Digital Citizen 4.0: Sonderausgabe zu Technologie und Flüchtlingen

Keleti WiFi/charging station. Photo by Kate Coyer, used with permission.

Keleti WiFi/Aufladestation. Foto von Kate Coyer, Verwendung genehmigt.

Digital Citizen ist ein zweiwöchentlicher Rückblick auf Nachrichten, Politik und Forschung zu Menschenrechten in der arabischen Welt.

Als eine gemischte Gruppe von Autor(inn)en, Wissenschaftler(inne)n, Technolog(inn)en und Verfechter(innen) von Menschenrechten verfolgen wir aufmerksam die Debatte zu Flüchtlingen und Technologie. Auch wenn es hier nicht immer um digitale Rechte geht, so handeln diese Diskussionen doch von Rechten. Auch wenn sich unsere Ansichten hinsichtlich der Wirkung von Technologien auf Gesellschaft unterscheiden mögen, so sind wir uns doch einig, dass Technologie sowohl prägt, wie über die Situation der Flüchtlinge gesprochen wird als auch die Situation selbst. Daher haben wir beschlossen, die 4.0-Ausgabe diesen Aspekten der Debatte zu widmen.

Warum hat jeder Flüchtling ein Smartphone?

Es gibt viel Gerede darüber, wie Flüchtlinge Technologie nutzen, insbesondere in Bezug auf Mobiltelefone. Einige haben es sich zum Anlass für Spott gemacht, dass syrische Flüchtlinge über Smartphone verfügen, andere haben ganz richtig darauf hingewiesen, dass Mobiltelefone ein wesentliches Hilfsmittel sind. CNBC berichtet, “Mobiltelefone ermöglichen es Flüchtlingen nicht nur, den Kontakt zu ihren Familien aufrecht zu halten, sondern auch, entscheidende Informationen zu erhalten zu Preisen, Schleusern und darüber, wie man sicher durch Europa reisen kann.”

“Das erste, wonach die Menschen, die das Za’atri-Camp (ein Flüchtlingslager) in Jordanien betreiben, gefragt werden sind nicht die Zelte und Decken, sondern wo man Mobiltelefone aufladen kann,” sagt Nagina Kaur Dhanoa, leitende Pressereferentin des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHRC).

Diese Diskussionen haben eine wahre Flut von Artikeln und Projekten hervorgerufen, die sich damit beschäftigen, wie Flüchtlinge Technologie nutzen. Das Projekt “Was ist in meiner Tasche?” der Hilfsorganisation International Rescue Committee macht sichtbar, was Flüchtlinge mit sich tragen – nahezu jeder Rucksack enthält ein Smartphone oder ein anderes Gerät. Die deutsche Onlineredaktion Zeit Online geht weiter in die Tiefe und fragte Flüchtlinge, warum sie Mobiltelefone besitzen und wie sie sie nutzen.

Wie hilft Technologie Flüchtlingen?

Während Technologien ein wesentliches Hilfsmittel für einzelne Flüchtlinge sind, ist es ebenso unerlässlich für die Stellen, die sie registrieren und Unterkünfte bereitstellen. Die Technologien, auf die Hilfs- und andere Organisationen zugreifen, haben das Potenzial sehr viel Gutes zu tun… bringen aber auch Risiken mit sich.

  • Iris scannende Technologien werden verwendet, um Flüchtlinge zu registrieren, berichtet CNBC. Diese “Technologie des Raumzeitalters” wurde eingeführt, nachdem die UNHCR gesehen hatte, wie sie in Banken im Nahen Osten eingesetzt wird.
  • Forbes wägt die Vorteile und Risiken der Massendaten ab, die durch Flüchtlingsregistrationen erzeugt werden und schreibt darüber, wie dazu Silicon Valley-Unternehmen beitragen.
  • Die Computer Weekly beschreibt, wie Technologie dabei unterstützt, dass Hilfe bei Flüchtlingen ankommt.
  • Die BBC berichtet darüber, wie neue Technologien günstigere und nachhaltige Flüchtlingsunterkünfte ermöglichen.

Soziale Medien

In Deutschland wurde Facebook kritisiert, da es zu langsam sei, wenn es darum gehe, rassistische und fremdenfeindliche Inhalte zu entfernen, die sich gegen Asylbewerber(innen) richten sowie Drohungen gegenüber Politiker(inne)n, die zur Integration von Flüchtlingen aufrufen. Mitglieder der Partei Bündnis 90/Die Grünen wurden auf Facebook angegriffen. Zahlreiche Facebooknutzer(innen) wurden wegen Volksverhetzung verurteilt. Ein 34-Jähriger wurde in Berlin zu einer Geldstrafe von 4.800 Euro verurteilt, da er gepostet hatte: “Ich bin dafür, dass wir die Gaskammern wieder öffnen und die ganze Brut da reinstecken.” Und ein 25 Jahre alter Mann aus Passau in Bayern wurde zu einer Geldstrafe von 7.500 Euro verurteilt, da er mit Bezug auf eine Gruppe von Flüchtlingen geschrieben hatte, er habe noch “a Gasflasche und a Handgranate rumliegen für des Gfrast. Lieferung frei Haus”.

