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Safe Schools: Lebensrettendes Anti-Mobbing-Programm oder radikale Sexual-Indoktrinierung? Eine Frage, die Australien spaltet

Kategorien: Ozeanien, Australien, Bildung, Bürgermedien, Jugend, Politik, Rechte der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transsexuellen (LGBT)
LGBT flag map of Australia. Photo and description from Wikimedia Commons (CC license) [1]

Australien in den Farben der Regenbogenflagge. Bild und Beschreibung von Wikimedia Commons (CC-Lizenz)

Eine Petition [2] ruft die Landesregierung von New South Wales in Australien zum Stopp von Safe Schools auf, einem Programm zur Förderung von Akzeptanz und Respekt gegenüber homosexuellen, intersexuellen und gender-vielfältigen Studenten, das in mehr als 500 Schulen in Australien umgesetzt wurde. Dies hat eine alte, landesweite Debatte neu angefacht, ob es sich dabei um eine unverzichtbare Initiative im Kampf gegen Mobbing oder lediglich um einen radikalen Versuch handelt, sexuelle Indoktrinierung zu betreiben.

Laut Safe Schools Coalition Australia [3] bietet dieses staatlich geförderte Programm dem Schulpersonal kostenlose Unterstützung und Ressourcen an, um eine sicherere und offenere Atmosphäre an Schulen zu fördern. Bestimmte Aspekte des Safe Schools-Programms, zum Beispiel die Anregung junger Schüler dazu, Gender als fließendes Konzept wahrzunehmen, rufen jedoch in einigen Eltern Besorgnis hervor.

Die Petition, die bereits 17.000 Unterschriften gesammelt hat, gibt vor, die australisch-chinesische Gemeinde in New South Wales zu repräsentieren, und fordert die Regierung des Bundesstaates dazu auf, “die Umsetzung” von Safe Schools zu beenden. Dies begründet sie wie folgt:

  • Contains resources that promote a particular ideology, including gender fluidity, that is contrary to our cultural and belief system and
  • Discriminates against children and parents from other cultures who have a view of sexual relationships involving male and female as normative, due to their families’ cultural and religious belief system.
  • Teilaspekte des Programms fördern eine bestimmte Ideologie einschließlich des Verständnisses von Gender als fließendes Konzept, die gegen unsere Kultur und unseren Glauben spricht
  • und Kinder wie Eltern aus anderen Kulturkreisen diskriminiert, in denen eine sexuelle Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau aus kulturellen und religiösen Gründen als Norm gilt.

Auf Anfrage sagte Kenrick Cheah, der Präsident einer chinesischen Gemeinschaftsgruppe namens Chinese Australian Forum, dass [2] die Petition nicht die Meinung der gesamten chinesischen Gemeinde vertritt. Außerdem verwies auf Twitter ein Nutzer auf die Tatsache, dass eine andere Petition, die sich für Safe Schools ausspricht, mehr Unterschriften gesammelt hat:

Ein gespaltenes Land

Der Widerstand gegen Safe Schools zieht sich quer durch die australische Gesellschaft und schließt zum Teil auch diejenigen ein, die sich selbst als LGBTIQ identifizieren (lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, intersexuell oder queer):

Ich bin schwul und ich hoffe, Safe Schools wird bald in die Tonne getreten, wo es auch hingehört. Von Losern geschriebene Marxistenpropaganda.

Das Thema zeigt auch die tiefen Risse zwischen und innerhalb der großen politischen Parteien in Australien auf. Im März 2016 unterzeichnete eine Gruppe von etwa 30 konservativen Mitgliedern des Parlaments unter der Führung von George Christensen, eines Abgeordneten der Liberal Party, eine ähnliche Petition [10] mit der Forderung, dass Fördergelder entzogen werden sollen, bis das Parlament die Angemessenheit des Programms geprüft hat. Mitglieder derselben Partei distanzierten sich von dem Umgang ihrer Parteikollegen mit Safe Schools:

Liberaler Abgeordnter Trent Zimmerman schreibt auf @RNDrive [11] George Christensens Kommentaren über Safe Schools-Programm ‘bewusst hetzerischen Charakter’ zu

Interne Streitigkeiten auf politischer Ebene führten zu einer überstürzten Überprüfung von Safe Schools, die zur Folge hatte, dass die australische Bundesregierung bestimmte Inhalte des Programms auf die Klassenstufe 7 und darüber begrenzt hat. Zudem hat sie Aktivitäten, in denen Schüler in die Rollen gleichgeschlechtlich orientierter Jugendlicher schlüpfen, verboten und Eltern ein größeres Mitspracherecht darin ‘eingeräumt’, was ihren Kindern beigebracht wird.

Eilmeldung: Offen schwuler Senator der Liberals @DeanSmithWA [13] unterstützt Reaktion auf #safeschools [5]: “Regierung handelte sehr verantwortungsvoll”

Einem anderen Argument zufolge kann jegliche Art von Kritik an Safe Schools dazu führen, dass man automatisch und zu Unrecht als homophob abgestempelt wird. Auf der bildungsorientierten Nachrichtenseite Education HQ schreibt ein Blogger [16]:

Purportedly, Safe Schools are taking a stand against bullying which targets young people of diverse sexual orientation, a worthy goal, but if you delve a little further it appears to go way beyond this. At the risk of being politically incorrect, and possibly labelled as homophobic (because that’s what happens when someone raises legitimate concerns nowadays), I suggest that the Safe Schools Coalition goes much further.

