Bosnien: Wo Homophobie und Studentenpolitik aufeinandertreffen, regt sich Widerstand

Anti-homophobia sticker from Sarajevo, featuring Vučko, the mascot of 1984 Olympic Games. Photo: F. Stojanovski CC-BY.

Ein Anti-Homophobie-Sticker aus Sarajewo, auf dem Vučko, das Maskottchen der Olympischen Spiele 1984, abgebildet ist. Photo: F. Stojanovski CC-BY.

Eine der Hauptattraktionen des städtischen Lebens im heutigen Sarajewo ist das Art kino Kriterion. Tagsüber ist es ein Café; nachts verwandelt es sich in eine Bar. Darüber hinaus finden hier Konzerte, Konferenzen, Filmvorführungen und sogar Kunstausstellungen statt. Man könnte diesen Ort durchaus als “progressiv” bezeichnen.

Das Kriterion hat den “alten” kosmopolitischen Flair der Vorkriegszeit, als die Hauptstadt Bosniens Seite an Seite mit Belgrad und Zagreb die jugoslawische Rockszene ins Leben rief, in der gesamten Region aufrechterhalten.

Am 5. März fand ein Überfall auf dieses beliebte Lokal statt. Mehrere junge Männer schlugen einen Kellner zusammen und verletzten eine Schirmherrin; sie sollen dabei homophobe Beleidigungen gerufen haben.

Repräsentanten der LGBT-Community forderten die Behörden dazu auf, diesen Ausbruch von Gewalt als Hassverbrechen strafrechtlich zu verfolgen. Die Polizei nahm vier Verdächtige fest; bei allen handelte es sich um Teenager, die nach Ende des Krieges geboren wurden. Nachdem man sie polizeilich verhörte, wurden sie wieder freigelassen.

Kurz darauf veröffentlichte Haris Zahiragić, Präsident des Studierendenparlaments an der Universität Sarajewo, mehrere homophobe Kommentare auf Facebook, in denen er den Angriff auf das beliebte, LGBT-freundliche Establishment gutzuheißen schien. Die Universität ist mit über 30.000 Studenten die größte und älteste in Bosnien und Herzegowina.

In seiner Tirade bezeichnete Zahiragić Homosexualität als “systematische und ansteckende Krankheit.” Weiterhin machte er mit abwertenden Bemerkungen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die AIDS-Epidemie verantwortlich und bezeichnete all diejenigen, die seine Auffassung nicht teilten, als “Verräter Gottes.”

Das Kriterion bleibt standhaft

In einem Statement, das kurz nach dem Überfall veröffentlicht wurde, betonte das Art kino Kriterion, dass seine Türen geöffnet bleiben würden:

Ponosni smo na svoj rad i činjenicu da smo ostali vjerni svojim principima. Bez obzira na ovaj i prethodne slične napade i pokušaje zastrašivanja svoja vrata ćemo uvijek držati otvorenim u cilju stvaranja boljeg i zdravijeg društva u BiH. Institucije u ovom slučaju moraju pokazati odgovarajući nivo odgovornosti i profesionalnosti i pokazati da su sposobni štiti građane i građanke. Iskreno vjerujemo da smo kao društvo sačuvali makar malo građanskog dostojanstva i da ćemo svi pokazati solidarnost i osuditi i suprostaviti se brutalnom nasilju koje se ponavlja. U protivnom, sinoćnji napad na Kriterion je nešto što se potencijalno može dogoditi svakom građaninu i građanki u BiH.“ – poručuju iz Kriteriona.

Wir sind stolz auf unsere Arbeit und darauf, dass wir unseren Grundsätzen treu geblieben sind. Trotz dieses Überfalls sowie weiterer kleiner Angriffe und Einschüchterungsversuche werden wir unsere Türen stets offen halten, um die Gesellschaft in Bosnien und Herzegowina zu einer besseren und gesünderen zu machen. Die [staatlichen] Institutionen müssen ein angemessenes Maß an Verantwortung und Professionalität demonstrieren und zeigen, dass sie in der Lage sind, die Bürger zu schützen. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir uns als Gesellschaft wenigstens etwas von unserer bürgerlichen Würde beibehalten haben, dass wir uns alle solidarisch zeigen und die anhaltende, brutale Gewalt geschlossen verurteilen werden. Tun wir dies nicht, kann jeder männliche oder weibliche Bürger Bosniens und Herzegowinas zum Opfer eines solchen Angriffes werden, wie er sich letzte Nacht auf das Kriterion ereignet hat.”

