Übergriff auf veganes Restaurant in Georgien schafft neue Front im Kulturkrieg

Am vergangenen 29. Mai wurde in einem vegetarischen Restaurant in Tiflies die Ausstrahlung eines Films durch den Übergriff einer mit gegrillten Würstchen bewaffneten Bande unterbrochen. Diese bewarf die Tischgäste mit Fleischstücken und es kam zu Handgreiflichkeiten mit dem Personal. Das Kiwi Café bestätigt, dass mehr als ein Dutzend Angreifer eine “Anti-Veganismus-Bewegung” anführten. (Foto: Kiwi Café)
Diese Publikation ist von unserer Partnerorganisation EurasiaNet.org und wurde von Giorgi Lomsadze geschrieben. Vervielfältigt mit Genehmigung.
Die Wurst ist die neue Waffe erster Wahl für den in Georgia stattfindenden Kulturkrieg.
Am vergangenen 29. Mai stürmten Würstchen schwingende Angreifer das überschaubare vegane Restaurant Kiwi Café, eine soziokulturelle Anlaufstelle in der Altstadt von Tiflis, befeuerten die Speisenden mit Fleisch- und Fischstücken und lieferten sich ein Gefecht mit dem Personal. Die Auseinandersetzung soll bis auf die Straße vorgedrungen sein, auch wenn die Angreifer vor dem Eintreffen der Polizei flüchteten.
Die Angestellten identifizierten die Angreifer als Mitglieder der Georgian Power, eine nationalistische Gruppierung mit Skinhead Tendenzen.Giorgi Gegelashvili, Mitarbeiter des Cafés, ließ über den öffentlichen Rundfunk in Georgien verlauten, dass die Mitglieder der radikalen Bewegung bereits in der Vergangenheit gegen das Personal und die Chefs des Cafés hetzten, wohl wegen einer starken Ablehnung der Firmenwerte, welche er als nihilistisch und pazifistisch bezeichnet. “Einige Tage vorher griffen sie Freunde und Kunden an, beleidigten und bespuckten sie, dann drohten sie das Restaurant zum Schauplatz eines Massenmordes zu machen”, sagte Gegelashvili.
Georgian Power will nicht in den Vorfall verwickelt sein und hält dagegen, dass in ihrem Programm kein Platz für anti-vegetarische Maßnahmen sei. “Vegetarier dazu zu zwingen, Fleisch zu essen, zählt nicht zu unseren Prioritäten”, manifestierten sie über eine Erklärung auf Facebook am 31. Mai.
Die Gruppe weist darauf hin, dass die russische Besetzung in den separatistischen Gebieten Süd-Ossetiens sowie der liberale Führungsstil der aktuellen georgischen Regierung zu ihren Hauptproblemen zähle. Die Gruppe bestätigt weiter, dass einige ihrer Mitglieder auf Tomaten-Diät seien und “seit Langem kein gegrilltes Fleisch mehr gesehen haben”.
Der Vorfall des Kiwi Café zeigt die aufstrebende Positionierung Georgiens als Kriegsfront in der weitreichenden kulturellen und ideologischen Auseinandersetzung der Region, insbesondere gegen Russland als selbsterklärter Verteidiger traditioneller Werte gegen den westlichen Einfluss der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten. 2014 unterschrieb die georgische Regierung ein EU-Mitgliedsabkommen und versucht seit langem Mitglied der NATO zu werden. Doch ein Großteil der georgischen Gesellschaft, mit ihren tiefen katholisch-orthodoxen Wurzeln, zweifelt an der Integration mit der westlichen Welt; sie befürchtet, dass die Einführung jener Werte ihrer eigene Kultur und lokalen Traditionen schadet.
Die Stimmen der Verfechter “traditioneller” georgischer Werte (inklusive des Nationalismus und sozialen Konservatismus) waren in letzter Zeit lauter zu hören. Mitte Mai kamen sie in Tiflis – im offiziell so genannten World Congress of Families – zusammen, wo sie die bösartigen Ideen der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten verurteilten.
Die Debatte über Wertvorstellungen hat sich bis heute auf traditionell heikle Themen gestützt, so wie LGBT-Rechte [Anmerkung d. Übersetzung.: steht für Lesbian, gay, bisexual and transgender] oder Abtreibung. Nun scheint es, dass sich mit der Freiheit der Ernährungswahl ein neuer Abgrund auftut. Offensichtlich sehen die Ultra-Nationalisten die Vegetarier als nicht-georgisch und, folglich, als Bedrohung für das nationale Wohlbefinden.
Der Zwischenfall im Kiwi Café hat in den Sozialen Medien eine Welle an Kommentaren hervorgerufen, von Entrüstung bis Spott. Da die liebevolle Zwangsernährung ein Grundgedanke jeder georgischen Großmutter ist, gibt es diejenigen, die sich über die vermeintliche Attacke der “bebiebi”, also Großmütter auf Georgisch, lustig machen, da diese sich sicherlich über das nicht traditionsgemäße Essverhalten ihrer Enkel aufregen. Andere sind sich sicher, dass es sich um einen Hinterhalt aus der Fleischindustrie handelt.
Aber für viele ist der Zwischenfall im Kiwi Café nicht nur ein Zufall, sondern alarmierendes Symptom des Wiederauflebens einer Bewegung, die vor zwei Jahrzehnten einen zerstörerischen Einfluss auf das Land ausübte, der radikale Nationalismus.
Die Facebook-Seite der Georgian Power ist voll mit rechtsextremer Rhetorik und Fotos von Männern in Masken und geballten Fäusten. Die Gruppe bestreitet “Georgien ist für die Georgier”. Dies war ein berühmter Slogan während der ersten nationalistischen Regierung von Zviad Gamsakhurdia, Präsident zwischen 1991 und 1992, eine Periode geprägt von großer Instabilität, ethnischen Konflikten und Bürgerkrieg.
Die Gruppe lässt auch ihren Hass gegen Ausländer, Liberale und LGBT-Angehörige ab. Ihre Aktivitäten begrenzen sich nicht nur auf Provokationen im Netz. Letztes Jahr teilte ein Mitglied, welches offenbar eine zentrale Rolle innerhalb der Gruppe einnimmt, Videos auf denen Afrikaner und Araber zu sehen sind, die im Zentrum von Tiflis bedrängt und verprügelt werden. Die Polizei hat Ermittlungen aufgenommen, die am Ende zu nichts führten.
Aktivisten aus der Zivilgesellschaft bemängeln, dass die georgische Polizei nicht angemessen in Fällen von Gewalt gegen Mitglieder der politischen Opposition, LGBT-Gruppen und Ausländer handele.
Angestellte des Kiwi Café sagten aus, dass Polizisten sie beschuldigten den Vorfall vom 29. Mai provoziert und Nachbarn nicht daran gehindert zu haben, sich in das Gefecht einzumischen. Am nächsten Tag begannen die Behörden mit den Ermittlungen zum Geschehen.
Am 31. Mai veröffentlichte das Kiwi Cafe eine Erklärung, in der es den Vorfall, der sich zwei Tage vorher ereignet hatte, als Angriff gegen die Zivilgesellschaft denunziert. Das Restaurant sei weiter ein Treffpunkt für Toleranz. “Allein wenn ihr ins Restaurant kommt helft ihr uns in dieser schweren Zeit”, heißt es in der Erklärung. “Wir werden enorm dankbar dafür sein, dass ihr an unserer Seite beweist, dass wir viele sind, die uns Sorgen machen und glauben, dass dies eine wichtige Angelegenheit ist.”.
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