In Bangladesch greifen Extremisten auf Daten der sozialen und Massenmedien zu, um ihre Opfer ins Visier zu nehmen

Some of the secular writers killed in recent years in Bangladesh. From top left clockwise: Faisal Arefin Dipan, Shafiul Islam, Oyasiqur Rahman Babu, Rajib Haider, Avijit Roy and Ananta Bijoy Das.

Säkulare Schriftsteller, die zwischen 2013 und 2015 in Bangladesch ermordet wurden. Von oben links im Uhrzeigersinn: Faisal Arefin Dipan, Shafiul Islam, Oyasiqur Rahman Babu, Rajib Haider, Avijit Roy und Ananta Bijoy Das.

Seit 2013 erlebt Bangladesch eine Serie brutaler Morde säkularer Intellektueller durch religiöse Militante. Da die Attentäter zunehmend eine sehr unterschiedliche Gruppe von Personen angreifen – von Bloggern über Akademikern und Herausgebern zu Aktivisten für die Rechte von Schwulen und Angehörige religiöser Minderheiten –  fangen die Menschen an, einen kritischen Blick auf die beteiligten Stellen zu werfen.

Anlässlich des Internationalen Tags der Pressefreiheit hat die UNESCO (Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur) ein Seminar in Bangladesch veranstaltet, in dem der Fokus auf dem Gebrauch sozialer Medien lag, um “falsche Informationen” herauszuhören. Die Referenten drückten ihre Besorgnis darüber aus, dass soziale Medien genutzt würden, um religiösen Extremismus und Hass zu verbreiten und individuelle Freiheiten zu verletzen. Tatsächlich weisen Beobachter bereits auf die Regierung hin, auf die Massenmedien und soziale Medien und machen Wege ausfindig, über die diese Akteure zu dem Problem beigetragen haben.

Auch wenn die Regierung hart gegen Ansichten vorgeht, die religiöse Befindlichkeiten verletzen, ist es den Behörden bislang kaum gelungen, diese Bedrohung zu stoppen. Die Polizei scheint immer gerade dann den Tatort zu erreichen, kurz nachdem der Mord begangen wurde und der Täter geflohen ist.

Was die Medien betrifft, so wurden die meisten der getöteten Blogger vor ihrer Ermordung offen über soziale Medien bedroht. Außerdem bekennen sich oft gewalttätige extremistische Gruppierungen zu der Ermordung auf Facebook und Twitter. Die Massenmedien berichten in der Regel über die Ereignisse, aber veröffentlichen auch oft persönliche Informationen über Personen, die bereits zum Ziel geworden sind, was deren Angreifbarkeit gegenüber Drohung von Militanten erhöhen kann.

Jüngste Fälle

Bei der letzten Ermordung wurde der Schneider Nikhil Joarder am 30. April erstochen. Eine Einheit des IS des indischen Subkontinents bekannte sich über soziale Medien zu der Tat. Nikhil gehörte zu einer sehr normalen Familie. Zunächst konnte sich keiner vorstellen, wie er zu dem Ziel einer internationalen, extremistischen Organisation hatte werden können. Aber der Angriff steht möglicherweise im Zusammenhang mit einem Kommentar, den Joarder 2012 machte:

Ein weiterer organisierter Machetenangiff im Stil der Islamisten in Bangladesch, auf einen hinduistischen Schneider wegen eines Kommentars “gegen den Propheten” im Jahr 2012!

Damals war Beschwerde gegen Joarder eingereicht worden, da er sich vermeintlich abwertend gegen den Propheten Mohammed geäußert habe. Joarder wurde dann inhaftiert und nachdem er einige Wochen in Haft verbracht hatte, wieder freigelassen. Wegen seiner Ermordung wurden drei Einheimische festgenommen.

In einem weiteren Beispiel hat der Facebooknutzer Noyon Chatterjee, der angeblich unter einer falschen (und vor allem hinduistischen) Identität tätig ist, die Identitäten von Professoren und Individuen von Profilen sozialer Medien auf seiner Webseite öffentlich gemacht. Werden Personen in dieser Art preisgegeben, können sie leicht Extremisten zum Opfer fallen.

Militante machen sich soziale Medien nicht nur zu Nutzen, um andere zu verfolgen und sich Unterstützung zu verschaffen, sondern auch um Massen zu Gewalt aufzuhetzen. Im September 2012 erlebte Bangladesch eine Serie von gewalttätigen Angriffen auf buddhistische Klosteranlagen, Heiligtümer und die Häuser buddhistischer Bewohner von Ramu Upazila in der Gemeinde Bazar von Cox in Bangladesch, verübt von einem Mob Einheimischer. Die wütenden Mengen zerstörten zwölf buddhistische Tempel und Klöster und fünfzig Häuser. Auslöser war ein Bild, auf dem eine Schändung des Korans dargestellt war, das über die Timeline eines falschen Facebookprofils unter dem Namen eines männlichen Buddhisten veröffentlicht worden war. In beiden Fällen, dem vorherigen und diesen hier, haben sich Personen mit böswilliger Absicht als Vertreter religiöser Minderheiten ausgegeben, um Hass und Gewalt gegen religiöse Minderheiten zu schüren.

