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Welche Folgen könnte der Brexit für die Menschen in Afrika haben?

Kategorien: Subsahara-Afrika, Bürgermedien, Internationale Beziehungen, Politik, Wirtschaft & Handel
Campaign poster for both camps in London. Photo released under Creative Commons by Wikipedia user Philip Stevens. [1]

Wahlkampfplakate für beide Lager in London. Das Bild wurde unter der Creative Commons-Lizenz von Wikipedia-User Philip Stevens veröffentlicht.

Am 23. Juni 2016 stimmten [2] in einem dramatischen Referendum [3] insgesamt 52% der Wahlbeteiligten im Vereinigten Königreich dafür, aus der Europäischen Union auszutreten.

Nachdem das endgültige Ergebnis feststand, stellten sich viele afrikanische Nationen die Frage, ob Großbritanniens Entscheidung, die EU zu verlassen, sie auf irgendeine Weise betreffen würde – schließlich waren viele von ihnen einst britische Kolonien und gehören bis heute noch dem Commonwealth of Nations [4] an, einem internationalen Zusammenschluss ehemaliger Kolonien des britischen Weltreichs.

In dem Bestreben, die Bedeutung des sogenannten “Brexits” für Afrika zu ergründen, merkte Grieve Chelwa in einem Post für den Blog “Africa is a Country” [5] an, dass die Rezession in Großbritannien als direkte Folge des Referendums Konsequenzen für die Wirtschaft afrikanischer Länder haben könnte. Er schlussfolgerte jedoch [5], dass eine Rezession in China verheerender für Afrika wäre:

How much trade takes place between the UK and Africa? Not much, it turns out. Combining data from the UK’s Office for National Statistics (ONS) [6] and the United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) for 2014, the latest year for which we have comparable data, we calculated that exports from Africa to the UK represent about 5% of Africa’s total exports. Africa is more worried about a slowdown in China, it’s biggest trading partner [7] by far.

Wie viel Handel findet zwischen Großbritannien und Afrika statt? Nicht viel, wie sich heraus stellt. Wir haben die Daten des britischen Office for National Statistics (ONS) [6] und der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung aus dem Jahr 2014 zusammengetragen – dem letzten Jahr, von dem uns vergleichbare Daten vorliegen – und haben errechnet, dass Exporte nach Großbritannien ungefähr fünf Prozent der Gesamtexporte aus Afrika ausmachen. Problematischer wäre der wirtschaftliche Abschwung Chinas, da es der mit Abstand wichtigste Handelspartner Afrikas [7] ist.

Zu einem ähnlichen Schluss [5] kam er mit Hinblick auf die Wichtigkeit britischer Investitionen in Afrika. Chelwa rundete seine Einschätzung der gegenwärtigen Lage [5] folgendermaßen ab:

The UK doesn’t have the same influence on the continent that it did decades ago. And Brexit will be further proof of that. If the UK sneezes Africa will … well Africa will say “bless you” and move on.

Großbritannien hat nicht mehr denselben Einfluss auf den Kontinent, den es vor Jahrzehnten noch hatte. Und der Brexit wird diesen Eindruck nur noch verstärken. Wenn Großbritannien niest, wird Afrika … nun, dann wird Afrika “Gesundheit” sagen und sich wieder anderen Dingen zuwenden.

Ein weit verbreitetes Argument ist [8], dass afrikanische Farmer von dem Ausstieg profitieren würden, da Großbritannien ihnen in Europa eine Stimme geben würde. Ida Horner von Africa on the Blog [9] hielt dagegen:

As regards to African farmers, a question has been asked as to whether Britain would be more effective at fighting for the rights of African farmers if it was no longer part of the European union (EU). I don’t believe that this would be the case. This is because British farmers would have lost their subsidies from the EU under the Common Agriculture Policy (CAP). The implication of this are not clear at this point in time but I would like to assume that Britain would prioritise British farmers over African farmers.

Im Hinblick auf afrikanische Farmer kam die Frage auf, ob sich Großbritannien mehr für ihre Rechte einsetzen könnte, wenn es nicht mehr zur Europäischen Union (EU) gehöre. Ich glaube nicht, dass das der Fall wäre, da britische Farmer seitens der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU keine Subventionen mehr erhalten würden. Man weiß zur Zeit noch nicht, was die Folgen sein werden, aber ich nehme an, Großbritannien wird sich in erster Linie auf die britischen und nicht auf die afrikanischen Farmer konzentrieren.

Richard Dowden, Leiter der Royal African Society in Großbritannien, ist der Ansicht [10], dass Großbritanniens Rolle als Vertreter afrikanischer Interessen zunehmend an Bedeutung verlieren wird:

Many on the continent saw Britain as an important voice for Africa in Brussels and at the UN in New York. But now, England and Wales – outside the EU and led by little Englanders – will see British influence in the world diminish further. Could Britain even find itself squeezed off the UN Security Council?

Für viele auf dem Kontinent galt Großbritannien als wichtiger Sprecher für Afrika in Brüssel und vor den Vereinten Nationen in New York. Aber jetzt, da England und Wales aus der EU draußen sind und von Nationalisten angeführt werden, nimmt Großbritanniens Bedeutung noch weiter ab. Könnte es sogar von seinem Platz im Sicherheitsrat der UN verdrängt werden?

