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Prof. Fatoumata Harber, Psychologin und Bloggerin: der Alltag einer Aktivistin in Timbuktu

Kategorien: Subsahara-Afrika, Mali, Bürgermedien, Frauen & Gender, Kriege & Konflikte, Menschenrechte, Regierung
Camion en feu dans une région déjà défavorisée par la nature ! Photo de F. Harber avec sa permission

Durch einen kriminellen Akt in Brand gesteckter Lastwagen im Norden von Mali. Foto von F. Harber mit Genehmigung

Die jüngsten Anschläge in den westlichen Ländern nehmen die Titelseiten der traditionellen Medien ein. Auch in anderen Ländern waren Anschläge zu verzeichnen, doch es wird weniger darüber berichtet, als hätte man weniger Mitgefühl mit Menschen, die in der Sahelzone oder im Irak ihr Leben verlieren. Angst und Trauer fühlen sich jedoch in allen von Extremisten bedrohten Ländern gleich an. Die Bewohner aus Zentral- und Nordmali wissen das ganz genau.

Professorin Fatoumata Harber [1] ist seit 2014 Teil der Gemeinschaft von Global Voices. Sie lebt im Norden von Mali in der Stadt Timbuktu, die monatelang von Dschihadisten besetzt wurde. Global Voices hat sie interviewt, um genauer zu erfahren, unter welchen Bedingungen sie und ihre Landsleute leben und wie sie mit der permanenten Bedrohung durch den Konflikt umgehen. Während sie uns von ihrem Mali erzählt, kann man ihre positive Ausstrahlung deutlich spüren:

Global Voices (GV): Fatoumata Harber, stellen Sie sich doch bitte kurz vor: 

Fatoumata Harber (FH): Je m’appelle Fatoumata Harber, je suis psychologue de formation, j’enseigne la psychopédagogie dans un institut de formation des maîtres bilingue à Tombouctou, au nord du Mali. Je suis également activiste, je suis blogueuse et je suis basée à Tombouctou. Mon nom de plume est Faty.

Fatoumata Harber (FH): Ich heiße Fatoumata Harber, habe Psychologie studiert und unterrichte pädagogische Psychologie in einer zweisprachigen Ausbildungseinrichtung für Lehrer in Timbuktu im Norden von Mali. Außerdem bin ich Aktivistin und Bloggerin und lebe in Timbuktu. Meine Texte erscheinen unter dem Pseudonym Faty.

GV: Wie sieht der Alltag einer Aktivistin in Timbuktu aus?

FH: Le quotidien d’une militante dans une zone en proie à l’insécurité n’est pas de tout repos. C’est d’ailleurs cette situation qui m’a motivée à militer pour les droits de l’homme.

Le travail que je fais consiste justement à rendre publique et à dénoncer les exactions de ces groupes armés contre la population de la zone. Le nord du Mali n’a pas de route digne de ce nom qui le relie au reste du Mali. Nous sommes comme en vase clos avec ces brigands des groupes armés qui se font passer pour des indépendantistes et des défenseurs de la population. Quand ils ont besoin de quelque chose, ils se contentent de piller les villages reculés. L’information ne passe même pas dans la presse nationale, à force parler de la presse internationale.

Nous autres utilisateurs des réseaux sociaux pouvons faire connaitre ces actes criminels très rapidement, même si les interventions de sauvetage sont rares pour ne pas dire inexistantes.

À cause de mes activités ou pour avoir eu des joutes verbales avec leurs représentants sur les réseaux sociaux, je sais que certains groupes armés me suivent, mais je ne me sens pas plus en danger qu’un autre habitant de Tombouctou. Je suis convaincue que mon travail est important. Il faut faire savoir la réalité: la majorité de la population du nord du Mali n’est pas liée à ces groupes armés, elle n’est pas indépendantiste, mais ce n’est pas une raison pour ne pas dénoncer les limites de l’état dans le cadre de la réalisation des infrastructures de base dans le septentrion malien. Parfois les menaces viennent du côté des autorités.

FH: Der Alltag als Aktivistin in einem von Unsicherheit geprägten Gebiet ist nicht eben erholsam. Aber eben diese Situation hat mich motiviert, mich für die Menschenrechte einzusetzen.

Genau das ist meine Arbeit, die Gewalttaten der bewaffneten Gruppen gegenüber der lokalen Bevölkerung öffentlich zu machen und anzuprangern. Im Norden von Mali gibt es keine richtigen Straßen, die in den Rest des Landes führen. Wir leben abgeschottet mit diesen bewaffneten Verbrecherbanden, die behaupten, für die Unabhängigkeit und die Menschen zu kämpfen. Wenn sie etwas brauchen, plündern sie einfach abgelegene Dörfer. Davon liest man nicht einmal in der inländischen Presse, von der internationalen ganz zu schweigen.

