nun das Bedürfnis hat zu reden. Zu reden über alles, über unsere Kindheit, die Vergangenheit, was jetzt vor sich geht. Und alles was ich tun kann, ist mit ihm zu sprechen und zu versuchen, ihm Hoffnung zu geben, dass er eines Tages freigelassen wird. Ich habe ihm über die Kampagnen für seine Freilassung erzählt, und er kann es kaum glauben, dass Leute besorgt sind und über ihn reden. Er ist sehr dankbar für alle Anstrengungen für seine Freilassung… Er wurde zum Tode verurteilt. Sowohl er als auch unsere Familie haben mit dem Schreckgespenst seines Todes bereits für eine allzulange Zeit gelebt. Alles was wir wollen, ist eine faire Untersuchung seines Prozesses. Abgesehen von dem erpressten Geständnis, gibt es keine belastenden Beweise gegen ihn.”

Gissou Nia betont das Saeeds Prozess einer unabhängigen Untersuchung unterliegen soll. “Er wurde schwer gefoltert und hat nie eine faire Verhandlung noch Kontakt zu seinem Anwalt gehabt. Aus diesen Gründen muss es eine unabhängige Untersuchung der Bearbeitung von Saaeds Fall geben und während die Untersuchung stattfindet sollte er in der Zwischenzeit Hafturlaub bekommen.”