So, I decided to head to their website and I must admit I was shocked by what I saw. The range of resources promoting gender diversity, intersex, bisexual, and homosexual lifestyles was a bit overwhelming… For example, Safe Schools are encouraged to let boys who believe they are a girl to use the girls’ toilets and change facilities. Similarly, girls who believe they are boys can do the same. Am I the only teacher and parent who sees this as a red flag and greatly open to abuse?

Öffentlich treten Safe Schools für junge Menschen verschiedenster sexueller Orientierungen ein. Das ist löblich. Aber wenn man ein bisschen genauer hinschaut, geht das Ganze anscheinend noch viel tiefer. Auf das Risiko, dass meine Kommentare als politisch inkorrekt und homophob bezeichnet werden (was heutzutage geschehen kann, wenn man ernsthafte Sorgen ausdrückt), möchte ich in den Raum stellen, dass die Safe Schools-Koalition noch viel weiter geht.

Also beschloss ich, einen Blick auf ihren Webauftritt zu werfen – und ich muss zugeben, ich war schockiert von dem, was ich da sah. Die Menge an Vorschlägen zur Förderung von Geschlechtervielfalt und von inter-, bi- und homosexuellen Lebensstilen war etwas überwältigend… Zum Beispiel werden sogenannte ‘sichere Schulen’ dazu aufgerufen, Jungen, die sich wie Mädchen fühlen, auch die Toiletten und Umkleidekabinen der Mädchen benutzen zu lassen. Umgekehrt genauso. Bin ich denn der einzige, der als Lehrer und als Elternteil von dieser Vorgehensweise alarmiert ist und befürchtet, dass sie nur allzu leicht missbraucht werden kann?

Trotz des starken Widerstandes gegen Safe Schools kann das Programm mit weitreichender Unterstützung rechnen.

Zum Beispiel hat sich die Regierung des Bundesstaats Victoria dazu bereiterklärt, es in allen weiterführenden Staatsschulen finanziell zu unterstützen, [17] unabhängig von der Position des Landesregierung. James Merlino, der Bildungsminister des Bundesstaats, hat sich in der Vergangenheit wiederholt für Safe Schools ausgesprochen:

Stolz darauf, heute Abend bei der Safe Schools-Versammlung sprechen zu dürfen. Jedes Kind hat das Recht auf Sicherheit, Unterstützung & eine angenehme Schulzeit.

Darüber hinaus haben Hunderte von Wissenschaftlern [20] und Gesundheitsfachkräften [21] als Reaktion auf die im März gefällte Entscheidung, Safe Schools zurechtzustutzen, offene Briefe an Premierminister Malcolm Turnbull unterzeichnet, um ihre Unterstützung für das Programm auszudrücken. Einer dieser Briefe verwies auf Studien, die besagten, dass nicht nur die Selbstmordrate unter australischen LGBTIQ-Individuen sechs- bis vierzehnmal so hoch ist wie die ihrer heterosexuellen Mitmenschen; auch von häuslicher Gewalt, Obdachlosigkeit, Drogenmissbrauch oder Scheitern in der Schule oder im Job sind sie deutlich öfter betroffen.

Einige Australier wehren sich zudem gegen diese neueste Petition, die die Beendigung von Safe Schools fordert, indem sie betonen, wie unabdingbar das Programm in der Förderung von Toleranz und Offenheit in australischen Schulen ist:

Hören Sie, wenn Sie nicht wollen, dass Ihr Kind Offenheit & Verständnis für Anderssein lernt, dann schicken Sie es auf intolerante Privatschulen

Samuel Leighton-Dore, der Herausgeber von Heaps Gay, einer LSBTIQ-Nachrichtenwebseite, schrieb [23]:

…today it was spectacularly revealed that a petition signed by 17,000 well-meaning, misinformed and scared parents has been lodged against the Safe Schools program – and yeah, I’m angry about it. So instead I want to write about how initiatives like Wear It Purple Day and Safe Schools are about so much more than sexuality and fostering a culture of tolerance in the schoolyard. I want to write about how they’re about beckoning in a new generation of young adults – adults who inevitably grow into middle-aged men and women of varying manner, religion, disposition, ethics and fulfilment. How they’re about ensuring these middle-aged men and women understand, at a basic level, the difference between right and wrong – ensuring they know how to treat other people with respect.

… heute wurde auf bombastische Art und Weise veröffentlicht, dass eine von 17.000 gutmeinenden, falsch informierten und ängstlichen Eltern gegen das Safe Schools-Programm eingereicht wurde. Und ja, das macht mich wütend. Also möchte ich jetzt stattdessen darüber schreiben, dass es bei Initiativen wie dem Wear it Purple Day (etwa: “Trag-Lila-Tag”) und Safe Schools um so viel mehr als nur um Sexualität geht, oder darum, eine Kultur der Toleranz auf dem Schulhof zu pflegen. Ich will darüber schreiben, dass es darum geht, einer neuen Generation junger Erwachsener die Pforten zu öffnen – jungen Erwachsenen, die zwangsläufig irgendwann zu Männer und Frauen mittleren Alters heranwachsen werden, welche in ihrem Benehmen, ihrem Glauben, ihrer Grundeinstellung, ihrem Moralverständnis und in ihrer Lebensverwirklichung vollkommen unterschiedlich sind.
Dass es darum geht, sicherzustellen, dass diese Männer und Frauen mittleren Alters den grundlegenden Unterschied zwischen richtig und falsch verstehen und dass sie wissen, wie man anderen Menschen mit Respekt begegnet.

Die Regierung von New South Wales wird am 22. September über die Petition debattieren.