Laut Angaben der Vereinten Nationen wurden am 8. Oktober 2016 bei Luftangriffen der saudischen Koalition in Sanaa – der Hauptstadt des Jemen – mindestens 140 Menschen getötet und mehr als 525 Menschen verletzt.
Mit den Luftangriffen wurde eine Beerdigungsfeier anvisiert, die von dem Innenminister Jemens, Jalal al-Ruweishan (جلال الرويشان) ausgerichtet wurde, einem Verbündeten der Huthi-Rebellen, die Sanaa 2015 einnahmen, und treuer Anhänger des ehemaligen Präsidenten Ali Abdullah Saleh (علي عبدالله صالح). Die Huthis kämpfen seither gegen die Regierung von Abd Rabbuh Mansur Hadi (عبدربه منصور هادي), der stark von der saudischen Koalition in diesem Konflikt, bekannt als jemenitischer Bürgerkrieg, unterstützt wird.
Die saudische Koalition hat bereits jegliche Schuld für den Angriff von sich gewiesen. Der Nachrichtensender Al-Arabiya zitiert die Koalition:
التحالف العربي: لم تنفذ اي عمليات جوية مكان التفجير بصنعاء #العربية_عاجل
— العربية عاجل (@AlArabiya_Brk) 8 October 2016
Wir haben keine Luftraumoperationen an der Unglücksstelle in Sanaa durchgeführt.
Die Stellungnahme der Koalition wurde sofort angezweifelt und zwar von keinem Geringerem als Saudi Arabiens wichtigstem Verbündeten im internationalen Raum, dem Weißen Haus, dessen Sprecher folgende Stellungnahme veröffentlichte:
U.S. security cooperation with Saudi Arabia is not a blank check. We have initiated an immediate review of our already significantly reduced support to the Saudi-led Coalition and are prepared to adjust our support so as to better align with U.S. principles, values and interests, including achieving an immediate and durable end to Yemen’s tragic conflict.
Die Sicherheitskooperation der USA mit Saudi Arabien ist kein Blankoscheck. Wir haben eine sofortige Überprüfung von unserer, bereits beträchtlich reduzierten, Unterstützung der saudischen Koalition veranlasst und wenn es sein muss, passen wir unsere Unterstützung so an, dass sie besser mit den amerikanischen Prinzipien, Werten und Interessen zusammenpasst, dazu gehört auch ein sofortiges und dauerhaftes Ende des tragischen Konfliktes im Jemen.
Danach verkündete Saudi Arabien ebenfalls, dass es eine Untersuchung des Angriffes starten würde und nannte den Vorfall “bedauernswert und schmerzhaft”, nur wenige Stunden nachdem sie jegliche Beteiligung an dem Vorfall negierten:
Last night #Saudi coalition insisted no role in strike – embarrassing turn around now as its forced to launch probe https://t.co/0XpOJRk8iR pic.twitter.com/c37Ewuck0B
— Sophie McNeill (@Sophiemcneill) 9 October 2016
Letzte Nacht beharrte die #saudische Koalition darauf, sie sei nicht am Angriff beteiligt gewesen – jetzt folgt eine peinliche Kehrtwendung, da sie gezwungen sind, eine Untersuchung durchzuführen.
Viele Berichterstatter, darunter auch Iyad El-Baghdadi, merkten an, dass die von der saudischen Koalition verwendeten Bomben in den USA hergestellt wurden:
The bombs used in yesterday's massacre in Yemen by the Saudi-led coalition were made in the United Stateshttps://t.co/5gX9dJO7DT
— Iyad el-Baghdadi (@iyad_elbaghdadi) 9 October 2016
Die Bomben des gestrigen Massakers im Jemen durch die saudische Koalition wurden in den USA hergestellt.
Es wird erwartet, dass die Zahl der Toten weiter steigt, da die Krankenhäuser noch immer Verletzte versorgen. Die jemenitische Abteilung des Büros der Vereinten Nationen für die Koordination humanitärer Angelegenheiten verurteilt den Angriff:
Shock and outrage. Humanitarian Coordinator #Yemen condemns horrific attack on funeral #Sanaa. 140 killed and 525+ injured so far. pic.twitter.com/42Rx1TqlR0
— OCHA Yemen (@OCHAYemen) 8 October 2016
Schock und Empörung. Der UN-Nothilfekoordinator im #Jemen verurteilt den entsetzlichen Angriff auf eine Beerdigung in #Sanaa. Bis jetzt wurden 140 Menschen getötet und 525+ verletzt.
