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Wie uns Kenias größter Slum dabei helfen kann, Städte vor Flutkatastrophen zu bewahren

Kategorien: Subsahara-Afrika, Kenia, Bürgermedien, Gesundheit, Umwelt
Kibera slum, Nairobi, Kenya. Photo by Flickr user ninara. CC-BY-NC-SA 2.0

Der Kibera Slum in Nairobi, Kenia. Foto von Flickr Nutzer ninara. CC 2.0.

Dieser Artikel von Katie G. Nelson [1] erschien im Original [2] bei Ensia.com [3], einem Magazin das über internationale Lösungskonzepte zu Umweltproblemen berichtet. Gemäß einer Vereinbarung wurde der Artikel hier erneut veröffentlicht.

Wenn man versucht sich über die matschigen, wasserdurchtränkten Hügel von Kenias größtem Slum zu bewegen, versteht jeder sofort warum Kibera nach dem nubischen Wort für ‘Dschungel’ benannt wurde. Kibera besteht aus hunderttausenden, dicht an dicht gereihten, baufälligen Hütten.

Die Häuser kleben und pappen in Kenias Hauptstadt entlang der Ufer des Nairobi River. Die illegal gebauten Häuser in Kibera stehen so dicht aneinander, dass man kaum ein Stückchen der roten Erde sehen kann, die das alles zusammenhält.

Auch wenn die Schätzungen weit auseinandergehen, leben in dieser drei Quadratkilometer großen Siedlung wahrscheinlich an die 500.000 und bis zu 1 Millionen Menschen. Die Ärmsten der Armen sind dazu gezwungen oberhalb der Flussufer zu bauen. Kontinuierlich wird es von schlammigem, schnell fließendem, ungeklärtem Abwasser und Müll überflutet. Unweigerlich führt das während der zweimaligen Regenzeit dazu, dass die Häuser zerstört werden und Menschen dabei sterben.

Noch bis vor Kurzem war die einzige Schutzmaßnahme gegen die oft tödlichen Wasserfluten, der Bau hunderter primitiver Kanäle, die von den Einwohnern per Hand ausgehoben wurden. Die Kanäle schlängeln sich von den Anhöhen Kiberas bis hinunter zum sumpfigen, unbefestigten Flussbecken des Nairobi River. Der Versuch das Flutwasser mit angehäuftem Müll abzublocken, ist eine weitere unzureichende Schutzmaßnahme.

Im Jahr 2015 hat dann endlich, eine kleine Gruppe von Architekten, Designern und Ingenieuren von der Kounkuey Design Initiative [4] (KDI) beschlossen, ihr Expertenwissen in Stadtplanung, nachhaltigem Design und Öffentlichkeitsarbeit zu bündeln, um die große Herausforderung der Flutprävention zu meistern, in der Hoffnung, dass ihr Modell auch anderen Gemeinden helfen könnte.

Die Überschwemmungen wurden zu unserer Berufung

Chelina Odbert, die Geschäftsführerin und Mitbegründerin von KDI mit Hauptsitz in Los Angeles, Kalifornien, gibt an, dass ihre Mission auf der Beantwortung folgender Frage beruht: „Könnte man sich, bei großen Herausforderungen, wie zum Beispiel Armut und Umweltzerstörung, Design zu Nutze machen?” Zu den aktuellen Projekten zählen der Aufbau von Gemeinschaftszentren, wie Erholungsgebiete und Gemeinschaftsgärten und Marktbuden in Haiti. In Kenia ist man dabei Toiletten zu entwickeln, die menschliche Fäkalien in verkaufsfertigen Dünger umwandeln können und in Ghana werden ganzheitliche Bebauungspläne für abgelegene Dörfer zur Verfügung gestellt.

KDI hat fast ein Dutzend Projekte überall in den USA, der Karibik und West Afrika, dabei war ihre Arbeit in Kibera am umfangreichsten. Hier gibt es sieben öffentliche Projekte, die sich für Einkommensgenerierung, Wasser-und Nahrungssicherung, sanitäre Versorgung und mehr Teilhabe von Frauen einsetzen. Aber ihr Modell auch hier produktive, in der Gemeinschaft verankerte, öffentliche Räume zu schaffen, konnte in weiten Teilen Kiberas nicht angewendet werden.

