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Ein Kinderbuch erzählt deutschen Kindern die wahre Geschichte der syrischen Flüchtlinge

Kategorien: Nahost & Nordafrika, Westeuropa, Deutschland, Syrien, Bürgermedien, Flüchtlinge, Kriege & Konflikte, Literatur
Rahaf and her family fleeing Homs, Syria to Germany. Credit: Jan Birck

Rahaf und ihre Familie fliehen aus der syrischen Stadt Homs nach Deutschland. Quelle: Jan Birck

Dieser Artikel, geschrieben von Lucy Martirosyan [1], erschien ursprünglich am 20. Juni 2016 auf PRI.org [2] und wurde hier im Rahmen einer Content-Sharing-Vereinbarung erneut veröffentlicht. 

Aufgrund von Konflikten gibt es weltweit mittlerweile mehr als 65 Millionen heimatlose Menschen, die höchste jemals aufgezeichnete Zahl. Die Hälfte dieser Flüchtlinge sind Kinder [3].

Deutschland hat mehr als eine Millionen Flüchtlinge aufgenommen, die meisten davon stammen aus Syrien und dem Irak. Obwohl viele Befürworter anfänglich Angela Merkels Handeln unterstützt hatten, haben viele Deutsche mittlerweile damit begonnen ihrer Besorgnis Ausdruck zu verleihen: [4] sie wollen wissen, wann die Aufnahme von Migranten ein Ende hat.

Während die Erwachsenen in Deutschland gemischte Meinungen gegenüber Flüchtlingen vertreten, möchte die deutsche Autorin, Kirsten Boie, zumindest den Kindern zeigen, dass ein Flüchtlingskind auch nur ein Kind wie jedes andere ist.

In ihrem aktuellen Kinderbuch “Bestimmt wird alles gut [5]“, erzählt sie die wahre Geschichte von Rahaf und ihrer Familie, die aus ihrem Zuhause im syrischen Homs fliehen mussten, da es von Kriegsflugzeugen bombardiert wurde. Die Familie überquert das Mittelmeer auf einem kleinen Boot und lässt sich letzten Endes in einer kleinen Stadt in der Nähe von Hamburg nieder, um ein neues Leben zu beginnen.

Das Buch wurde auf deutsch und arabaisch veröffentlicht, mit der Absicht, es den deutschen Schulkindern und deren neuen eingewanderten Nachbarn in der Klasse vorzulesen.

„Es gibt zahllose Menschen, die nicht nur die zu uns kommenden Flüchtlinge willkommen heißen, sondern sie auch intensiv unterstützen: sie widmen einen großen Teil ihrer Zeit dem Ziel, Menschen dabei zu helfen unsere Sprache zu erlernen, gehen mit ihnen zum Arzt oder zu Behörden und vieles mehr. Andererseits gibt es natürlich auch Menschen, die vollkommen gegen Flüchtlinge sind“, so Boie. „Kinder liegen irgendwo in der Mitte und die Informationen, die sie erhalten – sagen wir es so – einige Eltern reden schlecht über Flüchtlinge, andere sagen etwas anderes. Von daher dachte ich mir, die Geschichte einer echten Familie zu erzählen, gibt ihnen die Möchligkeit zu lernen, wie es sich wirklich anfühlt.“

Über das vergangene Jahr hinweg, stand Boie in Kontakt mit vielen Flüchtlingsfamilien. Sie sagt, sie hätte sich auch eine “dramatischere” Geschichte für ihr Buch auswählen können. Eine, die von mehr Verlust, Gewalt und Schmerz erzählt hätte. Am Ende entschied sie sich jedoch für eine “gewöhnlichere” Geschichte. Sie erhofft sich, dass die deutschen Kinder sich dadurch leichter in die Situtaion der Flüchtlingskinder hinein versetzen können.

The book includes some horrifying scenes endured by the main characters who are now settled in Germany. Credit: Jan Birck

Das Buch beinhaltet ein paar erschreckende Szenen, die die Hauptcharaktere, die sich mittlerweile in Deutschland nieder gelassen haben, durchmachen mussten. Quelle: Jan Birck

Während sie an dem Buch arbeitete, traf sich Boie mit Rahaf und ihrem Bruder Hassan (die im richtigen Leben anders heißen), sowie mit deren Mutter. Bevor sie über die Gewalt und den Krieg sprachen, schwelgten die zwei Kinder in Erinnerung von ihrem Zuhause und ihren zurückgelassenen Freunden und Familienmitgliedern. Ihre Mutter musste sie erst auf arabisch dazu auffordern, von den von ihnen erlebten Gräueltaten des Krieges zu berichten, so Boie.

Boie steht weiterhin mit Rahaf und Hassan in Kontakt – sie gehen sogar gemeinsam ins Kino – doch ein zweiter Teil des Buches ist nicht geplant.

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich keinen weiteren Teil schreiben werde. Ich habe alles in meiner Macht stehende getan, um zu verhindern, dass die Kinder indentifiziert werden können. Ich habe sogar ihre Namen geändert, beziehungsweise, sie haben ihre Namen selbst geändert. Sie haben mir gesagt, wie sie in der Geschichte genannt werden wollten”, sagt Boie.

Einige der jungen deutschen Leser sorgen sich um das Wohlbefinden von Rahaf und Hassan, wie Boie auf ihren Lesungen erfuhr. Sie haben sogar angefangen, mit ihnen mitzufühlen.

„Kinder, finde ich, sind sehr, sehr aufgeschlossen. Wenn sie hören, was diese Kinder durchmachen mussten, dann wollen sie wissen, ‘Können wir ihnen helfen? Wie können wir ihnen helfen? Was können wir tun, um ihnen das Leben zu erleichtern?'” sagt Boie.

„In der Geschichte dieser zwei syrischen Kinder, stehlen die Schlepper auf dem Mittelmeer ihr Gepäck. In dem Gepäck war auch die Puppe des Mädchens. Und sie ist sehr traurig darüber, ihre Puppe auf diese Weise verloren zu haben. An dieser Stelle beginnen die Kinder immer mit der Frage, ‘Hat sie ihre Puppe zurück bekommen?’ Ich denke, dass das der Fall ist, da sie sich vorstellen können, dass ihnen das gleiche passieren könnte, im Gegensatz zu den Bomben und den Auseinandersetzungen und den Nächten auf dem Mittelmeer… diese Dinge können sie sich als reale Situation nicht vorstellen.”

Boie, die bereits über 60 Bücher für Kinder und Jugendliche geschrieben hat, glaubt daran, dass Geschichten jungen Menschen zu verstehen geben, was auf der Welt passiert.

„Geschichten, denke ich, machen es immer einfacher für Kinder Dinge zu verstehen, im Gegensatz zu theoretischem Wissen”, sagt Boie. “Ich denke, das ist unsere Gelegenheit.”