Der Generalsekretär und Nothilfekoordinator der Vereinten Nationen, Stephen O'Brien, bezeichnete den Angriff als “entsetzlich und abscheulich”:
READ my statement on #Yemen: https://t.co/Ajk4S2Rd5J Horrendous &heinous attack displayed utter disregard for human life. Enough is enough
— Stephen O'Brien (@UNReliefChief) 9 October 2016
LEST meine Stellungnahme zum #Jemen: Entzetzlicher und abscheulicher Angriff zeigte völlige Missachtung für menschliches Leben. Genug ist genug.
Nur Minuten nach dem Angriff wurden jemenitische Aktivisten und Analytiker in den Sozialen Medien aktiv und verurteilten das Blutvergießen. Der jemenitische Aktivist Anwar Dahak berichtete gegenüber Global Voices, es sei sehr schnell offensichtlich gewesen, dass die Beerdigung das beabsichtigte Ziel war:
We were few miles away from the funeral reception when we heard the aircraft roaming around the area. Once we heard the airstrikes, we knew they were bombing the funeral. I still can’t believe what happened. Not even Israel is that brutally inhumane.
Wir waren einige Kilometer vom Empfang der Beerdigung entfernt, als wir das Flugzeug in der Nähe herumfliegen hörten. Sowie wir die Luftangriffe hörten, wussten wir, dass sie die Beerdigung bombardieren. Ich kann immer noch nicht glauben, was passiert ist. Nicht mal Israel ist so brutal unmenschlich.
Hamed Ghaled, ein jemenitischer Aktivist und Mitglied der General People's Congress Party – einer Partei, die vom ehemaligen Präsidenten Ali Abdullah Saleh mitbegründet worden ist – lud ein Video hoch, welches angeblich einen zweifachen Luftangriff auf die Beerdigungshalle zeigt:
Video of the doubletap airstrike that targeted rescuers .#TheGreatHallGenocide #Saudi killed injured 700+,war crimes supportedby #US #UK pic.twitter.com/X1F24Y6he2
— Hamed #Yemen (@HamedGhaleb) 8 October 2016
Video vom zweifachen Luftangriff, dessen Ziel Rettungshelfer waren. #TheGreatHallGenocide #SaudiArabien tötet und verletzt 700+, ein Kriegsverbrechen, welches von den #USA und #UK unterstützt wird.
Mindestens ein hoher Beamter, der Bürgermeister von Sanaa, wurde getötet. Das Nachrichtenportal Shfinews berichtet, dass “Abdul Qader Hilal während des Luftangriffes getötet worden ist” — diese Aussage wurde unter anderem auch von Hakim al-Masmari, dem Herausgeber der Zeitung Yemen Post gegenüber Al Jazeera bestätigt.
استشهاد عبدالقادر هلال جراء القصف على عزاء ال رويشان انا لله وانا اليه راجعون #شافي_جرووحه
— shfinews (@shfinews) 8 October 2016
Abdul Qader Hilal wurde während des Luftangriffes auf die Beerdigung von al-Ruweishan getötet. Wir gehören Allah und zu ihm werden wir zurückkehren.
Zehntausende Jemeniten gingen auf die Straßen um gegen das Massaker zu protestieren:
Tens of thousands in Sanaa take to the streets to protest the #Saudi massacre on a funeral hall in #Yemen. #sanaamassacer pic.twitter.com/VcvR4LdYvC
— Nasser Atta (@nasseratta5) 9 October 2016
Zehntausende gehen in Sanaa auf die Straßen um gegen das Massaker der #Saudis auf eine Beerdigungshalle im #Jemen zu protestieren. #sanaamassaker
Der politische Beobachter Hisham Al-Omeisy wohnt im Jemen und sagt, es gäbe keinen Zweifel daran, wer die Täter waren:
#PT FYI, Saudi coalition has full control of Sana'a airspace where only own fighter jets in sky. “It wasn't us” BS not gonna cut it. #Yemen
— Hisham Al-Omeisy (@omeisy) 8 October 2016
Zur Info, die saudische Koalition hat volle Kontrolle über den Luftraum Sanaas, wo nur ihre Kampfjets in der Luft sind. Dieser “Wir waren's nicht”-Schwachsinn wird es nicht bringen.