Die Zeitung Sun Herald berichtete, dass die deutsche Staatsanwaltschaft eine Anklage gegen drei Facebookmanager prüfe, die nicht ausreichend gegen derartige Kommentare vorgegangen waren.

Im August kritisierte der deutsche Bundesjustizminister Facebook, nicht genug zu unternehmen und wies darauf hin, dass die Seite sexuell explizite Bilder schneller lösche als rassistischte Äußerungen. Im September kündigte das Ministerium an, eine Arbeitsgruppe zu bilden, die Facebook und andere soziale Netzwerke sowie Internetdienstanbieter einschließe, um volksverhetzende Inhalte schneller zu kennzeichnen und zu entfernen.

Hilfsmittel für Flüchtlinge

  • Google hat sein Projekt “Crisis Info Hub” veröffentlicht, das Flüchtlinge in Europa mit Informationen versorgen soll. Die Seite, die in fünf Sprachen, unter anderem Arabisch, übersetzt wird, enthält Informationen für verschiedene Gebiete in Europa, um Überfahrten zu finden, Unterkunft und medizinische Versorgung. Die Open Source-Plattform ist auch für Mobiltelefone verfügbar. Google ist mit einer Reihe von Organisationen Partnerschaften eingegangen, um besser zu verstehen, wie es Flüchtlinge unterstützen kann, die aus dem Nahen Osten, Afrika und anderen Regionen kommen.
  • Flüchtlinge in Berlin haben eine Online-Karte der wichtigsten Informationen für Neuankommende geschaffen, berichtet The Next Web. Die Karte verweist auf relevante Gesetze, Dienstleistungen und selbst Restaurants und Cafes, die Halal-Speisen servieren.
  • Eine Gruppe von Syrer(inne)n hat eine App entwickelt, die Flüchtlingen zu ihrer Ankunft hilft. Die App informiert über Grundlegendes und unter anderem zur Jobsuche.
  • Die Seite “Refugees Welcome” ist ein Projekt der deutschen Organisation Flüchtlinge Willkommen und bringt Flüchtlinge in Kontakt mit Bürger(inne)n, die Unterkunft zur Verfügung stellen.
  • Die EU hat die Online-Initiative “science4refugees” (auf Deutsch “Wissenschaft für Flüchtlinge”) gestartet, über die geflüchtete Wissenschaftler(innen) und Forscher(innen) Jobs finden können.
  • Das Projekt “Refugees on Rails” in Berlin bietet Migrant(inn)en und Flüchtlingen eintägige Coding-Kurse an.
  • Am 24. und 25. Oktober fand in Berlin ein Hackathon statt, bei dem digitale Lösungen für Flüchtlinge in Deutschland entwickelt werden sollten.

Weitere Nachrichten

  • Die Organisation Ranking Digital Rights veröffentlichte ihren Corporate Accountability Index (Index zur Rechenschaftspflicht von Unternehmen), in dem sie 16 Telekommunikations- und Internetunternehmen hinsichtlich ihrer öffentlichen Verpflichtung gegenüber Datenschutz und dem Recht auf freie Meinungsäußerung bewerteten.
  • Die internationale Nichtregierungsorganisation Freedom House hat ihren jährlichen Bericht zur Freiheit im Netz herausgegeben.
  • Palästinenser(innen) im Westjordanland greifen auf neue Medien zurück, um die Missachtung und Rechtsübertritte israelischer Streitkräfte während der jüngsten Gewalteskalationen zu dokumentieren, berichtet Raseef22.

Gedenktag

  • Der 18. Dezember ist der internationale Tag der Migrant(inn)en. 2015 rief die Internationale Organisation für Migration dazu auf, den Migrant(inn)en zu gedenken, die auf der Suche nach einem besseren Leben ihre Leben verloren. Mit Kerzen und Mahnwachen rund um die Welt sollte ihren Namen gedacht werden. Teil der Kampagne war der Hashtag #IamaMigrant.

Um Flüchtlinge in der eigenen Region zu unterstützen, nimmt hier eine Reihe von Organisationen Spenden entgegen.

Digital Citizen wird zusammengestellt von Advox, Access, APC, EFF, Social Media Exchange und 7iber.com. Die Ausgabe diesen Monats wurde recherchiert, redaktionell bearbeitet und verfasst von Afef Abrougui, Dalia Othman und Jillian C. York, ins Arabische übersetzt von Lara AlMalakeh, ins Französische von Thalia Rahme und ins Deutsche von Anne Hemeda.

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