Als Nutzer von sozialen Netzwerken können wir diese kriminellen Akte sehr schnell bekannt machen, auch wenn selten oder eigentlich nie etwas dagegen getan wird.

Aufgrund meiner Tätigkeit oder weil ich verbale Auseinandersetzungen mit ihren Vertretern in sozialen Netzwerken hatte, verfolgen mich einige bewaffnete Gruppen, das weiß ich, aber ich fühle mich nicht mehr bedroht als jeder andere Einwohner von Timbuktu. Ich bin davon überzeugt, dass meine Arbeit wichtig ist. Es muss bekannt werden, wie die Situation sich verhält: Die Mehrheit der Bevölkerung von Nordmali hat nichts mit den bewaffneten Gruppen zu tun, sie kämpft nicht für die Unabhängigkeit, aber das ist kein Grund, um sich nicht darüber zu beschweren, wie eingeschränkt der Staat bei der Schaffung von einfachen Infrastrukturen im Norden des Landes ist. Teilweise gehen die Bedrohungen von der Obrigkeit aus.

Fatoumata Harber - Photo du profil twitter. [2]

Fatoumata Harber – Profilfoto von Twitter

GV: Erzählen Sie uns bitte von der Beteiligung der Frauen an der Entwicklung der Region

FH: Pour la participation des femmes au développement de ma région, j’ai créé le Centre Flag des Femmes, une structure financée par la Compagnie américaine Flag International LLT avec notamment un programme de formation en leadership pour les femmes des groupements féminins que nous avons regroupés en un grand réseau de plus de 200 associations.

Nous apportons également notre aide à ces associations en aidant les femmes qui ont des activités génératrices de revenus de les reprendre en leur fournissant le fonds nécessaire. C’est ainsi que 10 femmes boulangères ont pu bénéficier de fours neufs et de matériel pour reprendre la fabrication du pain qui est traditionnelle à Tombouctou. Nous disposons également d’une salle informatique connectée à Internet – c’est un exploit- pour former les femmes et les jeunes à l’informatique gratuitement. De notre ouverture en janvier 2015 à aujourd’hui, nous avons formé une centaine de femmes et 15 jeunes. Mais malheureusement, nous venons de perdre notre partenaire à cause de l’insécurité récurrente.

FH: Um Frauen mehr an der Entwicklung meiner Region zu beteiligen, habe ich das Flag-Zentrum für Frauen gegründet, das von dem amerikanischen Unternehmen Flag International LLT finanziert wird. Es bietet vor allem ein Schulungsprogramm für weibliche Führungskräfte an, die Teilnehmerinnen sind die Frauen aus den Gruppen, die wir zu einem großen Netzwerk von über 200 Vereinen zusammengefasst haben.

Außerdem helfen wir diesen Vereinen, indem wir Frauen, die selbstständig tätig sind, die nötigen Mittel für eine Wiederaufnahme dieser Tätigkeit zur Verfügung stellen. So haben 10 Bäckerinnen neue Öfen und die nötige Ausstattung erhalten, um wieder nach der Tradition von Timbuktu Brot backen zu können. Wir verfügen auch – eine wichtige Errungenschaft – über einen Computerraum mit Internetanschluss, in dem Frauen und Jugendliche kostenlosen Informatikunterricht erhalten. Von unserer Eröffnung im Januar 2015 bis heute haben wir etwa 100 Frauen und 15 Jugendliche geschult. Doch leider haben wir aufgrund der unsicheren Lage kürzlich unseren Partner verloren.

GV:  Sie waren an den Programmen PAT-Mali und #Mali100Mega beteiligt – wie ist der Stand?

FH: PAT-Mali est un programme de L’USAID qui a été d’une aide inqualifiable – selon moi- pour la région de Tombouctou à travers les différents projets qu’ils ont réalisé dans la ville. Le projet est malheureusement fermé début 2016.

L’initiative #Mali100Mega est née d’un constat. Le domaine de l’internet fait l’objet d’une hégémonie de la part des 2 compagnies de téléphonie qui sont presents au Mali. Des activistes travaillant dans le secteur des TIC se sont réunis pour former ce collectif pour réclamer un changement du tarif et une hausse du débit minable qui est pratiqué au Mali. Nous avons ainsi déposé des dossiers au niveau de l’AMRTP – agence malienne de régulation des télécommunications et des postes-, à l’assemblée nationale, au Ministère de tutelle avec une étude comparative des prix pratiqués par ces compagnies. Cela a été aussi suivi d’une campagne médiatique notamment sur Twitter et Facebook, mais aussi à la télévision et dans certaines radios nationales et internationales. Nous continuerons à être mobilisés sur les réseaux sociaux tant que cela ne changera pas. Les TIC ne sont pas un luxe, nous maliens y avons droit, aussi bien pour notre bien que pour notre développement.