Haykal Bafana, ebenfalls Analytiker aus dem Jemen, warnt vor Vergeltung:
Riyadh's war on Yemen has become a political assassination program. Saudi princes cannot complain if Yemenis retaliate the same way on them. https://t.co/2sOb5GULuB
— Haykal Bafana (@BaFana3) 8 October 2016
Riads Krieg gegen den Jemen wurde zu einem politisch gestützten Programm für Auftragsmorde. Die saudischen Prinzen können sich nicht beschweren, wenn die Jemeniten Gleiches mit Gleichem vergelten.
Sowohl Bafana als auch Al-Omeisy fügen hinzu, dass saudische Jets noch Minuten nach dem Angriff über Sanaa gehört wurden:
After killing & injuring 450 funeral mourners in Sanaa, #Saudi jets now scream low again threateningly over the #Yemen capital.
— Haykal Bafana (@BaFana3) 8 October 2016
Nachdem sie 450 Beerdigungsgäste in Sanaa getötet und verletzt haben, surren die Jets der #Saudis bedrohlich über der Hauptstadt des #Jemen.
Bloodthirsty Saudi fighterjets back in Sana'a sky. We haven't even pulled everyone from under rubble of earlier airstrikes yet! #Yemen
— Hisham Al-Omeisy (@omeisy) 8 October 2016
Die bluthungrigen saudischen Kampfjets sind zurück am Himmel über Sanaa. Wir haben noch nicht einmal alle aus den Trümmern des Luftangriffes von heute gezogen!
Bafana erzählt Al Jazeera, dass es insgesamt vier Angriffe gegeben hat:
I watched the air strikes, which took place barely 1.5km from my house. They first used a normal missile that pierced the roof. The second was an incendiary missile, burning the whole inside of the hall. The third was a missile on first responders.
Ich habe die Luftangriffe beobachtet, die sich nicht mehr als 1,5 km von meinem Haus abgespielt haben. Zuerst haben sie eine normale Rakete benutzt, welche das Dach durchbohrt hat. Die zweite war eine Brandrakete, welche das gesamte Innere der Halle ausgebrannt hat. Die dritte wurde auf Ersthelfer abgefeuert.
Dahak bestätigt dies in Kommentaren gegenüber Global Voices:
They first struck the reception with two missiles, a lot of people fell dead immediately. When people rushed into the site, they bombarded it again with two missiles.
Zuerst wurde der Empfang mit zwei Raketen getroffen, viele Menschen waren sofort tot. Als Menschen zum Schauplatz eilten, bombardierten sie erneut mit zwei weiteren Raketen.
Fairah Al-Sulimani, eine jemenitische Geschäftsfrau, twittert ein Foto der Beerdigungshalle vor und nach den Angriffen:
Before and after the airstrike around 2000 were in the funeral most of them still under rubble till now #Yemen pic.twitter.com/cjAAd1HtSB
— Faizah Al-sulimani (@faizahsulimani) 8 October 2016
Vor und nach dem Luftangriff. Etwa 2000 waren bei der Beerdigung, bis jetzt befinden sich die meisten noch unter den Trümmern #Jemen
Der jemenitische Journalist und Medienspezialist Mohammed Al-Asaadi lebt in Sanaa und teilte ein Foto der Rettungskräfte, wie sie Verletzte aus der großen Halle bergen:
Ambulances evacuate casualties from the grand hall after a reportedly devastating airstrike in #Sanaa. #Yemen #Peace pic.twitter.com/VvgL5WAngl
— Mohammed Al-Asaadi (@alasaadim) 8 October 2016
Rettungskräfte evakuieren Verletzte aus der großen Halle, angeblich nach einem verheerenden Luftangriff in #Sanaa #Jemen
Das Internationale Kommittee des Roten Kreuzes (IKRK) im Jemen war eine der Organisationen, welche die überforderten Gesundheitseinrichtungen unterstützten:
We're mobilizing to support health facilities deal with the influx of dead and wounded. 300 body bags & medical supplies on the way #Sana‘a
— ICRC Yemen (@ICRC_ye) 8 October 2016
Wir organisieren Unterstützung für die Gesundheitseinrichtungen, damit sie mit dem Zustrom an Toten und Verletzten klar kommen. 300 Leichensäcke und Sanitätsartikel sind auf dem Weg #Sanaa
Al-Omeisy zitiert einen Freiwilligen, der gesagt haben soll, dass sie “an einer Hand, die aus den Trümmern ragte, gezogen haben – ein abgetrennter Arm. Es waren zu viele Leichen um sie herum, um sagen zu können, zu welcher er gehört.”