„Es gibt nicht genügend Platz zur Verfügung“, meint Odbert. Genau genommen gibt es fast kein verfügbares Land. ”Jedes Fleckchen Land ist hier bebaut.”

Die einzigen unbebauten Plätze in Kibera wurden „auf Plätzen gefunden, auf denen Leute ihren Müll abladen, Orte die nicht abgesichert sind”, erzählt der stellvertretende Direktor von KDI Joe Mulligan. „All diese Plätze befinden sich entlang dem Fluss”.

KDI entschied sich seinen Einsatz einem anderem wichtigen Problem zu widmen: Überschwemmungen [5]. Überschwemmungsprobleme standen in Kenia noch nie auf höchster Prioritätenebene, insbesondere aber, wenn es sich um inoffizielle Siedlungen wie Kibera handelt. Dort wo Investitionen in einfache Infrastruktur, wie zum Beispiel Straßen und Müllabfuhr ignoriert werden, da die Regierung die Einwohner als illegale Siedler betrachtet.

„Wir hatten eigentlich überhaupt nicht vor, uns darum zu kümmern”, erklärt Odbert. „Eigentlich haben sich die Überschwemmungen uns ausgesucht.”

Gespeicherte Daten nutzen

Von März bis August 2015 führte KDI in Kibera ausführliche Befragungen in 1.000 Haushalten durch. Hierbei machten sie sich die GPS- Software ihrer Mobiltelefone sowie Mapping-Technologien zu Nutze, um sorgfältig Daten über bisherige Überschwemmungen zu sammeln. Sie dokumentierten lokale Vorkehrungs- und Hilfsmaßnahmen und sie protokollierten flutbedingte Schäden und Todesfälle und machten Fotos vor Ort. Außerdem übertrug das KDI-Team Daten in ein Geoinformationssystem (GIS), um den Verlauf hunderter schlecht verlegter Abwasserkanäle, die sich durch Kibera ziehen, ausfindig machen zu können.

Zu aller Erstaunen entdeckte das KDI-Team bei der Datenanalyse, dass bis zu 50 Prozent der oben gelegenen Haushalte während der Regenzeiten überflutet wurden, was fast genauso vielen entspricht, wie von den Leuten, die im unteren Bereichen Kiberas leben, obwohl hier ein Höhenunterschied von 58 Metern besteht.

„Uns hat das bewiesen, dass die Überflutungen nicht nur durch den Fluss bedingt sind, sondern auch durch die großen Entwässerungskanäle, die von den Straßen hinabfließen”, erklärt KDIs ehrenamtliche Ingenieurin Anna Collins.

Das Team erkannte schnell, dass Nairobis Straßenbau-Boom seinen Teil zu den Überflutungen beitrug, denn dadurch entstanden mehr und mehr ebene Oberflächen in der Region, die jedoch nur spärlich mit Abwasserkanälen in Richtung Kibera ausgestattet worden sind.

„Die Leute setzen einfach voraus, dass der Fluss für alle Flutprobleme verantwortlich ist. Wenn man dann aber erkennt, wie viel durch die Abwasserkanäle verursacht wird, wird einem klar, wie viele Probleme durch die Datenauswertung aufgedeckt werden, die sonst niemand vermutet hätte”, sagt Odbert.

Wegen der stabilen Daten, die detaillierte Karten ergaben, konnte KDI es sich erlauben auf bezirkliche Flutvorsorgemaßnahmen zu plädieren. Sie ermutigten dazu, Partnerschaften mit Nairobis Amt für Öffentlichkeitsarbeit einzugehen, um ineffiziente Abwasserkanäle ausfindig zu machen und um praktische Lösungsansätze zur Flutprävention festzusetzen. „Ich glaube der Grund für diese enorm erfolgreiche Zusammenarbeit mit der [lokalen Regierung] besteht ganz klar darin, dass KDI in der Lage war Informationen bereit zu stellen, was die [lokale Regierung] nicht geschafft hätte”, so Odbert.