Offensichtlich verfolgen Extremisten diese Information mit Hilfe anderer Netznutzer. In einem Beitrag mit dem Titel “In Bangladesch, wende dich an Facebook für einen Mordaufruf“, stellt der Autor Sudip Roy die Aktivitäten einer Facebookseite unmittelbar nach der Ermordung zweier LGBT-Aktivisten dar [LGBT steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender]. Auf der Seite wurden die Ermordungen bejubelt und Nutzer waren daran beteiligt und lieferten ständig neue Informationen.

Die folgende Dokumentation “Razor's Edge” (übersetzt: Die Kante des Rasiermessers), die von dem anonymen Blogger “Nastiker Dhormokotha” (übersetzt: religiöse Rede eines Atheisten) erstellt wurde, hat die Auszeichnung der Jury in der Kategorie Bürgerjournalismus im Wettbewerb BOBs Awards 2016 der Deutschen Welle gewonnen. Sie zeigt, mit welcher lebensbedrohlichen Situation säkulare Blogger in Bangladesch konfrontiert sind.

Wie sieht es aus mit der Ethik bei der Berichterstattung über bedrohte Menschen?

Der Blogger Haseeb schrieb kürzlich auf der Seite Sachalayatan über die Inhaftierung eines jungen Mädchens, das auf der Grundlage des umstrittenen Absatzes 57 des ICT-Gesetzes festgenommen war, da sie angeblich auf Facebook einen Beitrag veröffentlicht habe, der Gott und den Koran verunglimpfe:

নিখিল চন্দ্র কেন ৪ বছর পরে টার্গেটে পরিণত হলেন সেটার প্রাথমিক কারণ হল তিনি কিছু বলেছেন (বা বলেননি কিন্তু ছড়িয়েছে তিনি বলেছেন) এবং সেই তথ্যটা জায়গামতো পৌঁছে গেছে। এই হত্যার দায়ভার প্রথমত জেএমবি হলেও জেএমবি কীভাবে তথ্যটা পেল সেটা ভেবে দেখার অবকাশ আছে।

Der Grund, warum Nikhil Chandra vier Jahre später ins Visier geriet, ist, dass sie etwas gesagt haben soll (oder angeblich etwas weiterverbreitet habe, was jemand anders sagte) und dass diese Information an die richtige Stelle vorgedrungen ist. Auch wenn Extremisten für diese Ermordung verantwortlich sind, bleibt noch herauszufinden, wie die Information an sie herangetragen wurde.

Er fügt hinzu:

আজকে পত্রিকায় প্রকাশিত একটি খবর যেখানে নিখিল চন্দ্রের মতোই একজনের গ্রেফতারের কথা প্রকাশিত হয়েছে যিনি (অভিযোগকারীদের দাবি) ফেসবুকে ধর্ম “অবমাননা” হয় এরকম মন্তব্য করেছেন।… এই নিউজটা পড়ে নিখিল চন্দ্রের কথা কীভাবে জেএমবি পর্যন্ত পৌঁছাতে পারে সেটার একটা ধারণা পাওয়া যেতে পারে। নিউজের প্রথম লাইনে গ্রেফতার হওয়া তরুণীর নাম (ডাকনামসহ) এবং বয়স উল্লেখ করা হয়েছে। সেই সাথে তিনি কোন জেলার কোন উপজেলা থেকে গ্রেফতার হয়েছেন সেটার তথ্য। দ্বিতীয় প্যারাতে আরও এক লেভেল নেমে সেই উপজেলার কোন এলাকা এবং সেটা “নিজের বাড়ি” উল্লেখ করে তরুণীর বাবার নাম উল্লেখ করা হয়েছে। অর্থাৎ খবর থেকে এখন এই তরুণীকে খুঁজে বের করা কোন সমস্যা হবার কথা নয়। এই তরুণীর বাসা খুঁজতে আরও একটু সহযোগিতা করার জন্য তৃতীয় লাইনে থানার নামও দিয়ে দেয়া হয়েছে। সাংবাদিক, পুলিশ (বা সরকার) ছাড়াও এখানে আরেক পক্ষের খবর পাই আমরা। স্থানীয় জনতা নাকি সেই তরুণীর বাড়ী ঘিরে রেখেছিল পুলিশ আসাতক। ফেসবুকে একটা মন্তব্য করায় একজন নাগরিকের জীবন এভাবে সবাই মিলে সারাজীবনের জন্য বিপন্ন করে তুলল।