Volunteer "Pulled hand sticking out from rubble, was severed arm, too many bodies near to tell whose." Sana'a #Yemen pic.twitter.com/Z0DDLGrJOH
— Hisham Al-Omeisy (@omeisy) October 8, 2016
Inzwischen hat auch die jemenitische Abteilung der Ärzte ohne Grenzen Updates über die Luftangriffe und ihre Folgen getwittert:
1. Six @MSF-supported hospitals in #Sanaa, #Yemen treated more than 400 wounded after an airstrike hit a funeral hall south of the capital
— أطباء بلا حدود-اليمن (@msf_yemen) 8 October 2016
1. Sechs @MSF (Ärzte ohne Grenzen) haben die Krankenhäuser in #Sanaa im #Jemen unterstützt und mehr als 400 Verletzte nach einem Luftangriff auf eine Beerdigungshalle im Süden der Hauptstadt versorgt.
2. @MSF supports the 6 hospitals in #Sanaa, #Yemen with emergency kits, in patient department kits, operation theatre kits, & 4 ambulances
— أطباء بلا حدود-اليمن (@msf_yemen) 8 October 2016
2. @MSF (Ärzte ohne Grenzen) unterstützt die 6 Krankenhäuser in #Sanaa im #Jemen mit Notfallausrüstung, Ausrüstung für stationäre Patienten, Operationsausrüstung und 4 Krankenwagen.
Farea Al-Muslimi, eine bekannte jemenitische Berichterstatterin und Mitbegründerin des Sanaa Centers, meint, dass es dringender Handlung bedarf, einen sofortigen Waffenstillstand zu verhängen, die Friedensgespräche wiederaufzunehmen und eine internationale Untersuchung durchzuführen:
#US / #UK Made, Sold, and Fueled jets with #Saudi pilots killed & injured more than 400 civilians in #Yemen today targeting a funeral hall.
— Farea Al-muslimi (@almuslimi) 8 October 2016
#USA und #UK bauten, verkauften und betankten die Jets, mit denen #saudische Piloten heute mehr als 400 Zivilisten im #Jemen töteten, als sie eine Beerdigungshalle ins Visier nahmen.
Immediate full ceasefire , resumption of timed peace process, & international inquiry is the only way to deal with today's massacre n #Yemen
— Farea Al-muslimi (@almuslimi) 8 October 2016
Sofortiger voller Waffenstillstand, Wiederaufnahme des beendeten Friedensprozesses und eine internationale Untersuchung sind der einzige Weg um mit dem heutigen Massaker im #Jemen umgehen zu können.
don't condomn, don't say hw concerned & sorry you are.It doesn't really matter or means anything anymore. Stop th crap & stop ths war #Yemen
— Farea Al-muslimi (@almuslimi) 8 October 2016
verurteilt nicht, sagt nicht, wie besorgt ihr seid und wie Leid es euch tut. Es ist eigentlich egal und bedeutet nichts mehr. Hört auf mit dem Scheiß und beendet den Krieg im #Jemen
Nach Berichten der Vereinten Nationen wurden mindestens 10.000 Menschen seit dem Beginn der Angriffskampagne der saudischen Koalition im März 2015 getötet. Beinahe 40% der Opfer waren Zivilisten und es wird angenommen, dass die saudische Koalition für mindesten 60% der gesamten Anzahl der Tode verantwortlich ist.