Der Brexit würde auch negative Folgen [10] für Studenten, Flüchtlinge und andere Arten von Immigranten aus Afrika haben:

The exit will also feed racism in Britain. There is little doubt that many of the Leave voters, frightened by immigration, want to stop foreigners coming to Britain. Africans – more visible than Europeans – will no doubt be targeted.

Der Ausstieg wird auch den Rassismus in Großbritannien anfachen. Zweifelsohne wollen viele Befürworter, denen Immigration Angst einjagt, Ausländer davon abhalten, zu ihnen zu kommen. Afrikaner – die mehr herausstechen als Europäer – werden garantiert in ihr Visier geraten.

Ida Horner hielt jedoch dagegen [11], dass noch nicht klar wäre, inwiefern sich die Einwanderungsbedingungen für Afrikaner ändern würden:

This is because, Britain cannot control migration from the EU and therefore in order to reduce overall immigration into Britain, Commonwealth citizens’ access to Britain is restricted. The perception of those calling for an exit, is that if Britain were to leave the EU, this situation would be reversed.

The extent to which this assertion is true with respect to African countries is open to debate and would require an examination of existing data relating to for instance, how many Africans have successfully obtained a two year Commonwealth Youth or Ancestry visa in the past and currently compared to say Canadians, Australians or even white South Africans.

Das liegt daran, dass Großbritannien auf die Zuwanderung aus der EU kaum Einfluss hat. Daher wird Bürgern aus dem Commonwealth nur beschränkt Einlass auf britisches Territorium gewährt; dadurch soll generell die Zuwanderung nach Großbritannien begrenzt werden. Diejenigen, die einen Austritt fordern, sind der Ansicht, dass sie die Situation umkehren könnten, sollte Großbritannien die EU verlassen.

Es steht zur Debatte, inwiefern diese Behauptung auf afrikanische Länder zutrifft. Dafür müsste man vorliegende Daten zur Anzahl von Afrikanern untersuchen, die sich bis zum heutigen Tag erfolgreich für ein zweijähriges Jugend- oder Abstammungs-Visum für Commonwealth-Nationen beworben haben, und diese Zahlen mit denen von Kanadiern, Australiern oder auch weißen Südafrikanern vergleichen.

Martins Hile, der für das Webportal des Medienunternehmens Financial Nigeria International [12] bloggt, untersuchte, welche Auswirkungen der Brexit [13] auf Nigeria hätte. Das Land ist – nach Südafrika – Großbritanniens zweitgrößter Handelspartner in Afrika.

As a member of the British Commonwealth, Nigeria has strong ties with Britain. After South Africa, Nigeria is Britain's second largest trading partner in Africa, with £6 billion (about N2.4 trillion or $8.52 billion) in bilateral trade volume last year. As of December 2014, the UK Department for International Development had a portfolio of 40 projects in Nigeria with a planned budget of £232 million for 2014/2015, which include grants to non-profits, technical assistance and partnerships with other development agencies. A weaker and smaller UK economy would scale back its investment in development projects in Nigeria, even if temporarily.

Als Teil des Commonwealth hat Nigeria ein enges Verhältnis zu England. Nach Südafrika ist es Großbritanniens zweitgrößter Handelspartner in Afrika; das bilaterale Handelsvolumen betrug im vergangenen Jahr 6 Milliarden Pfund (entspricht ungefähr 2,4 Billionen Naira oder 7,1 Milliarden Euro).Bis Dezember 2014 hatte das UK Department for International Development [die Abteilung für internationale Entwicklung] ein Portfolio von 40 in Nigeria geplanten Projekten angefertigt. Zu diesen zählen Zuschüsse für gemeinnützige Organisationen, technische Unterstützung und Partnerschaften mit anderen Entwicklungsagenturen. Das geplante Budget beträgt für 2014/2015 232 Millionen Pfund. Das Schrumpfen der Wirtschaft in Großbritannien würde zur Folge haben, dass es seine Investitionen in Entwicklungsprojekte in Nigeria zurückfahren müsste, wenn auch nur zeitweise.

Er warnte [13], dass der Brexit einen großen Einfluss auf sezessionistische Bestrebungen [14] in Nigeria haben könnte:

Should Britain, which cobbled Nigeria together begin to unravel in its own union, agitators for independence for some of Nigerian ethnic groups would find the bad example worthy of emulation. In the final analysis, like Britain, the toll of brexit on Nigeria would be less severe on the economic front; its deeper implications would be political.

Sollte Großbritannien, das Nigeria zusammengeflickt hat, an seiner eigenen Union zerbrechen, könnten Verfechter der Unabhängigkeit für einige der ethnischen Gruppen in Nigeria dieses schlechte Exempel zu einem umdeuten, das es zu emulieren gilt. Letztendlich würde ein “Brexit” – wie in Großbritannien, so auch in Nigeria – auf wirtschaftlicher Ebene einen eher geringen Tribut fordern. Dafür wären seine Auswirkungen auf politischer Ebene umso tiefgreifender.