Netzbürger-Report: Die unabhängigen Medien Syriens ins Rampenlicht bringen

Naji Jerf and Ahmad Almossa, Syrian citizen media workers killed in 2015. Photos widely circulated on Twitter.

Naji Jerf und Ahmad Almossa, zwei syrische Bürgermedienschaffende, die 2015 getötet wurden. Diese Fotos fanden auf Twitter weite Verbreitung.

Die Netzbürger-Reporte von Global Voices Advox sind internationale Momentaufnahmen von Herausforderungen, Siegen und neuen Trends im weltweiten Internetrecht.

Seit dem Jahr 2013 wurden in Syrien mehr Journalist(inn)en zum Angriffsziel und getötet als überall sonst, so ein Bericht der Organisation Committee to Protect Journalists (Komitee zum Schutz von Journalist(inn)en). Als das Risiko einer Ermordung oder Entführung zunahm entsandten bedeutende Nachrichtenorganisationen wie die Associated Press und Agence-France Presse keine weiteren Reporter(innen) in das Land. Damit entstand eine gefährliche Lücke in den Massenmedien im Hinblick auf die Berichterstattung über diesen Krieg, insbesondere die englischsprachige Berichterstattung.

Parallel dazu haben Journalist(inn)en vor Ort und Bürgermediennetzwerke daran gearbeitet, seit dem Ausbruch erster Konflikte über diesen Krieg zu berichten. Während sich ausländische Medien aus Syrien zurückzogen, wurden diese Lokalreporter(innen) zu einer zunehmend entscheidenden Quelle von Informationen und der Dokumentation von Gewalt. Da Bürgermediengruppen, die aus Syrien berichten, im Vergleich mit ihren ausländischen Kolleg(inn)en gleichermaßen, wenn nicht größeren Risiken ausgesetzt sind, machen ihre Bericht in westlichen Medien Schlagzeilen.

Im Dezember wurden zwei führende Bürgerjournalisten, die viele Monate ihres Lebens der Kriegsberichterstattung aus nächster Nähe gewidmet hatten, getötet. Es wird allgemein angenommen, dass es sich um gezielte Anschläge handelt. Am 16. Dezember 2015 wurde Ahmad Mohamed Almossa, ein Mitglied des syrischen Bürgermedienkollektivs Raqqa is Being Slaughtered Silently (auf Deutsch “Raqqa wird stillschweigend abgeschlachtet”, kurz RBSS) von einem maskierten Mann in Idlib, im Nordwesten Syriens ermordet. Das war kurz nachdem RBSS für seinen Mut, über die Nachrichten in Syrien zu berichten mit der Auszeichnung International Press Freedom Award 2015 des Committee to Protect Journalists ausgezeichnet worden war.

Mit dem Sitz in Raqqa, der selbsternannten “Hauptstadt” der militanten Gruppe IS, ermöglicht RBSS einen Einblick in die Grausamkeiten, die von allen Akteuren dieses Konflikts begangen werden, einschließlich des IS, der Truppen der syrischen Regierung und der Koalitionsstreitkräfte des Westens, deren Luftangriffe oft Zivilist(inn)en treffen. Da es eines der wenigen in diesem Teil des Landes noch aktiven unabhängigen Mediennetzwerke ist, wird RBSS regelmäßig in den Massenmedien zitiert.

Keine zwei Wochen, nachdem der bei RBSS aktive Almossa ermordet worden war, wurde am 27. Dezember 2015 der syrische Filmemacher Naji Jerf am hellichten Tag in Gaziantep in der Türkei erschossen. Es wird allgemein angenommen, dass der 38 Jahre alte Jerf Ziel eines Vergeltungsschlags war, da er eine Dokumentation hochgeladen hatte, in der er Verbrechen des IS in Syrien belegte. Das 24-minütige Video, das auf YouTube gestellt wurde, dokumentiert die Verbrechen des IS in Aleppo. Dazu gehörten die Entführung und die Ermordung von Rettungssanitätern in den Jahren 2013 und 2014, die Jerf kurz vor seiner Abreise in die Türkei filmte. Das Video wurde später auf dem pan-arabischen Satelitensender Al Arabiya ausgestrahlt und von mehr als 12 Millionen Zuschauer(inne)n gesehen und tausendfach auf der Facebookseite kommentiert.

Es ist kaum möglich zu erfassen, wie viele Syrer(innen) Opfer der Grausamkeiten sind, die sowohl durch den IS als auch das Assad-Regime verübt werden. Das macht das Schicksal von Jerf und Almossa umso bedeutsamer. Denn da das, was über ihre Ermordungen berichtet wird, auf ihre eigenen Bemühungen verweist, die Brutalität des Kriegs in Syrien darzustellen, kann die Berichterstattung über ihre Ermordungen dazu beitragen, die Geschichten anderer zu beleuchten, über die niemals gesprochen wird.

Saudi-arabische Familie ist mit erneuter Androhung rechtlicher Schritte gegen ihren Menschenrechtsaktivismus konfrontiert

Die saudi-arabische Menschenrechtsaktivistin Samar Badawi wurde festgenommen, da sie angeblich den Twitteraccount ihres Ehemanns, dem Menschenrechtsanwalt Waleed Abulkhair, betrieben haben soll. Waleed Abulkhair sitzt nach einer Verurteilung unter dem Antiterrorgesetz wegen Anklagepunkten wie “Verletzung der allgemeinen Ordnung” und “Anheizen der öffentlichen Meinung” eine Gefängnisstrafe von 15 Jahren ab. Die Festnahme von Badawi, die auch Schwester des inhaftierten Bloggers Raif Badawi ist, wurde von Menschenrechtsverteidiger(inne)n und Journalist(inn)en weithin verurteilt.