Gemeinnützige Strategien

KDI kooperiert auch mit Gemeindegruppen und ortsansässigen gemeinnützigen Einrichtungen, um Workshops zur Flutvorbereitung für die Einwohner Kiberas anzubieten. Einer dieser Workshop-Teilnehmer ist David Onyando, von Beruf Müllsammler.

Früher benutzte Onyando Müll, um sein Haus vor dem Wasser zu schützen. Nachdem er am Training von KDI teil genommen hat, ist er nun bereit kleinere strukturelle Veränderungen vorzunehmen, wie zum Beispiel bereits bestehende Regenkanäle auszubauen oder Sandsäcke zu verwenden, um die Wassermassen umzuleiten und somit den Fluten besser Herr zu werden.

„Die Überflutungen werden zu einer gemeinsamen Verantwortung, denn in Kibera schafft man es nicht alleine”, sagt Oyando.

Ihre genaue Datenerhebung, so die KDI Teamkollegen, genauso wie ihre engen Beziehungen zur Gemeinde, und die Fähigkeit die Regierung mit wichtigem Datenmaterial zu versorgen, was sie [die Regierung] normalerweise nur mit der doppelten Beamtenzahl hätte erheben können, hat ihnen einen hohen Status in der Gemeinde verschafft. Es erlaubte ihnen auch eine Strategie zu entwickeln und zu testen, wie man die kommunale Belastbarkeit verbessern könnte, um Krisen besser zu überstehen. Solche Strategien könnten auch außerhalb Kiberas mitbenutzt und erweitert werden.

„Dieses Verfahren ist in anderen Gemeinden fast genauso reproduzierbar. Einige der [Lösungen] könnten in jedem beliebigen Ort funktionieren, andere müssten erst angepasst werden. Hauptsache ist, dass erst einmal damit begonnen wird ein Verfahren zu entwickeln, danach ist es egal, ob die Lösungsansätze sich in jedem Ort exakt gleichen, oder nicht. Eigentlich ist es kein Produkt das wir hier entwickeln, sondern eher ein Verfahren”, meint Odbert

Um die beste Lösung für Kibera zu finden müssen einige Maßnahmen eingehalten werden, das muss das Erkennen von immer wieder betroffenen Überflutungsstellen, zu viel oder zu wenig genutzter Abwasserkanäle und alle illegal genutzten Systeme, die zur Minderung der Überflutung verwendet werden, mit einbeziehen. Außerdem sollte so eine Lösung in Zusammenarbeit mit den Regierungsinstanzen vor Ort geschehen, um neue Abwasserwege basierend auf den gesammelten Daten und dem Geoinformationssystem (GIS), planen und bauen zu können. Ebenso muss die Dokumentation und das Beziffern der Sachschäden und Todesopfer, verursacht durch die Überflutungen, vorgenommen werden. Auch sollte eine Karte erstellt werden, die den allgemeinen Oberflächenabfluss Nairobis, der Ableitungskanäle und der Flusswasser zeigt, um zu versuchen, Kiberas Überflutungen effektiver zu verhindern.

„Das ist eine große Herausforderung und auch eine riesen Verantwortung. Hier werden tatsächlich Datenerhebungen in Taten umgewandelt, anstatt aufzugeben. Hier muss mehr geschehen als nur Forschung zu machen, um dann bloß mit Politikern darüber zu diskutieren”, so Mulligan.

Mulligan und Odbert versprechen, dass ihr Team weiterhin konkrete, fundierte und auch von der Gemeinde eingereichte Ergebnisse von ihrer Arbeit über die Überflutungen, bereitstellen wird. Das alles in der Hoffnung die Lebensqualität der Einwohner Kiberas und letztendlich auch für andere in der Welt, die sich in ähnlichen Situationen befinden, zu verbessern.

Katie G. Nelson [1] ist Journalistin und Fotografin in Minneapolis. Ihre Spezialgebiete sind globales Gesundheitswesen und internationale Entwicklungsprobleme, insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent. Auf Twitter ist sie unter @katiegnelson [6] zu finden. Dieser Artikel erschien im Original [2] bei Ensia.com [3], einem Magazin das über internationale Lösungskonzepte zu Umweltproblemen berichtet. Gemäß einer Vereinbarung zum Content-Sharing wurde der Artikel hier erneut veröffentlicht.