Beim Massaker in einem homosexuellen Club in der US-amerikanischen Stadt Orlando am 12. Juni 2016 wurden 49 Menschen getötet und 53 verletzt. In Indien veranstalteten eine Vielzahl von Organisationen Friedensmärsche, um ihre Solidarität mit den Opfern des in den USA tödlichsten Gewaltaktes gegen lesbische, schwule, trans- und queere Menschen (LGBTQ) zu zeigen.
Indiens Premierminister Narendra Modi sprach ebenfalls sein Beileid aus und verurteilte die Schießerei in einem Tweet, womit er die LGBTQ-Gemeinschaft überraschte, die ihn als nicht wirklich als Ally [Definition durch RainbowProject: Menschen, die sich selbst nicht als LGBT identifizieren, aber die Gleichberechtigung von LGBT-Personen unterstützen] ansehen.
Viele Aktivisten wiesen jedoch mit Recht darauf hin, dass Modi es unterließ, den Term LGBTQ in seinem Tweet zu verwenden:
Shocked at the shootout in Orlando, USA. My thoughts & prayers are with the bereaved families and the injured.
— Narendra Modi (@narendramodi) June 12, 2016
In Indien ist Gewalt gegen Menschen, die aufgrund ihrer Sexualität und/oder ihres Geschlechts einer Minderheit angehören und soziale Marginalisierung sowie Todesdrohungen und Attacken durchstehen müssen, ein schwerwiegendes Problem. Im Jahr 2009 wurde durch das oberste Gericht Delhis, den Delhi High Court, ein bahnbrechendes Urteil gefällt, welches einvernehmliche sexuelle gleichgeschlechtliche Handlungen zwischen Erwachsenen entkriminalisiert. Hierdurch wurde Absatz 377 des indischen Strafgesetzbuches als ungültig erklärt, der durch das Britische Empire 1861 in die indische Verfassung aufgenommen wurde. Homosexueller Sex wurde als “unnatürlich” und “gegen die Ordnung der Natur gehend” angesehen.
Infolgedessen wurden mehrere Einsprüche beim obersten indischen Gericht eingelegt, die die Entscheidung des Delhi High Court anfechten. Das oberste Gericht hob das Urteil des Delhi High Courts vom 11. Dezember 2013 auf und entschied, dass das Urteil nicht rechtsmäßig sei. Die Angelegenheit ist noch immer aufgeschoben und hängt zwischen Gericht und Parlament fest. Die rechtsorientierte Regierung der indischen Volkspartei Bharatiya Janata Party, die derzeit an der Macht ist, weigert sich, das Gesetz zu ändern.
‘Ihr glaubt, LGBT-Menschen seien sicher in Indien?’
Nutzer sozialer Medien hatten es auf Modi abgesehen, nachdem er sich weigerte, anzuerkennen, dass der Anschlag in Orlando gegen die LGBTQ-Gemeinschaft gerichtet war.
@narendramodi sir, gay nightclub tha.
— #InflationExpert (@sambha_bhilane) June 12, 2016
Sir, es war ein homosexueller Nachtclub.
Rachita wandt ein, Modis Tweets seien nicht aufrichtig gewesen.
@narendramodi you do that, you don't have a right to show solidarity with the community in Orlando. #scrap377
— Rachita (@visualfumble) June 13, 2016
@narendramodi there's no point of giving “thoughts & prayers” to the families of the LGBTQ community in Orlando if you don't walk the talk 1
— Rachita (@visualfumble) June 13, 2016
Manche verurteilten Modis fehlendes Mitgefühl gegenüber der LGBTQ-Gemeinschaft:
@narendramodi no prayers wud work unless u scrap 377 or pray some 2002 times. Good day😃
— Siddharth Patni (@aageSeLeftLelo) June 13, 2016
But not shocked that gay people are still branded criminals in his country. https://t.co/hdmEV8KJ3R
— Utsav Chakraborty (@Shockraborty) June 12, 2016
Dear PM @narendramodi ji, you think LGBT people are safe in India? That too, in YOUR government?
— Veejay Sai (@veejaysai) June 12, 2016
Andere nannten ihn einen Heuchler.
The gay community members who died in #Orlando would be considered criminals as per existing Indian Laws. Catch 22 for Modi.
— Bahadur (@my2bit) June 14, 2016
‘Noch nie habe ich mich so betrogen gefühlt’
Sakshan Bhatnagar beschrieb auf Facebook, wie verletzend Modis Tweet seiner Meinung nach war:
Narendra Modi, you murder the victims of the Orlando shooting a second time by refusing to acknowledge that they were killed because they were LGBT. Would it have reduced your shock or sorrow to speak of the root cause of shooting, the homophobia we in india still call our culture?
Filmemacher und Drehbuchautor Apurva Asrani, dessen letzter Film Aligarh sich mit dem Homosexualität auseinandersetzt, schrieb einen offenen Brief an Modi. Er fragte:
While your words seemed kind and compassionate, I would like you to know, sir, that they shook me up. I have never felt more betrayed. Your 110 character tweet was missing five important characters. Five characters that would reveal a truth that your government is refusing to acknowledge-LGBTQ’!
The Orlando shooting took place in a gay club. Those that perished were all members of the LGBTQ community. You surely know sir, that LGBTQ stands for Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender and Queer people. It is an umbrella term for a people with an alternative sexual orientation. We exist not just in the United States and the rest of the world, but in India too.
Während Ihre Worte gütig und anteilnehmend gewesen zu sein schienen, möchte ich, dass Sie wissen, dass Ihre Worte mich wachrüttelten. Noch nie habe ich mich so betrogen gefühlt. In Ihrem 110 Zeichen langen Tweet fehlten fünf wichtige Buchstaben. Fünf Buchstaben, die die Wahrheit aufgedeckt hätten, die Ihre Regierung sich weigert, anzuerkennen – LGBTQ!
Das Massaker in Orlando fand in einem homosexuellen Nachtclub statt. Die umgekommenen Menschen waren alle Mitglieder der LGBTQ-Gemeinschaft. Sie, mein Herr, wissen sicherlich, dass LGBTQ für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender und Queer [Anm. d. Ü.: zu Deutsch Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und queere Menschen] steht. Es ist ein Sammelbegriff für Menschen mit alternativer sexueller Orientierung. Uns gibt es nicht nur in den Vereinigten Staaten und dem Rest der Welt, sondern auch in Indien.
Im Gespräch mit der Nachrichtenseite First Post konfrontierte die Aktivistin für Transgender-Rechte Laxmi Narayan Tripathi die indische Regierung und sagte: “Ich fordere Narendra Modi, abermals, dazu auf, auf Grundlage der gesamten Demokratie zu handeln, auf der Indien erbaut ist und unsere eigenen Menschen unseres Landes anzuerkennen und ihnen Sicherheit zu geben.”