FH: PAT-Mali war ein Programm der USAID, das der Region um Timbuktu durch die verschiedenen Projekte in der Stadt meiner Meinung nach enorm geholfen hat. Leider lief es Anfang 2016 aus.

Am Anfang der Initiative #Mali100Mega stand eine Feststellung: Die beiden Telefongesellschaften, die in Mali aktiv sind, haben das Internet fest in der Hand. Aktivisten, die sich mit Informations- und Kommunikationstechnologien beschäftigen, haben sich zu einem Kollektiv zusammengeschlossen, um eine Änderung der Datentarife und eine Erhöhung der Übertragungsgeschwindigkeit zu fordern – die ist in Mali entsetzlich niedrig. Also haben wir der malischen Agentur für Telekommunikation und Post (AMRTP), der Nationalversammlung und dem zuständigen Ministerium Unterlagen zur Preisgestaltung der beiden Gesellschaften zukommen lassen. Daran schloss sich eine Kampagne in den Medien an, vor allem auf Twitter und Facebook, aber auch im Fernsehen und auf bestimmten in- und ausländischen Radiosendern. Solange sich nichts ändert, werden wir weiterhin in den sozialen Netzwerken Druck machen. Informations- und Kommunikationstechnologien sind kein Luxus, wir in Mali haben ein Recht darauf, für private Zwecke und für unsere Entwicklung.

GV: Wie schaffen Sie es in einer Region, deren Einwohner so viele Schwierigkeiten haben, so präsent in den sozialen Netzwerken zu sein?

FH: Comment je réussis à être présente alors que l’accès aux services tels que l’électricité et l’internet posent toujours problème ? Je contourne tout simplement les difficultés en utilisant les moyens que m’offrent les progrès technologiques : j’ai toujours 2 smartphones performant pour échapper à la menace de la panne subite, par manque d'électricité ou manque de couverture du réseau. J’utilise plus la connexion mobile, qui même si elle est mauvaise, je peux au moins envoyer des mails à d’autres membres de la communauté des blogueurs du Mali qui publient les articles de mon blog à ma place.

Je recharge mes appareils – téléphone, ordinateurs, batteries- avec une plaque solaire spécifique. J'en profite pour dire un grand merci au Réseau des Citoyens Actifs Mali RECAM, qui me soutient financièrement pour que je ne sois jamais à cours de forfait Internet malgré le coût d'abonnement élevé au Mali. Un forfait  2G mobile coûte 13500 FCFA et le service 2G s'épuise rapidement quand on est connecté en permanence.

FH: Wie ich es bei all den Problemen mit der Stromversorgung und der Internetverbindung schaffe, präsent zu sein? Ganz einfach, ich umgehe die Schwierigkeiten dank der Möglichkeiten moderner Technik: Ich nutze ständig zwei leistungsfähige Smartphones, um nicht plötzlich aufgeschmissen zu sein, weil ich keinen Strom oder kein Netz habe. Ich nutze vor allem die mobile Verbindung, selbst wenn sie schlecht ist, so kann ich zumindest E-Mails an andere Mitglieder der Blogger-Community in Mali schicken, die die Artikel auf meinem Blog an meiner Stelle veröffentlichen.

Meine Geräte – Telefon, Computer, Batterien – lade ich über ein spezielles Solarpanel auf. Ich nutze die Gelegenheit, um dem Netzwerk aktiver Bürger in Mali (RECAM) zu danken, das mich finanziell unterstützt, damit ich immer Zugang zum Internet habe, wenngleich die Verträge in Mali so teuer sind. Ein 2G-Vertrag für mobile Geräte kostet 13500 FCFA [ca. 20,58 €, Anm. d. Übers.] und der 2G-Dienst ist schnell nicht mehr verfügbar, wenn man permanent online ist.

GV: Was möchten Sie zum Schluss vor allem jungen Leuten mit auf den Weg geben?

FH: Mon mot pour la jeunesse africaine ? L’Afrique a besoin d’une jeunesse engagée pour gagner le défi du développement!

FH: Meine Botschaft an die afrikanische Jugend? Afrika braucht engagierte junge Menschen, um die Herausforderung der Entwicklung anzunehmen!