Eine weitere Politikerin aus Ecuador sieht einer Haftstrafe für kritische Tweets entgegen

Ein Mitglied des gesetzgebenden Rats der ecuadorianischen Stadt Loja wurde zu 30 Tagen Haft und eine Geldstrafe von 25 Prozent ihres Einkommens verurteilt, nachdem sie einen Tweet veröffentlicht hatte, der unterstellte, dass der Bürgermeister von Loja, José Bolívar Castillo, öffentliche Gelder entwendet und dazu gelogen habe. In einem Interview mit der landesweiten Tageszeitung El Comercio sagte Bolívar, er beabsichtige rechtliche Schritte gegen das Ratsmitglied Jeannine Cruz, einer Vertreterin der Opposition, einzuleiten. Bolívar teilte mit, die Klage diene nicht nur dazu, seine Reputation zu schützen, sondern solle auch einen Präzedenzfall schaffen.

Cruz sagte, das Urteil schaffe “einen verheerenden Präzedenzfall in der Geschichte unseres Landes”. Sie hat vor, gegen ihre Verurteilung Revision einzulegen. Das Urteil beruht auf einer Klausel des Artikels 396 des Strafgesetzbuchs von Ecuador, die eine Haftstrafe von 15 bis 30 Tagen vorsieht für Personen, “die in irgendeiner Form durch ihre Äußerung eine andere Person in Misskredit bringen oder ihr Schande machen”.

Proteste in Äthiopien dauern mit einer geschätzten Zahl von 140 Todesopfern an

Seit Anfang November 2015 kamen mindestens 140 Menschen ums Leben, die meisten von ihnen Studierende, die getötet wurden, als sie an friedlichen Protesten teilnahmen. Student(inn)en in Oromia, Äthiopiens größte Region, demonstrieren gegen den “Masterplan” der Regierung für Entwicklung, demnach das Gebiet der Hauptstadt Addis Ababa auf Oromia ausgeweitet werden soll. Viele glauben, dieser Schritt werde in der direkten Verfolgung der ethnischen Gruppe der Oromo enden, die während der letzten zwei Jahrzehnte durch die Regierung systematisch unterdrückt worden sind, obwohl sie Äthiopiens größte ethnische Gruppe darstellen. Sowohl die Berichterstattung über die Proteste durch die traditionellen als auch die der Onlinemedien werden weitesgehend unterdrückt. Um die Situation sichtbar zu machen, arbeitet der Global Voices-Autor Endalk Chala, ein Wissenschaftler, der zum Zone9-Bloggerkollektiv gehört, gemeinsam mit dem Oromo-Aktivisten Abiy Atomssa daran, eine interaktive Karte zu schaffen, in der Todesfälle unter den Demonstrant(inn)en dokumentiert werden.

Bahrain unterzeichnet einen ein Million Dollar schweren Vertrag mit einem Unternehmen, das das kanadische Netz filtert

Laut der landeseigenen Webseite, auf der öffentliche Ausschreibungen einsehbar sind, hat Bahrain ein Angebot des Unternehmens Netsweeper ausgewählt, das das kanadische Netz filtert. Das Angebot betrifft die Versorgung des Golfstaats mit einer “Lösung zur Filterung der nationalen Webseiten” zum Preis von 1.175.000 US-Dollar. Netsweeper hat bereits in der Vergangenheit einige sehr öffentlichkeitswirksamen Geschäfte mit anderen Regierungen und Gruppen geschlossen, die Online-Content oder Inhalte privater Netzwerke beschränken möchten. Das wurde sorgfältig dokumentiert vom Citizen Lab der Universität Toronto. Es ist nicht bekannt, wann und wie ein Filter eingerichtet werden soll, aber dass gegenüber regierungskritischer Proteste in jüngster Zeit durchgegriffen wird lässt vermuten, dass dies Teil einer umfangreicheren Strategie ist, die die Regierung und die königliche Macht stärken soll.

Weltweite Koalition fordert stärkere Verschlüsselung

International brach Panik nach den Angriffen in Paris aus. Das bezog sich auch auf die frappierende Fehlinformation darüber, wie die Angreifer verschlüsselte Chatanwendungen verwendet haben sollen und auf Halbwissen zu Gesetzentwürfen, die eine sichere Kommunikation unter Rückgriff auf Verschlüsselung beschränken oder aushölen könnten. In Reaktion darauf hat Access Now gemeinsam mit anderen Datenschutz- und Sicherheitsorganisationen aus 40 Ländern einen offenen Brief an die Staats- und Regierungsführer der Welt unterzeichnet, in dem sie freien Zugang zu einer starken und verlässlichen Verschlüsselung fordern, die keine Hintertürchen oder Modifikationen zulässt, die ein System verwundbar lassen. Hier ist der Brief auf Englisch nachzulesen.

Mary Aviles, Ellery Roberts Biddle, Marianne Diaz, Sam Kellogg und Sarah Myers West haben zu diesem Bericht beigetragen.

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