"Brain washing" - part of an exhibition of children's cartoons on social topics held in Kriterion in May 2015, during the POINT Conference. Photo: F. Stojanovski, CC-BY.

“Gehirnwäsche” – Teil einer Ausstellung von Kinderzeichnungen über soziale Themen, die im Mai 2015 im Kriterion während der jährlichen POINT-Konferenz gezeigt wurde. Photo: F. Stojanovski, CC-BY.

In den meisten Balkanstaaten wird Homophobie von Rechtspopulisten instrumentalisiert, um “zu teilen und zu herrschen”. Zudem werden homophobe Hassverbrechen oftmals nicht strafrechtlich verfolgt. Bosnien bildet da keine Ausnahme. Der 2014 vom Offenen Zentrum Sarajewo veröffentlichte Bericht über die Menschenrechte von LGBT-Individuen hält fest, dass nicht im ganzen Gebiet umfassende Antidiskriminierungsgesetze verabschiedet wurden und dort, wo es sie doch gibt, werden sie nicht angewandt; die Gerichtsverfahren ziehen sich teilweise bis über drei Jahre hinaus. In Sarajewo und Banja Luka “tragen sich tagtäglich gewalttätige Übergriffe gegen LGBT-Individuen zu und die Medien berichten auch darüber…”, aber “öffentliche Einrichtungen reagieren so gut wie gar nicht darauf.”

Es gibt Widerstand gegen die Homophobie

Zahiragićs Kommentare stießen auf heftige Kritik. Dem Antidiskriminierungsportal Diskriminacija.ba zufolge war SINAPSA, der Verband der Psychologiestudenten, einer der Ersten, der sie öffentlich verurteilte. Der Verband forderte Zahiragić dazu auf, seinen Posten als Präsident des Studentenparlaments aufzugeben; als Gründe nannte er “Hassrede, Abwertung von Menschen und Aufruf zu zerstörerischen Neigungen.”

“Mislim da je to što izričito tražimo smjenu logičan slijed događaja. S obzirom na to da on tako pokazuje svoje akademsko stajalište i općenito stajalište u društvu, kako možemo očekivati da takva osoba zastupa homoseksualce, a on je predsjednik svih studenata. Odlučili smo se na ovo zato što smatramo da je to naša odgovornost, kao studenata psihologije koji se na ovom studiju bave tom tematikom”, objašnjava Amra Džindo, predsjednica SINAPSA-e, organizacije koja je među prvima osudila Zahiragićeve istupe.

“Ich denke, unsere explizite Aufforderung zu seinem Rücktritt ist nur logisch. Wie können wir in Anbetracht dessen, dass er mit seinen Bemerkungen sowohl seine akademische als auch seine generelle Stellung in der Gesellschaft vertritt, von solch einem Menschen erwarten, dass er die Interessen homosexueller Individuen vertritt, während er als Präsident aller Studenten fungiert. Wir haben uns entschlossen, zu reagieren, weil wir es als Studenten der Psychologie, die sich mit diesem Thema beschäftigen, als unsere Pflicht ansehen”, erklärte die Präsidentin SINAPSAs, Amra Džindo.

Die Rechtsstudentin Maja Mirković kündigte zudem an, eine Beschwerde bei der Ethikkommission der Universität Sarajewo einzureichen, da Zahiragić mit seinen Kommentaren gegen den Ethik-Kodex verstoßen hätte.

Vladana Vasić, die als Programmkoordinatorin für das Offene Zentrum Sarajewo zuständig ist, erläuterte für Global Voices die aktuelle Lage der LGBTIs in Bosnien:

