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Irans höchster Cyperspace-Rat hat seine Macht über politische Strategien des Internets konsolidiert

Kategorien: Nahost & Nordafrika, Iran, Bürgermedien, Censorship, Meinungsfreiheit, Menschenrechte, Politik, Regierung, Technologie, GV Advocacy
On September 5, 2015, Ayatollah Ali Khamenei re-appointed the members of the Supreme Council of Cyberspace for another four-year term. Image from ICHRI. [1]

Am 5.September 2015, wiederernannte Ayatollah Ali Khamenei die Mitglieder des obersten Rat über Cyberspace für eine weitere vier jährige Periode. Bild von ICHRI.

Dieser Beitrag erschien im Original auf iranhumanrights.org [1]und wurde hier veröffentlicht in Zusammenarbeit mit der internationalen Kampagne für Menschenrechte im Iran.

Irans oberster Führer Ayatollah Ali Khamenei hat gewählt, [2] um die Autorität über die nationale Internetpolitik zum obersten Cyberspace-Rat des Landes zu verlagern, ein Schritt der die internetpolitischen Entscheidungsprozesse unter die Macht des konservativsten Anteils der Regierung stellt.

Davor waren verschiedene staatliche Institutionen an der Internetpolitik beteiligt, dies erlaubte dass diverse Machtzentren- auch solche die von der eher gemäßigten Rouhani Verwaltung kontrolliert wurden- auf Internetentscheidungsprozesse einwirken konnten.

Diese Entscheidung verheißt nichts Gutes für die digitalen Rechte im Iran: der Rat, unter dem Vorsitz von Präsident Rouhani, berichtete direkt an Khamenei. Ein Großteil seiner Mitglieder werden direkt durch den obersten Führer benannt, der mitteilte, dass er glaubt [3] das Internet würde “vom Feind genutzt, der es auf die islamische Denkrichtungen absehen würde.” Der höchste Rat des Cyberspace steuert die Filterung des Internets im Iran und bestimmt, welche Webseiten blockiert werden sollen. Derzeit ist der Iran das Land, mit den zweitmeisten blockierten Webseiten – mehr Weseiten blockierte nur China.

“Diese Entscheidung wird einen Freischein an die Sicherheitsagenturen geben um jede Seite blockieren zu können- oder Einzelne zu verfolgen-  die die offizielle Linie nicht unterstützen,” sagt Hadi Ghaemi, Geschäftsführer der internationalen Kampagne für Menschenrechte im Iran.

Die Entscheidung, die Internet-Regulierungsbefugnis im höchsten Cyberspace-Rat zu konsolidieren, geschieht im Kontext einer wachsenden Auseinandersetzung zwischen Hardlinern, die den Internetzugang stark beschränken wollen und Moderaten, die damit argumentieren, dass mehr Internetzugang für moderne, kommerzielle, akademische und professionelle Aktivitäten gebraucht wird.

Die neuen Mitglieder im höchsten Cyberspace Rat sind Menschenrechtsverletzer

Die Mitglieder des Rates bestehen aus Einzelpersonen, die direkt durch Khamenei benannt wurden, oder Mitgliedern von wichtigen Regierungsministerien und -Organisationen. Die Anzahl von Einzelpersonen, die direkt durch Khamenei berufen wurden geben dem obersten Führer eine unverwüstliche Oberheit über den Rat, gegenüber den Mitgliedern der gewählten Regierung.

In dem Wiederbennenungsschreiben von Khamenei’s Website verkündete er zudem drei neue Mitglieder des höhsten Cyberspace Rat. Zwei von ihnen – Reza Taghipour und Seyed Ezatollah Zarghami – sind, die durch die USA und die EU wegen Menschenrechtsverletzungen sanktioniert [4] worden.

Rouhani wird aus der Internetpolitik vertrieben

Der Wechsel – angekündigt [2] auf Khamenei’s Webseite am 5.September 2015, plant die Ablösung der Rouhani Administration in der Internetpolitik.

Seid den Wahlen von Rouhani in 2013 hat das Ministerium für Information und Kommunikation eine wichtige Rolle gespielt um den Internetzugang im Iran zu verbessern und wurde dabei durch Hardliner zeitweise stark zurückgedrängt. Im Juni 2014 verweigerte Rouhani die Anordnung den Sofortnachrichtenservice WhatsApp zu blockieren [5].