Heute wurde eine ähnliche Nachricht veröffentlicht, die sagt, dass (so wie Nikhil Chandra) eine Person inhaftiert wurde, da ihr (so lautet die Beschwerde über sie) vorgeworfen wird, auf Facebook einen Kommentar geschrieben zu haben, der als “Geringschätzung” von Religion behandelt werden kann. Wenn man die Nachrichten liest, kann man sich eine Vorstellung davon machen, wie die Extremisten von Nikhil Chandra erfahren haben. Die erste Zeile der Nachrichten liefert den Namen und das Alter des inhaftierten Mädchens (einschließlich des Spitznamens). Die Nachricht beinhaltet außerdem Informationen über den Bezirk und die Gemeinde, in der sie festgenommen wurde. Im zweiten Absatz wird sogar auf das Ortsgebiet hingewiesen, der Name des Vaters erwähnt und genannt, dass sie ein Haus besitzen. Jetzt kann aus den Nachrichten das Mädchen lokalisiert werden. Um es noch einfacher zu machen, das Haus der jungen Frau zu finden, steht in den Nachrichten auch die lokale Polizeiwache des Mädchens. Über Journalisten und die Polizei (oder die Regierung) hinaus, lernen wir eine dritte Partei kennen. Anwohner umzingelten das Haus, bevor die Polizei eintraf. Nur für einen Kommentar auf Facebook wurde das Leben einer Bürgerin auf Lebenszeit in Gefahr gebracht, eine Gefahr durch jeden um sie herum.

Tatsächlich fehlt es den Journalisten hier oft an Diskretion und der Verifikation der Quellen. Soziale Medien und Massenmedien scheitern darin, Datenschutz und wichtige ethische Überlegungen zu priorisieren.

Kritiker weisen außerdem darauf hin, dass Journalisten sich zu sehr auf Identitäten konzentrieren statt auf Menschlichkeit. Ein Leitartikel der Dhaka Tribune betont:

Whether you support LGBT rights or you do not, the one thing that we must all agree on is that there can never be any justification for murder, and that those who are guilty of such savage slaughter are enemies of the state and of everything that is decent in humanity.

Ob man die Rechte von LGBT unterstützt oder nicht; das, worauf wir uns alle einigen müssen ist, dass es keine Rechtfertigung für eine Ermordung geben kann und dass die, die eines solchen brutalen Massakers schuldig sind, Feinde des Staats sind und allem, was der Menschheit würdig ist.

Kann Facebook mehr tun, um zu helfen?

2015 sperrte die Regierung Bangladeschs Facebook für die Dauer von 22 Tagen und berief sich darauf, dass die öffentliche Sicherheit in Gefahr sei. Die Sperre wurde aufgehoben, nachdem sich Regierungsabgeordnete mit Vertretern von Facebook getroffen hatten und sie dazu drängten, alle Inhalte zu überwachen oder zu filtern, die religiöse Befindlichkeiten reizen könnten oder als Verschwörungen gegen die Regierung zu sehen seien.

Es ist klar, dass die Polizei und Regierungsbehörden mehr unternehmen können, um Bedrohungen zu mäßigen und Täter für ihre Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen. Es ist auch deutlich, dass Massenmedien mehr dafür Sorge tragen können, private Informationen über Individuen auszusparen, die bedroht wurden oder aufgrund ihrer Veröffentlichungen im Internet mit rechtlichen Klagen zu rechnen haben. Die Verantwortung von sozialen Netzwerken, Facebook insbesondere, ist schwieriger zu bestimmen.

Im April 2016 machte Facebook bekannt, es sei einem Antrag der Regierung Bangladesch nachgekommen, in dem es um die persönlichen Daten spezifischer Nutzer gegangen sei, die heimische Gesetze verletzt hätten. Administratoren von Facebook stellten Daten zur Verfügung, die zu 16,67 Prozent der Anfragen gehörten, die die Regierung zwischen Juli und Dezember 2015 gestellt hatte, so heißt es im letzten Global Government Request Report des Unternehmens. Laut des Berichts hatte die Regierung Bangladeschs in diesem Zeitraum zwölf Anfragen gestellt und um Information zu 31 Facebooknutzern gebeten. In dieser Zeit schränkte Facebook den Zugriff auf vier Inhalte ein, da sie angeblich heimische Gesetzgebung zu Blasphemie verletze, entsprechend einer Anfrage der Telecommunication Regulatory Commission von Bangladesch.

Auch wenn diese Maßnahmen dazu führen werden, dass Drohungen und die Weiterverbreitung von hasserfüllten Nachrichten sowie die Aufhetzung zur Gewalt geschwächt sind, so repräsentiert dies doch nur eine sehr kleine Fallzahl, in denen Menschen Facebook genutzt haben, um Bedrohungen in Umlauf zu bringen oder zur Gewalt gegen andere anzustacheln.

Während alle genannten Akteure hier größere Sorgfalt aufwenden können, um die Daten von Personen zu schützen und zu ihrer Sicherheit beizutragen, wenn sie von solchen Gruppen bedroht werden, obliegt es der Regierung Bangladeschs Rechtsstaatlichkeit aufrechtzuerhalten und die öffentliche Sicherheit zu garantieren, indem sie daran arbeitet, solche Angriffe zu verhindern und die Täter vor Gericht zu bringen.

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