U 2015.broj slučajeva diskriminacije i nasilja na osnovu seksualne orijentacije koje je Sarajevski otvoreni centar dokumentovao se povećao u odnosu na prethodnu godine. Takođe se povećao broj LGBTI osoba koje su kontaktirale Sarajevski otvoreni centar u potrazi za pomoći u procesu traženja azila, promjene oznake spola u dokumentima, pronalaska adekvatne psihološke podrške i dobijanja dokumenata koji u im potrebni da bi sklopili_e brak/ istospolno partnerstvo u državama u kojima je to moguće. Ovakvi podaci upućuju da se nisu desile nikakve strukturalne promjene koje bi utjecale na poboljšanje kvalitete života LGBTI osoba i njihovu inkluziju u bh. društvo. Najviše zabrinjava neadekvatno i sporo procesuiranje napada na LGBTI osobe, uglavnom u slučajevima u kojima one koriste pravo na javno okupljanje. Naime, slučaj napada na Festival Merlinka iz 2014. godine još uvijek nije procesuiran, a početkom marta 2016. desio se homofobni napad na posjetitelje Art kina Kriterion čije procesuiranje će, po dosadašnjem stavu policije i pravosuđa, ići jednako sporo.

2015 verzeichneten wir im Vergleich zum vorhergehenden Jahr eine höhere Anzahl an Vorfällen von Diskriminierung und Gewalt aufgrund von sexueller Orientierung. Gleichzeitig stieg die Zahl der LGBTI-Personen, die das Offene Zentrum um Hilfe baten, weil sie auf der Suche nach Asyl oder nach psychologischer Beratung waren, Angaben zum Geschlecht in ihren Papieren ändern wollten oder Dokumente brauchten, die für eine eingetragene Lebenspartnerschaft oder Ehe in Staaten, die diese erlauben, notwendig sind. Diese Statistiken weisen darauf hin, dass es immer noch zu wenige Strukturen gibt, die einen positiven Einfluss auf den Lebensstandard von LGBTIs und ihre Eingliederung in die bosnisch-herzegowinische Gesellschaft hätten. Besonders beunruhigend ist die unzureichende und langsame Bearbeitung von Angriffen gegen LGBTI-Individuen, vor allem dann, wenn sie von ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch machen. Der Angriff auf das Merlinka-Festival aus dem Jahre 2014 wurde zum Beispiel immer noch nicht verarbeitet. Wenn man sich das Verhalten der Polizei und der Justiz anschaut, dürften die Ermittlungen zum homophoben Angriff auf das Art kino Kriterion in einem ähnlich langsamen Tempo ablaufen.

Wenn Politik und Homophobie aufeinandertreffen

Der Empörung liegt zudem die Realität zugrunde, dass die offiziellen Studentenverbände in vielen mittel- und osteuropäischen Ländern stark von den regierenden Parteien beeinflusst werden und vielen als Sprungbrett für eine Karriere als politischer Funktionsträger dienen. Oftmals ist jeder Student automatisch “Mitglied” dieser Organisationen, die nicht nur von einer Sonderbehandlung profitieren können, sondern per Gesetz auch als die einzigen Repräsentanten der Studentenschaften vom Staat anerkannt und mit der Universitätsverwaltung assoziiert werden. Zahiragić gehört zum Beispiel der regierenden Partei der demokratischen Aktion (SDA) an.

In anderen Balkanstaaten ist die Situation ähnlich. In Mazedonien erleidet das Studentenparlament das gleiche Schicksal, was mit der Arbeit unabhängiger Jugend- und Studentenorganisationen wie dem Jugendbildungszentrum und breiteren Plattformen wie dem Studentenplenum in Kontrast steht.

Haris Zahiragic. Screen shot from N1 TV news item.

Haris Zahiragić, Präsident des Studentenparlaments an der Universität Sarajewo. Screenshot aus einer Nachrichtensendung des N1 TV.

Am 14. März gab Dženan Alić, der Vorsitzende der Studentenversammlung der Universität Sarajewo, ein offizielles Statement ab, in dem er behauptete, dass Präsident Zahiragić lediglich seine eigenen Ansichten vertreten hätte, die nicht der offiziellen Position der Organisation entsprächen. Er dementierte auch, dass politischer Aktivismus im Studentenparlament gestattet sei. Die offizielle Webseite der Organisation hat sich nicht zum Vorfall geäußert. Zahiragić wiederum bestätigte in einem Statement für N1 TV, dass er ein stolzes Mitglied der SDA sei.

Weitere Quellen der N1-Berichterstattung stellen zudem die Legitimität von Zahiragićs Ernennung zum Präsidenten des Studentenparlaments infrage, die hinter verschlossenen Türen stattgefunden haben soll. Bis jetzt hat es keine weiteren Entwicklungen gegeben und er hat weiterhin diese Position an der Universität Sarajewo inne.

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