Der Ansatz des Landes bezüglich der Internetzensur hat immer wieder zu Anspannungen zwischen Moderaten und Hardlinern geführt, die durchweg das Blockieren von Seiten mit unzulässigen Inhalten befürworteten. Die Rouhani-Verwaltung argumentierte, dass ein selektiveres “intelligentes Filtern” genügen würde, um anstößige Inhaltenherauszufiltern und es dadurch Seiten erlaubt wie gewohnt zu operieren. Abgesehen von den technischen Herausforderungen zeigte die Position Rouhanis eine deutlich größere Flexibilität hinsichtlich Internetinhalten als die der konservativen Gegner.

Wird eine neue Führung auf Datenlokalisierung drängen?

Am 6.September 2015, einen Tag nachdem der Brief von Khamenei veröffentlicht wurde [6], berichtete der abgeordnete Staatsanwalt für Cyberspace- Angelegenheten Abdolsamad Khorramabadi der Nachrichtenagentur Fars:

Ausländische Handy-Nachrichtendienste wie beispielsweise WhatsApp, Viber, und Telegram… [ermöglichen] eine weitreichende Spionage von ausländischen Staaten durch die Kommunikation der BürgerInnen [und] sind dadurch zu einer starken kulturellen Invasion und organisierter Kriminalität geworden.”

Khorramabadi sagte, dass daher alle sozialen Netzwerke, die „feindlichen Staaten und Auslandsgeheimdiensten“ angehören, vollständig blockiert werden sollten.

Er und andere Funktionäre betonten, dass nur die sozialen Netzwerke, die zustimmen ihre Server innerhalb des Irans zu positionieren, genutzt werden dürften. Bisher hat kein internationales Unternehmen diesem Vorschlag zugestimmt. Solche Schritte könnten hohe Ansehensverluste für jedes Unternehmen auslösen, da sie durch das Positionieren der Server im Iran den staatlichen Behörden Informationszugang [5] erlauben und dadurch Sicherheitslücken in der Nutzer-Sicherheit und Privatsphäre hervorrufen könnten.

Khorramabadi berichtete Fars zudem, dass die iranischen, inländischen sozialen Netzwerke gestärkt werden sollten, so dass die Nutzer im Iran vermehrt zu ihnen übertreten. Das Dublizieren von globalen Internet-Services und Anwendungen mit staatlichen Versionen, die den Behörden Zugriff zu den Accounts ermöglichen wurde vorgeschlagen, um Online-Inhalte besser kontrollieren und Online-AktivistInnen identifizieren und verfolgen [5] zu können.

Hardliner und Moderate streiten zudem über das Ermöglichen von High-Speed Internet. Seit Jahren verlangsamen die Behörden das Internet, um es dadurch so gut wie unnutzbar zu machen, vor allem für  die Nutzung über Mobiltelefone. Rouhanis Entscheidung den 3G und 4G Netzwerk-Lizenzen im April zuzustimmen, wurde als deutlicher Fortschritt für die mobile Internetnutzung [7] gesehen. Die staatliche Rundfunkbehörde Islamic Republic of Iran Broadcasting (IRIB), weigerte sich [8] jedoch der notwendigen Frequenz für einen nationalen 3G and 4G Service zuzustimmen. Die Führung von IRIB untersteht direkt Khamenei und steht daher im direkten Kontakt mit ihm.

Vier Menschen wurden festgenommen aufgrund von Posten von “rechtsverletzenden” Inhalten

Während der Angriff durch Behörden auf Internet-Nutzern unvermindert fortgesetzt wird, berichtete [9] am 30.August 2015, Justiz-Sprecher Gholamhossein Mohseni-Ejei von der Verhaftung von 4 Menschen, die “verletztende” Inhalte gepostet hatten. Die letzten Verkommnisse nach einer Kette von Verhaftungen [10] und Verurteilungen von Internet SpezialistInnen und Nutzern von sozialen Medien.

Darüberhinaus berichtete [11]der Theraner Polizeichef Hossein Sajedinia am 6.September 2015 der offiziellen iranischen Studierenden-Nachrichtenagentur ISNA dass innerhalb der letzten fünf Monate die iranische Fata-Cyber-Polizei 272 Internetcafes schließen ließ und warnte, dass weitere 847 geschlossen würden.

“Khamenei glaubt, dass wenn er die Kontrolle über das Internet hat, er auch die BürgerInnen kontrollieren kann. Aber mit mehr als der Hälfte von 80 Millionen Einwohnern des Irans, die mitlerweile online [12] sind hat der Zug den Bahnhof schon längst verlassen.” sagte Ghaemi.